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# taz.de -- Heavy-Metal-Gitarristin in Indonesien: Die rockt
> Eine junge Gitarristin aus Indonesien spielt Metal. Und trägt Kopftuch.
> Eins ihrer Videos wurde über eine Million Mal geklickt. Wer ist diese
> Frau?
Bild: Meliani Siti Sumartini, hier mit ihrem Spielgefährten Grizaldi Adipramas…
Die Finger tanzen wie Spinnenbeine über den Steg der E-Gitarre. Der Sound
ist rau, heftig, laut.
Eine junge Frau sitzt in ihrem Zimmer auf dem Bett – an der Wand ein paar
Poster – und filmt, wie sie gekonnt einen Rocksong mitspielt. Im
Hintergrund hört man den Sänger der US-amerikanischen Metal-Band Lamb of
God den Song „Hourglass“ grölen, es geht um die wenigen Auserwählten, die
durch ihre Zeit in der Hölle gesegnet seien.
„Hab das aufgenommen, bevor ich zur Schule gegangen bin. Hoffe, euch
gefällt das”, schrieb die Teenagerin, als sie das Video im März 2014 bei
YouTube hochlud.
Ein Video wie viele, die weltweit durch die sozialen Netzwerke geistern.
Dieses aber wurde weit über eine Million Mal angeklickt. Was es so
besonders macht? Das vermeintlich so gar nicht zur Musik passende Outfit
der jungen Gitarristin. Sie trägt Kopftuch. Einen Hidschab, der nicht nur
das Haar, sondern auch den Oberkörper verhüllt.
In der westlichen Welt hängen viele Assoziationen an diesem Kleidungsstück.
Sie haben in der Regel mit Unterdrückung und Unmündigkeit zu tun. Und wenig
bis gar nichts mit Heavy Metal. Wer also ist diese junge Frau mit dem
schnellen, schweren Sound?
Das Netz offenbart ziemlich viel. Sie heißt Meliani Siti Sumartini. Unter
[1][ihrem YouTube-Kanal] schreibt sie: „born in Garut, October 1997, i love
art, i’m Indonesian (Sundanese), nice to meet you :)”. Sie stammt also aus
einer Stadt auf der indonesischen Insel Java und wurde vor Kurzem 18 Jahre
alt.
Und sie ist, wie viele Menschen in ihrem Alter, ein Heavy User der sozialen
Medien. Statt mit Informationen über sich zu geizen, inszeniert sie sich
als öffentliche Person. Mit Erfolg. Sie hat fast 5.000 Follower bei
Twitter, über 4.000 auf Instagram und mehr als 31.000 AbonnentInnen bei
Facebook
## Seit 2011 im Netz unterwegs
Schon seit dem Jahr 2011 stellt sie Coverversionen ins Netz, keineswegs nur
Metal-Songs, sondern auch Sachen wie „Salted Wound” von Sia – aus dem
Soundtrack der Verfilmung der Sadosexschmonzette „Fifty Shades of Grey”.
Unübersehbar aber ist ihre große Liebe zu Heavy Metal Music – genauer
gesagt zu den komplexeren Arrangements des Technical Death Metal, wie sie
auf ihrer Facebook-Seite schreibt. Mit einem jungen, langhaarigen Mann
namens Grizaldi Adipramasatya betreibt sie [2][einen weiteren Videokanal],
auf dem man die beiden im Duett rocken sehen kann.
In Bandung, einer Millionenstadt auf Java, studiert Sumartini seit diesem
Jahr Visuelle Kommunikation. Denn Zeichnen, das erfährt man in ihren
Social-Media-Kanälen, ist neben Musik und Video ihre dritte Leidenschaft.
Nur wie passt die Leidenschaft dieser kreativen Teenagerin für Metal-Rock,
die ja offensichtlich über bloßes Fantum weit hinausgeht, zu einer jungen
Kopftuch tragenden Frau im größten muslimischen Land der Welt?
Auf der [3][Plattform ask.fm] äußert sie sich zu religiösen Fragen. Als das
größte Geschenk, das sie je bekommen habe, bezeichnet sie den Koran. Und
die Bitte eines Users, ihr Haar zu zeigen, beantwortete sie schlicht mit
„nein, danke” und einem Smiley. Mitte Juni ermunterte sie andere Frauen auf
Facebook, sich zu bedecken. „Ganz egal, auch wenn du dich noch nicht reif
dafür fühlt, TRAG ES. Du SOLLTEST es tragen.“
Dass all das ihrer Leidenschaft offenbar keinen Abbruch tut, erfährt man
indirekt, [4][in einem Ende Oktober erschienenen spanischen Artikel], den
Sumartini kommentarlos auf Facebook gepostet hat. Darin geht es um die
42-jährige Brasilianerin Gisele Marie, einer Heavy-Metal-Gitarristin, die
anders als die Indonesierin sogar den Niqab trägt, also auch ihr Gesicht
verschleiert.
