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# taz.de -- Flugzeugabsturz über dem Sinai: Die Angst des Kreml vor dem Terror
> Russland und Ägypten wollen enger zusammenarbeiten. Den Terrorverdacht
> will Putin nicht bestätigen – um Ägypten nicht zu brüskieren.
Bild: Russland verhängte am Freitag ein Verbot für Flüge über Ägypten.
MOSKAU taz | Kremlchef Wladimir Putin und sein ägyptischer Amtskollege
Abdel Fattah al-Sisi haben sich am späten Freitagabend in einem Telefonat
darauf verständigt, ihre Zusammenarbeit zu verstärken. Ziel sei es, die
Sicherheit russischer Touristen und russischer Flugzeuge zu gewährleisten,
teilte der Kreml Samstag mit. Das klang bereits nach einem Eingeständnis
Moskaus, dass der [1][vor einer Woche über dem Sinai abgestürzte Airbus
321] einem Terroranschlag zum Opfer gefallen sein muss.
Am Freitagnachmittag hatte auch Russland ein Verbot für Flüge nach Ägypten
verhängt. Das kam überraschend, denn Moskau hatte die Version eines
Terroranschlags unbeirrt als Spekulation zurückgewiesen. Erst die
Intervention des FSB-Geheimdienstchefs Alexander Bortnikow in einer
Sondersitzung des nationalen Antiterrorkomitees veranlasste Putin, das
Flugverbot anzuordnen.
Für die Rückführung der 80.000 russischen Touristen in Ägypten ist
Vizepremier Arkadi Dworkowitsch verantwortlich. Nach Angaben der
Nachrichtenagentur RIA wurden bis Sonntag 11.000 russische Touristen
ausgeflogen. Schon bei der Wortwahl reagiert Moskau sensibel. Von
„Evakuierung“ könne keine Rede sein, es handle sich vielmehr um eine
„planmäßige Rückkehr“, sagte Dworkowitsch.
In Sankt Petersburg hofften die Organisatoren der Rückführung, den letzten
der 12.500 am Roten Meer gestrandeten Petersburger bis Ende November
heimgeholt zu haben. Das Gepäck wird gesondert in Maschinen des
Katastrophenschutzes ausgeflogen. Dutzende Reisende protestierten und
sollen sich zunächst geweigert haben, den Heimflug anzutreten. Als
Handgepäck sind zehn Kilogramm zugelassen.
## Keine Festlegung auf Terrorverdacht
Wie schwer es dem Kreml fällt, der Version des Terrorverdachts zu folgen,
geht auch aus den widersprüchlichen Kommentaren des Kremlsprechers Dmitri
Peskow hervor. Der Flugstopp bedeute nicht, dass sich Russland auf einen
Terroranschlag als Absturzursache festlege, hob er hervor – nur um wenig
später zu erklären, dass das Verbot nicht mit dem Abschluss der
Untersuchungen über die Absturzursache ende. Dieses könne erst aufgehoben
werden, wenn die „notwendigen Sicherheitsbedingungen“ gewährleistet seien.
Mit welchen Risiken die seit Oktober andauernde russische
Militärintervention in Syrien verbunden sein könnte, sei niemandem vorab
erklärt worden, sagt der frühere Kremlberater Gleb Pawlowski. Die
Bevölkerung hätte einem militärischen Eingriff zwar auch dann zugestimmt,
wenn klar gewesen wäre, welche Gefahren drohten. Doch dass er die
Bevölkerung nicht informiert habe, sehe der Kreml heute als Fehler an.
Deswegen sträube sich die russische Regierung weiterhin gegen die Version
eines Anschlags, so Pawlowski.
Dass die Gesellschaft nicht verlangt habe, Konsequenzen einer Intervention
vorab auszuloten, beweise letztlich auch das Fiasko von Opposition und
Zivilgesellschaft. Nicht zuletzt offenbare sich auch darin ein gewisser
Grad „nationaler Verantwortungslosigkeit“.
## Kreml duldet keinen Kontrollverlust
Russlands Führung versäumte es, die ohnehin laxen Sicherheitsvorkehrungen
in Ägypten nach der Intervention noch einmal unter die Lupe zu nehmen.
Immerhin machen am Roten Meer pro Jahr zwei Millionen Russen Urlaub. Da
sich Russlands Führung fast ausschließlich aus Geheimdienstlern und
Angehörigen der Sicherheitsstrukturen zusammensetzt, ist diese
Fahrlässigkeit unverständlich. Doch nun hat Russland drei Gruppen von
Sicherheitsexperten nach Ägypten geschickt, um die dortigen Flughäfen zu
inspizieren.
Innenpolitisch duldet der Kreml keinen Kontrollverlust. Putin wird durch
den vermuteten Terrorakt jedoch keinen Schaden nehmen. Die Bevölkerung wird
die Reihen noch enger um ihren „Lider“ schließen.
Die Zurückhaltung hat jedoch noch einen anderen Grund. Moskau möchte
Ägypten nicht brüskieren. Es setzt auf Kairo als Verbündeten im Nahen
Osten. Putin träumt, mit Hilfe Ägyptens wieder in die Rolle einer Weltmacht
schlüpfen zu können.
8 Nov 2015
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[1] /Nach-dem-Flugzeugabsturz-im-Sinai/!5247056/
## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
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