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# taz.de -- Debatte Wohnungen für Flüchtlinge: Weg vom rechten Rand
> Welche Krise? Für die städtische Wohnungsbaugesellschaft von Frankfurt
> (Oder) sind die vielen Flüchtlinge willkommene neue Mieter.
Bild: „In Frankfurt (Oder) ist nischt los“, hieß es immer. Das kann sich j…
Es war einmal eine Zeit, in der aus Frankfurt (Oder) nichts Gutes zu
vernehmen war: Demografischen Wandel, Kinder- und Altersarmut und
Überalterung der Bevölkerung beklagten die Sozialverantwortlichen,
Schrumpfung und Abriss die Stadtplaner.Fehlende Arbeitsplätze und
Fachkräftemangel ergänzte die Wirtschaft, Wohnungsleerstand die
Wohnungswirtschaft.
Hinzu kam ein unklares Selbstbild. Frankfurt (Oder) – Kleiststadt,
Frankfurt (Oder) – Universitätsstadt, Frankfurt (Oder) – Sportstadt,
versuchten die Marketingexperten die eigenen Stärken zu beschreiben. „In
Frankfurt (Oder) ist nischt los“, verhieß Frankfurter Mund. „Berlin ist
größer, bunter, soziokultureller“, schlossen die Studierenden das
Klagelied.
Jetzt ist eine Zeit gekommen, in der Minus und Minus endlich zu Plus
werden, die einstigen Mängel zum Standortvorteil werden. Auch Frankfurt
(Oder) ist verpflichtet, Flüchtlinge aufzunehmen. Dieser sozialen
Verantwortung stellen sich Frankfurter Akteure der Integrationsarbeit
verantwortungsbewusst und engagiert und gestalten gemeinsam den
frankfurterischen Weg des guten Zusammenlebens in der Stadt.
## Jedem Flüchtling eine Wohnung
Der Boden für diese Chance ist der vermietungsfähige Leerstand im
kommunalen Wohnungsunternehmen (WOWI). Genährt wird sie durch einen
verhältnismäßig nicht überfordernden quantitativen Zustrom von
Flüchtlingen: Am 30. 11. 2015 befanden sich 551 Flüchtlinge in kommunaler
Verantwortung und 780 Personen in Außenstellen der Erstaufnahmeeinrichtung
des Landes in Frankfurt (Oder). Zur Blüte kommt sie schließlich durch den
Konsens zwischen Verwaltung, kommunaler Wohnungswirtschaft und Politik –
die dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen in Wohnungen ist das oberste
Ziel in Frankfurt (Oder). Die sonst als „miefig“ empfundenen kurzen
Kommunikationswege werden jetzt zum schnellen Dialog genutzt.
Stadt und Wohnungswirtschaft haben eine weitreichende
Kooperationsvereinbarung getroffen. Insgesamt können bis zu 480
Asylsuchende mit Wohnraum versorgt werden. Und sie werden nicht einfach
„nur“ versorgt. Die soziale Mischung bleibt durch ein Belegungsmanagement
mit klar definierten Grenzen gewährleistet. Die Flüchtlinge erhalten
mehrere Wohnraumangebote, besichtigen und wählen selbst zwischen ihnen aus.
Sie werden reguläre Vertragspartner, sodass bei Bleibeaussichten ein
direktes Mietverhältnis unproblematisch möglich wird. Zur Intensivierung
der dezentralen Unterbringung folgte im September ein Generalmietvertrag
zwischen Stadt und WOWI. Das unkomplizierte Verfahren ermöglicht es der
Stadt, Wohnungen zügiger zu möblieren und Bewohner mit Wohnraum zu
versorgen.
