# taz.de -- US-Spion freigelassen: Vergeben und vergessen | |
> Nach 30 Jahren ist ein US-Nachrichtenoffizier aus der Haft entlassen | |
> worden. Er hatte für Israel spioniert und war zu lebenslanger US-Haft | |
> verurteilt worden. | |
Bild: Jetzt ist er frei: Esther Pollard, die Frau des Spions vor ihrem Haus in … | |
Washingtion AP | Fast genau 30 Jahre nach seiner Festnahme wegen Spionage | |
für Israel ist der frühere Nachrichtenoffizier der US-Marine Jonathan | |
Pollard am Freitag aus dem Gefängnis entlassen worden. Der 61-Jährige | |
verbüßte eine lebenslange Haftstrafe, die jetzt ausgesetzt wurde. Der Fall | |
Pollard hatte zwischen den USA und Israel über drei Jahrzehnte für | |
Irritationen gesorgt. | |
Was die Menge des weitergegebenen Materials, die Geheimhaltungsstufe und | |
den Schaden für die Beziehungen betreffe, „war es sicher ein bedeutender | |
Fall“, sagt Jeffrey Richelson vom Nationalen Sicherheitsarchiv an der | |
George-Washington-Universität. Die Entscheidung über die Freilassung traf | |
die zuständige US-Behörde zu einem Zeitpunkt, da es zwischen beiden Staaten | |
zu scharfen Differenzen über das jüngste Atomabkommen mit dem Iran gekommen | |
war. Den Verdacht, dass der Schritt ein Zugeständnis an Israel sei oder mit | |
dem Abkommen in Verbindung stehe, wiesen Vertreter der USA und Israels | |
jedoch energisch zurück. | |
Pollards Zukunftspläne sind nicht genau bekannt. Seine Anwälte erklärten | |
nach der Entscheidung über die Haftentlassung vom Juli, dass er eine | |
Arbeitsstelle in Aussicht habe und im Großraum New York leben werde. | |
Pollard beabsichtige, Staatschef Barack Obama um eine Begnadigung und die | |
Erlaubnis zu bitten, umgehend nach Israel ziehen zu dürfen. Verurteilte, | |
die auf Bewährung aus der Haft entlassen werden, benötigen laut Gesetz für | |
Auslandsreisen fünf Jahre lang die Erlaubnis der Behörden. Das Weiße Haus | |
erklärte dazu, Pollard habe „sehr schwere Straftaten“ begangen, und der | |
Präsident habe „nicht die Absicht, die Bewährungsbedingungen Herrn Pollards | |
zu ändern“. | |
Die Festnahme Pollards am 21. November 1985 machte international | |
Schlagzeilen. Zuvor hatte er vergeblich versucht, in der israelischen | |
Botschaft in Washington Asyl zu erhalten. Ein Jahr darauf bekannte er sich | |
der Verabredung zur Spionage schuldig und wurde 1987 zu lebenslanger Haft | |
verurteilt. Er beklagte später, dass sein Schuldeingeständnis erzwungen | |
gewesen und das Strafmaß überzogen sei. In den 1990er Jahren verlieh Israel | |
Pollard die Staatsbürgerschaft und erkannte ihn als israelischen Agenten | |
an. | |
Anwälte des US-Justizministeriums hatten bei einer Anhörung in diesem Jahr | |
keine Einwände gegen Pollards Freilassung. Bei der Entscheidung wurden sein | |
Verhalten im Gefängnis und seine Prognose berücksichtigt. Gemäß dem | |
seinerzeit verhängten Urteil kam für ihn nach 30 Jahren eine Haftaussetzung | |
in Frage. Zwar fällt der 30. Jahrestag seiner Festnahme auf Samstag, doch | |
kam er tatsächlich schon einen Tag früher aus dem Gefängnis in North | |
Carolina frei. Entlassungen würden nicht an Wochenenden oder Feiertagen | |
angesetzt, sagte ein Behördensprecher. | |
## Freiheit als Friedensanreiz | |
Die israelische Regierung hatte sich seit Jahren um Pollards Freilassung | |
bemüht, doch US-Präsidenten haben einen solchen Schritt wiederholt | |
abgelehnt. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärte am Freitag, er | |
habe das Thema in seinen Gesprächen mit der Führung aufeinanderfolgender | |
US-Regierungen immer wieder angesprochen. | |
Im vergangenen Jahr stellte Washington eine vorzeitige Freilassung Pollards | |
in Aussicht. Das Angebot war Teil eines Anreizpakets, das Israel während | |
Friedensgesprächen mit den Palästinensern am Verhandlungstisch halten | |
sollte. Doch die Friedensinitiative scheiterte, und Pollard blieb im | |
Gefängnis. | |
Seine Unterstützer, darunter viele Israelis, sind seit langem der Ansicht, | |
dass Pollard wegen Spionage für einen Verbündeten der USA zu hart bestraft | |
worden sei. Er habe Informationen geliefert, die für die israelischen | |
Sicherheitsinteressen zu einer Zeit, da das Land von seinen Nachbarn im | |
Nahen Osten bedroht worden sei, entscheidend gewesen seien. | |
US-Behördenvertreter hingegen kritisierten ihn als Verräter, der Israel | |
ganze Bände geheimer Informationen weitergegeben habe, darunter solche über | |
Techniken zur Radarstörung und über die elektronischen Fähigkeiten von | |
Israel feindlich gesinnten Staaten wie Saudi-Arabien. | |
Eine Schadensanalyse der US-Regierung nach seiner Festnahme kam zu dem | |
Schluss, dass Pollard eifrig die Gelegenheit ergriffen habe, dem | |
israelischen Geheimdienst seine Dienste anzubieten. Nachdem er formelle | |
Anweisungen erhalten habe, habe er alle zwei Wochen große Mengen geheimen | |
Materials abgeliefert und dafür ein monatliches Gehalt bekommen. Er flog | |
auf, weil ein US-Geheimdienstverantwortlicher Verdacht schöpfte. Diesem | |
fiel auf, dass Pollard mit vielen vertraulichen Informationen befasst war, | |
die nichts mit seinen offiziellen Themenbereichen Nordamerika und Karibik | |
zu tun hatten. | |
Doch auch wenn der Fall hohe Wellen schlug: In der Öffentlichkeit ist | |
Pollard heute kaum noch bekannt, wie Mark Zaid, Washingtoner Anwalt für | |
Fragen der nationalen Sicherheit, sagt. „Ehrlich, ich glaube nicht, dass | |
sich die breite Öffentlichkeit an ihn erinnert“, erklärt Zaid. „Das ist | |
Teil der Geschichte. Es ist eine Generation her.“ | |
20 Nov 2015 | |
## AUTOREN | |
Nina Sündermann | |
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