# taz.de -- Ökonomische Lage in Portugal: Absoluter Gehorsam | |
> Nach vier Jahren Austeritätspolitik lebt ein Viertel der Portugiesen in | |
> Armut. Wohin steuert der einstige Musterschüler der Troika jetzt? | |
Bild: Dort soll sich nun auch ökonomisch was ändern: Parlament in Lissabon | |
Madrid taz | Wolfgang Schäubles Musterschüler Portugal will künftig weniger | |
Hausaufgaben machen. Zu groß war der Druck auf die einfache Bevölkerung. | |
Denn das 78-Milliarden-Euro-Rettungspaket, das das kleine | |
südwesteuropäische Land 2011 erhielt, wurde teuer erkauft. | |
Der jetzt vom Parlament auf die Oppositionsbank verbannte Konservative | |
Pedro Passos Coelho strich im Auftrag der Troika zusammen und | |
privatisierte, was nur ging. Zwar erholte sich dadurch der Staatshaushalt | |
und Portugal kehrte 2014 an die Finanzmärkte zurück, doch Sympathien | |
brachte dies Passos Coelho keine ein. Sein Regierungsbündnis verlor bei den | |
Wahlen im vergangenen Oktober 25 der 132 Abgeordnetensitze. | |
Er sei bei seinem „Gehorsam gegenüber der EU (...) weitergegangen, als | |
verlangt wurde“, wirft ihm der Sieger der Parlamentsabstimmung vom | |
Dienstag, der Sozialist António Costa, vor. | |
Passos Coelho hatte tatsächlich immer wieder versucht, weit unter den | |
Sparzielen der Troika zu bleiben. Im öffentlichen Dienst wurden die | |
Einkommen um mindestens zehn Prozent gekürzt, Steuern auf Renten erhoben, | |
das Arbeitslosengeld gekürzt. | |
Mehrmals ging Passos Coelho selbst dem Verfassungsgericht zu weit. Es | |
erklärte einige Sparmaßnahmen für ungültig. Die Arbeitslosigkeit stieg | |
vorübergehend bis auf 18 Prozent. Jeder fünfte Erwerbstätige verdient heute | |
nur noch den Mindestlohn von 505 Euro. 27 Prozent der Portugiesen leben an | |
oder unter der Armutsgrenze. | |
„Wir haben immer im öffentlichen Interesse gehandelt“, verteidigte Passos | |
Coelho vor dem Parlament seine Politik und verweist auf vermeintlichen | |
Erfolge. Er habe es geschafft, die Arbeitslosigkeit auf mittlerweile unter | |
13 Prozent zu drücken. Seine Gegner wollen dies nicht gelten lassen. Die | |
Gewerkschaft CGTP rechnet vor, dass dies auf die Abwanderung vor allem | |
junger Menschen zurückgehe. Jährlich verlässt ein Prozent der | |
Erwerbstätigen Portugal. Eine halbe Million ist im Laufe der Krise | |
abgewandert. | |
Auch die Makroökonomie musste als Argument herhalten. Er habe erreicht, | |
dass die Wirtschaft Portugals erstmals wieder um 0,9 Prozent wachse, das | |
Haushaltsdefizit Ende 2015 bei drei Prozent liege. In einer zweiten | |
Legislatur wollte Passos Coelho mit neuen harten Einschnitten die | |
Staatsverschuldung von rund 130 Prozent in Angriff nehmen. | |
António Costa vom Linksbündnis kündigt an, auf keinen Fall internationale | |
Verpflichtungen zu verletzen. Er wolle versuchen, die Auflagen zu lockern, | |
um Luft für Maßnahmen in der Sozialpolitik zu bekommen. | |
12 Nov 2015 | |
## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
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