Die künftigen Mieter werden bereits in der Gemeinschaftsunterkunft darauf
vorbereitet: Ein Schulungsprogramm informiert über das Zusammenleben in
einer deutschen Nachbarschaft. Begleitende Informationen liefert ein
Wegweiser, der in sieben Sprachen dafür sorgt, dass es mit dem Nachbarn
klappt. Stadt und Wohnungswirtschaft gehen einen transparenten und
entschiedenen Weg der Kommunikation: Asyl ist ein Grundrecht und darum
nicht verhandelbar. Dazu gehört verantwortungsvolles Handeln – und eine
verantwortungsbewusste Kommunikation: FAQs rund um die Thematik „Asyl und
Flucht“ sorgen per Flyer und Internetseite für den Abbau von Vorurteilen
und sensibilisieren zu Fluchthintergründen. Ein Mieteranschreiben
informiert die Alteingesessenen über die Neu-Frankfurter in ihrer
Nachbarschaft, eine Info-Hotline steht für alle Fragen zur Verfügung.
Jedem Asylsuchenden stehen ein Sozialarbeiter und ein Kundenbetreuer an der
Seite. Auch die Hauswarte werden einbezogen und auf ihren Einsatz als erste
Mittler vor Ort vorbereitet. Weitere Gesprächsrunden in den eigenen
WOWI-Seniorentreffs und mit Mieterbeiräten soll die Informations- und
Dialogkultur weiter in die Tat umsetzen und Empathie sowie Sensibilität
aufbauen.
Und wenn sie ihren frankfurterischen Weg gegangen sind, dann leben sie
künftig in einem bunten, attraktiven, mittelgroßen Frankfurt (Oder), von
dem man nicht mehr erklären muss, dass es noch ein zweites gibt. Entgegen
der Aussage vom Innenminister Schröter, Frankfurt (Oder) sei nicht einmal
für Flüchtlinge attraktiv, haben Asylsuchende in der Stadt an der Oder ein
neues Zuhause nach dem Geist Kleists gefunden: „Ein freier, denkender
Mensch bleibt nicht da stehen, wo der Zufall ihn hinstößt; oder wenn er
bleibt, so bleibt er aus Gründen, aus Wahl des Bessern.“
## Lust auf Migrationshintergrund
Und wenn sie ihren frankfurterischen Weg gegangen sind, dann wird
geschehen, was Dirk Wilking vom Brandenburgischen Institut für
Gemeinwesenberatung bei der 1. Integrationskonferenz 2015 formulierte:
„Rechtsradikale ärgert es tierisch, wenn Menschen sagen, dass sie Lust auf
Menschen mit Migrationshintergrund haben, dass wir sie brauchen und uns von
der Vielfalt bereichert sehen“.
Die Willkommenskultur wird in Frankfurt nicht propagiert, sondern ohne viel
Gequatsche auf allen gesellschaftlichen Ebenen gelebt werden. Die
qualitativ und quantitativ guten Angebote in der Sportlandschaft und in der
Kindertagesbetreuung werden ihren Dienst als Integrationsmotoren getan
haben.
Und wenn sie ihren frankfurterischen Weg gegangen sind, wird wie der
„marginal man“ beim Kultursoziologen Robert Ezra Park die Perspektive der
Neu-Frankfurter auf die deutsche Gesellschaft, auf die Frankfurter
Eigenheiten dazu genutzt werden, den eigenen Horizont zu erweitern, sich
auf den Weg zum Übergang zu einer neuen integrativen Ära zu bewegen.
Und wenn sie ihren frankfurterischen Weg gegangen sind, wird es eine
gestärkte mittlere Altersstruktur, (volkswirtschaftlich) gesunden Leerstand
ohne Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt geben. Gut ausgebildete junge
Menschen haben Jobs im Gesundheits-, Pflege- und Bildungs-Sektor. Die
Straßen sind belebt, die Bürgergesellschaft gestärkter denn je, die
Stadtquartiere quirlig. Frankfurt (Oder) ist nicht das kleine oder das
andere Frankfurt, sondern selbstbewusste Brückenbauerstadt.
29 Dec 2015
## AUTOREN
Milena Manns
## TAGS
Wohnungen
Sozialer Wohnungsbau
Frankfurt Oder
Schwerpunkt Flucht
Flüchtlinge
Sozialer Wohnungsbau
Lager
Flüchtlinge
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