Die sagt in dem Artikel: „Die Musik ist meine Arbeit, und der Islam ist
meine Religion. Ich mische die beiden Dinge nie. Wir müssen frei bleiben,
um Kunst zu kreieren.” Aufgemerkt. Praktizierende Muslima zu sein und Musik
zu machen, das geht offenbar ganz gut zusammen. Sagt das spontane
Unverständnis, das einen beim Anblick eines verschleierten Mädchens mit
E-Gitarre überkommt, also am Ende mehr über das Islambild in unserer
Gesellschaft aus als über das Empfinden der jungen Metalerin?
## Metalhead als Präsident
Die weitere Recherche ergibt: Indonesien ist nicht nur das Land mit den
meisten Muslimen weltweit, es hat auch eine Heavy-Metal-Szene. Sogar
Indonesiens 2014 gewählter Präsident Joko Widodo ist bekennender Metalhead.
Wie man in der [5][Fachpresse] nachlesen kann, fährt er unter anderem auf
Lamb of God ab, ganz wie Sumartini. Seine Verbindung zur Musik hatte sogar
politische Auswirkungen – wenn sie auch nicht zu einem Einsehen führten.
Anfang 2015 forderten international bekannte Rockergrößen, wie Toni Iommi,
der Gitarrist von Black Sabbath, der einstige Guns-N-Roses-Sänger Axl Rose
oder die Band Napalm Death ihren Fan, den indonesischen Präsidenten, auf,
zwei Australier zu begnadigen, die wegen Drogendelikten zum Tode verurteilt
worden waren. Widodo [6][blieb gnadenlos].
Und wer immer noch mehr über Meliani Siti Sumartini wissen will, der muss
sie ganz einfach selbst fragen! Sie antwortet umgehend im Chat. Heavy
Metal, schreibt sie, höre sie schon seit der Junior High School, also dem
siebten oder achten Schuljahr. Einige Freunde hätten sich für Gothic
interessiert, so sei sie an das härtere Zeug gekommen. Später an der
Berufsschule habe sie Grizaldi kennengelernt, der den gleichen
Musikgeschmack hatte und ihr nach und nach die Technik beigebracht habe.
## Satanistische Symbolik
Probleme mit den Texten der Songs, die häufig mit christlich bis
satanistischen Symboliken spielen, hat sie nicht. „Die Texte sind mir
egal“, schreibt sie und setzt ein „haha“ dahinter. Sie konzentriere sich
nur auf die Musik.
Das klingt nachvollziehbar. Aber dennoch der Vergleich: Ein katholisches
Mädchen in der deutschen Provinz, das Heavy Metal spielt – würde das nicht
sofort als schwarzes Schaf der Familie gelten?
Bei Meliani Siti Sumartini ist jedenfalls das Gegenteil der Fall. lhr Vater
habe sie stets unterstützt, schreibt sie. „Wir reden und lachen jeden Tag.“
Wie gut das Verhältnis der beiden ist, kann man in einem ihrer Videos
erkennen. Es zeigt ihren Vater, lächelnd am Strand.
Kann es sein, dass muslimische Väter offener sind als Spießereltern
hierzulande? Und das wir deswegen das Gegenteil annehmen, weil wir uns so
überlegen fühlen? Tieferen Nachfragen zu ihrer Religion weicht Sumartini
aus. „Weniger reden, mehr tun“, sei ihr Motto, schreibt sie nur. Dieser
Satz sei wirklich bedeutend für sie.
Mittlerweile hatte Meliani Siti Sumartini mehrere Fernsehauftritte in
Indonesien, trat dort gegen bekannte Musiker an.
Ob sie in ihrem Land schon eine kleine Berühmtheit ist, als Hijab Metal
Girl? „Yes, hehe“, antwortet sie. Davon habe sie schon als Kind geträumt.
Sie wolle ganz einfach von allen Menschen weltweit gekannt werden. Denn
dann könne sie Menschen bitten, Gutes zu tun. Das sei, und dann kommt sie
doch noch auf ihre Religion zu sprechen, „die Aufgabe aller Muslime.“
Und noch einen Traum hat sie: einmal nach Deutschland reisen. „Ihr habt da
so viele coole Bands“. Dann postet sie den Link [7][zu ihrem neuesten
Video]. „See through my eyes“, kreischt darin die kanadische Band Threat
Signal. „See through the lies. We’re not far away.“ (Schau durch meine
Augen. Durchschaue die Lügen. Wir sind nicht weit weg.)
Passt ganz gut. Den Song habe sich ihr Vater gewünscht, schreibt Meliani
Siti Sumartini. Und rockt dazu. Wie Hölle.
15 Dec 2015
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/channel/UCNdNYSjAuVgq6k60diMnfRg
[2] https://www.youtube.com/channel/UCG9KjFw21uNdT3ys6055CsQ
[3] https://ask.fm/MelianiSitiSumartini
[4] http://www.elespanol.com/cultura/20151028/74992542_0.html
[5] http://www.metalinjection.net/latest-news/yes/this-metalhead-has-been-elect…
[6] /!5010650/
[7] https://youtu.be/ePxpishsF-c
## AUTOREN
Gereon Asmuth
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