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# taz.de -- Entlastung: Retter im Stress
> Die Feuerwehr hat mehr als 6.000 Notfalltransporte für Flüchtlinge
> geleistet. Jetzt bewilligen die Krankenkassen sechs neue Rettungswagen.
Bild: Verstärkung ist in Sicht: Die Feuerwehr bekommt neue Rettungswagen.
HAMBURG taz | „Wir schaffen das mit links“, sagt Feuerwehr-Sprecher Martin
Schneider. Er ist sicher, dass seine Mitarbeiter weiterhin bewältigen
werden, was derzeit Hamburgs soziale Strukturen nachhaltig verändert: die
sogenannte „Flüchtlingskrise“, genauer: die vielen Notfalltransporte
schwerkranker Flüchtlinge aus Erstaufnahme- und Wohnunterkünften, die seit
Januar und nochmals seit Juni stark gestiegen sind.
Allein 6.218 Mal hat Hamburgs Berufsfeuerwehr – gemeinsam mit Bundeswehr,
ADAC sowie einem Wagen des Roten Kreuzes – dieses Jahr schon Flüchtlinge in
die Krankenhäuser der Stadt gebracht. Bis Jahresende könnten es 8.000
Fahrten werden.
Das macht im Durchschnitt 20 Einsätze pro Tag – zusätzlich zu den regulären
632 Einsätzen täglich, die im vorigen Jahr anfielen. Und das sind keine
Lappalien: Anders als im „Normalbetrieb“ riefen die Verantwortlichen der
Flüchtlingsunterkünfte den Rettungsdienst so gut wie nie wegen
Kleinstverletzungen oder Trunkenheit. „Bei den Flüchtlingen sind es fast
immer echte Notfälle, die im Krankenhaus weiterbehandelt werden“, sagt
Feuerwehrsprecher Schneider. Eine Herausforderung für die Retter. Aber:
„Wir können sie bewältigen.“
In der Tat ist die Hamburger Feuerwehr mit einem aktuellen Jahresbudget von
179 Millionen Euro und täglich 400 in 18 Wachen arbeitenden Beamten doch
recht gut aufgestellt. Trotzdem geht die Zusatzbelastung nicht sang- und
klanglos an Feuerwehrleuten, Rettungssanitätern und Notärzten vorüber.
Doch der Stress ist schwer zu messen: Ob ein Feuerwehrbeamter während
seiner 24-Stunden-Schicht sechs- oder 16 Mal ausrückt, fällt auf den ersten
Blick nicht ins Gewicht, und Überstunden schreibt er auch nicht auf.
Die dauerhafte Mehrbelastung verschleiße sowohl Material als auch
Arbeitskraft, sagt Olaf Reichelt, Personalratsvorsitzender vom
Berufsverband Feuerwehr. Deshalb freue er sich, dass die Feuerwehr seit
Kurzem drei zusätzliche Rettungswagen samt 30 Leuten Besatzung zur
Verfügung habe. „Die Wagen stehen in den Stadtteilen Harburg, Wandsbek und
Osdorf, wo große Flüchtlingsunterkünfte sind“, sagt Feuerwehrsprecher
Schneider.
Bezahlt hatten das nach zähem Ringen im vorigen Jahr die Krankenkassen. Und
in den jüngsten, vor wenigen Wochen beendeten Verhandlungen hat die
Feuerwehr den Kassen weitere drei Rettungswagen samt Mannschaft abgerungen.
Das Personal dafür muss allerdings noch ausgebildet werden, sodass diese
Wagen erst 2017 starten können. Kostenpunkt: Drei Wagen für insgesamt eine
Million Euro sowie 30 Mann Besatzung für 1,5 Millionen Euro. Macht 2,5
Millionen Euro für ein Drei-Wagen-Paket.
Wie es jetzt weitergeht? Immerhin gehen die Flüchtlingszahlen in Hamburg
derzeit zurück, also scheint der Stress fürs Erste gebannt. „Das müssen wir
beobachten und flexibel bleiben“, sagt Personalrat Reichelt. Über
Aufstockungen könne man immer nur anhand der Einsatzzahlen des Vorjahres
verhandeln, und auch Aktionismus sei fehl am Platze.
„Es hat keinen Sinn, zum Beispiel Personal zu reduzieren, nur weil
kurzfristig weniger Einsätze anfallen.“ Sonst könne es passieren, dass man
mal etwas länger auf den Rettungswagen warten müsse. „Und das wollen wir ja
nicht“, sagt Reichelt.
Zudem könnte die Personaldecke mittelfristig auch an anderer Stelle
ausdünnen: Schon jetzt bewachen Feuerwehrleute – auf freiwilliger Basis und
für regulären Stundenlohn – einzelne Flüchtlingsunterkünfte, weil deren
Brandschutzvorrichtungen nicht ausreichen.
Derzeit betrifft das die umgenutzte Übungshalle der Feuerwehrakademie sowie
die in einer ehemaligen Tennishalle eingerichtete Unterkunft in der
Papenreye. Beide Gebäude hätten zu wenig Brandmelder und Sprinkleranlagen,
um die Sicherheit so vieler Menschen zu gewährleisten, sagt
Feuerwehrsprecher Schneider. In Baumärkten dagegen – gleichfalls oft zu
Flüchtlingsunterkünften umgenutzt – sei das anders. „Da haben sie
massenhaft Brandschutzvorrichtungen.“
2 Dec 2015
## AUTOREN
Petra Schellen
## TAGS
Feuerwehr
Rettungswagen
Krankenkassen
Feuerwehr
Hamburg
Schwerpunkt Angela Merkel
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