| # taz.de -- Gespräche zwischen China und Taiwan: Längster Händedruck seit 66… | |
| > Erstmals in der Geschichte der beiden Staaten reichen sich die | |
| > Präsidenten von China und Taiwan die Hand. In Taipeh protestieren | |
| > Tausende. | |
| Bild: Gefühlte fünf Minuten dauerte der Handschlag – das Treffen nur eine h… | |
| PEKING taz | Viel hatten sie der Öffentlichkeit nicht zu sagen. Das war | |
| auch so ausgemacht. Ebenso vereinbart war, dass keine Flaggen gezeigt | |
| werden. Die Titel als Präsidenten sollten ebenfalls nicht zur Sprache | |
| kommen. Stattdessen galt die Ansprache: Herr Xi und Herr Ma. | |
| Umso länger fiel dagegen der Handschlag aus. Bevor sich die beiden | |
| Präsidenten von China und Taiwan in einen Konferenzraum im Singapurer | |
| Shangri-La-Hotel zurückzogen, schüttelten sie sich gefühlte fünf Minuten | |
| lang die Hände. Fast wirkte es so, als wollten sie einander gar nicht mehr | |
| loslassen. Und auch ihr Lächeln wirkte ernst gemeint. „Keine Kraft kann uns | |
| trennen. Wir sind eine Familie“, sagte beherzt Chinas Staats- und | |
| Parteichef Xi Jinping bei laufender Kamera zu seinem taiwanischen | |
| Amtskollegen Ma Ying-Jeou. Der erwiderte ebenso lächelnd: „Beide Seiten | |
| sollten die Werte und die Lebensweise des anderen respektieren.“ | |
| Als „historisch“ hatten die Büros beider Seiten die Begegnung im Vorfeld | |
| bezeichnet ([1][taz-Kommentar von Sven Hansen]). Und die Tatsache, dass es | |
| erstmals seit Ende des chinesischen Bürgerkriegs 1949 zu einem Treffen der | |
| beiden Staatschefs von Taiwan und der Volksrepublik kommt, stellt wahrlich | |
| eine Zäsur dar. Beide Seiten sind sich der offiziellen Lesart zufolge auch | |
| 66 Jahre später spinnefeind und erkennen sich nicht einmal an. Die | |
| kommunistische Führung in Peking betrachtet Taiwan als eine abtrünnige | |
| Provinz. Die demokratisch gewählte Regierung in Taipeh sieht sich wiederum | |
| als rechtmäßige Führung Chinas an – auch wenn sie auf Druck Pekings | |
| weltweit nur noch von 22 Staaten und dem Vatikan anerkannt wird. | |
| Doch trotz dieses herzlichen Auftritts – zu einer wirklich politischen | |
| Annäherung ist es bei dem Treffen am Samstag nicht gekommen. Für die | |
| Fotografen gab es den freundlichen Handschlag. Darüber hinaus wurden noch | |
| ein paar Floskeln ausgetauscht. Sie waren aber so allgemein gehalten und | |
| entsprachen dem auf beiden Seiten anerkannten politischem Sprachgebrauch, | |
| dass von Fortschritten in den schwierigen Beziehungen nicht wirklich die | |
| Rede sein kann. | |
| ## Das Gespräch dauerte nicht mal eine halbe Stunde | |
| „Wir zeigen der Welt, dass das chinesische Volk die Fähigkeit und den | |
| Willen für eine friedliche Zusammenarbeit hat“, sagte Xi im Anschluss des | |
| nicht einmal halbstündigen Gesprächs. „Wir sind verschiedenen | |
| Wirtschaftssystem gefolgt, aber wir haben auch viele Gemeinsamkeiten“, | |
| betonte Ma auf einer getrennt einberufenen Pressekonferenz. | |
| Heikle Dinge sprachen beide Seiten nicht an. Weder waren die Tausenden auf | |
| Taiwan gerichteten Raketen der chinesischen Volksbefreiungsarmee ein Thema. | |
| Noch gab es Antworten, wie denn der beiderseitige Annäherungsprozess | |
| künftig fortgeführt werden soll. | |
| Annäherungen zwischen Taiwan und dem Festland gibt es seit 1992. Doch sie | |
| sind rein wirtschaftlicher Natur. Firmen aus Taiwan können in der | |
| Volksrepublik investieren. Seit 2008 verkehren auch Passagierflugzeuge | |
| zwischen beiden Seiten der Taiwan-Straße – mehr als 100 Flüge gibt es am | |
| Tag. Zehntausende taiwanische Geschäftsleute betreiben in der Volksrepublik | |
| Fabriken. Präsident Ma hat in seiner Amtszeit auch Tourismus aus der | |
| Volksrepublik zugelassen. Die Insel ist seitdem einer der beliebtesten | |
| Ferienorte der Festlandchinesen. Und auch Investitionen aus der | |
| Volksrepublik sind in Taiwan seit knapp einem Jahr möglich. | |
| ## Taiwaner befürchten Ausverkauf ihrer Insel | |
| Doch vor allem mit dem Investitionsabkommen ist Ma aus Sicht vieler | |
| Taiwaner zu weit gegangen. Schon vorher hatte die Opposition immer wieder | |
| gewarnt, dass sich Taiwan zu abhängig mache von China. 40 Prozent des | |
| taiwanischen Exports geht an die Volksrepublik. Unter der Präsidentschaft | |
| von Ma befürchten viele Taiwaner den Ausverkauf ihrer Insel. Taiwan zählt | |
| rund 23 Millionen Einwohner, das Festland mehr als 1,38 Milliarden. | |
| Sehr viel weniger harmonisch als in Singapur am Samstagnachmittag ging es | |
| am Morgen entsprechend in Taipeh zu. Hunderte von Demonstranten versuchten | |
| in der Nacht zum Samstag das Parlament zu stürmen. Als am Morgen am | |
| Flughafen Songshan einige Demonstranten versuchten, den Abflug von | |
| Präsident Ma zu verhindern und Bilder von beiden Staatschefs verbrannten, | |
| griff die Polizei gewaltsam ein und verhaftete einige Demonstranten. Am | |
| Nachmittag demonstrierten erneut mehrere Tausend Menschen in der | |
| Innenstadt. Auf Plakaten nannten Sie Xi einen „Diktator“ und Ma einen | |
| „Verräter“. | |
| Wuer Kaixi, ehemaliger Studentenführer während der blutigen | |
| Demokratieproteste 1989 in Peking, kritisierte das „Einknicken“ Mas als | |
| „dreiste Wahlkampfhilfe“. Im Januar stehen in Taiwan Präsidentschaftswahlen | |
| an. Ma darf turnusgemäß zwar nicht mehr antreten. Doch auch seine Partei, | |
| die Kuomingtang, liegt in Umfragen bei unter 20 Prozent. Die | |
| Peking-kritische Demokratische Fortschrittspartei (DPP) hingegen führt | |
| haushoch. | |
| Experten glauben jedoch nicht, dass das Treffen mit Xi noch großen Einfluss | |
| auf die Wahlen haben wird. Die regierende Kuomingtang hat sich intern so | |
| sehr selbst zerlegt, da spiele es keine Rolle mehr, ob Präsident Ma noch | |
| mehr auf Schmusekurs mit Peking geht. | |
| 8 Nov 2015 | |
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| ## AUTOREN | |
| Felix Lee | |
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