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# taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Botschafter im Trainingsanzug
> DFB-Interimschef Koch betont die gesellschaftliche Rolle des Fußballs.
> Doch wie viel symbolpolitische Aufladung verträgt der Sport?
Bild: DFB-Interimspräsident Reinhard Rauball wird von Medienvertretern umringt
## VIEL
„Es darf nicht sein, dass der Terror siegt“, sagt DFB-Interimspräsident
Rainer Koch. Er meint wohl: Der Schrecken dürfe nicht siegen, denn nichts
anderes bedeutet Terror. Man darf doch annehmen, dass im Deutschen
Fußball-Bund auch jetzt nur gegen unfaire Sportsmänner gekämpft wird und
nicht gegen Mörder, die mit Kalaschnikows auf wehrlose Menschen schießen.
Die gesellschaftliche Rolle, die der Fußball spielt, verlangt eindeutige
Wortbeiträge von Sportfunktionären, insbesondere, wenn Stadien, Sportler
und Fans mehr und mehr in den Fokus von Terroristen rücken.
Hier lassen sich mit Bomben und Salven große symbolische Siege erringen,
zumindest sehen das die Ideologen des Hasses so. Deswegen wurden in der
Vergangenheit Sportveranstaltungen in München, Atlanta oder Boston
attackiert.
Der Westen antwortet mit Wut, Trauer, Trotz – und Symbolpolitik. Aber
deswegen ist es nicht gleich falsch, wenn die französische und deutsche
Nationalmannschaft ihre Freundschaftsspiele gegen England und Holland
austragen – begleitet von einer Schweigeminute und hoffentlich angemessener
Geräuschkulisse.
Das Signal ist klar: Wir lassen uns nicht unterkriegen; wir versuchen
zumindest, angstfrei auf den Rängen des Stadions ein Fußballspiel
anzuschauen. Das hat nichts damit zu tun, dass die Sportshow jetzt einfach
so weitergehen müsse.
Nein, ein Innehalten wäre in diesem Fall das falsche Signal, denn es ließe
auf eine verschreckte, im Mark erschütterte Gesellschaft schließen. Dazu
gibt es trotz der verstörenden Anschläge von Paris keinen Grund.
Leicht befremdlich war allenfalls, wohin die allumfassende symbolische
Überhöhung des Fußballs führen kann: Inmitten eines Anschlagsszenarios
werden Nationalspieler zu Menschen erster Klasse, deren Leben offenbar sehr
viel schützenswerter ist als das aller anderen.
Gänzlich absurd wird es, wenn der zweite DFB-Interimspräsident, Reinhard
Rauball, „stolz“ auf die Kicker ist, weil sie so „diszipliniert“ die Na…
im Bauch des Stade de France verbracht haben. Ja, was denn sonst?
Der Schreckensnacht entronnen ist die DFB-Elite mit einer Sondermaschine.
Der gemeine Fan musste indes zusehen, wie er klarkommt am Ort des Horrors.
Es ist auch diese Sonderbehandlung von Sportlern respektive Botschaftern im
Trainingsanzug, die Sportevents so interessant für Terroristen machen.
(Markus Völker)
## WENIG
Sepp Blatter fasste vergangenen Mai vor seiner letzten Wahl als
Fifa-Präsident den Geltungsanspruch des Fußballs gewohnt weit: „Für die
Menschen, für die Welt, für den Frieden.“ Der Mann, der überall wie ein
großer Staatsmann empfangen wurde, steht stellvertretend für den
Größenwahn, der sich in der Welt des Fußballs breitgemacht hat.
Die Terroranschläge von Paris dagegen haben auch in diesem sehr
selbstbezogenen Kosmos bei etlichen die Realitätssinne geschärft. Der
Fußball trete angesichts der schrecklichen Ereignisse in den Hintergrund,
hieß es vielfach von Verantwortlichen und Spielern.
Das waren leise Reaktionen, die nicht nur angemessen, sondern angesichts
der schrecklichen Ereignisse selbst in der autistischen Fußballbranche so
erwartet werden mussten.
Die Zurückhaltung dauerte aber nicht lange an. Der neue
DFB-Interimspräsident, Rainer Koch, gab sich bei der Frage, ob das
Freundschaftsspiel gegen die Niederlande am Dienstag nun stattfinden könne,
plötzlich sehr staatsmännisch. Er deutete den Freundschaftskick zum Kampf
gegen den Terror um.
Wie die Gesellschaft im Ganzen müsse sich nun auch der Fußball zur Wehr
setzen. Der Fußball habe in diesem Moment auch eine wichtige
gesellschaftspolitische Funktion. Es dürfe nicht sein, dass der Terror
siegt.
Der DFB-Funktionär, der bis zum Freitag noch als Aufklärungskraft die
eigene Bananenrepublik ordnen sollte, hat über Nacht einen neuen Gegner
entdeckt und zieht mit dem Schlachtruf „Kämpfen, Fußballer, kämpfen!“ ins
Gefecht.
In der Sache mag Koch ja richtig liegen. Eine Absage der Partie könnte als
falsches Signal interpretiert werden. Derlei symbolisch aufgeladenes
Gebrüll braucht es aber nicht, um dem drohenden Klima der Angst etwas
entgegenzusetzen, zumal die politische Lage zu komplex ist, um sie mit
einem simplen Freund-Feind-Schema erfassen zu können.
Grundsätzlich wäre es gewiss zu begrüßen, wenn sich die Fußballfunktionäre
wieder mehr ihrer gesellschaftspolitischen Verantwortung bewusst werden
würden. Im Wirkungsbereich des DFB etwa liegt nach wie vor vieles im Argen:
Rechtsradikalismus, Homophobie oder die Vertuschung des eigenen
gesellschaftlichen Versagens. Als Alliierte im Kampf gegen den Terrorismus
taugen die Fußballfunktionäre indes weniger. (Johannes Kopp)
16 Nov 2015
## AUTOREN
Markus Völker
Johannes Kopp
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Fußball
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Schwerpunkt Islamistischer Terror
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Sepp Blatter
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Fifa-Ethikkommission
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