# taz.de -- Bericht über BRD und Migration: Angst vorm Sex der Fremden | |
> In den 60ern wollten Behörden gegen die „Gefährdung deutscher Mädchen“ | |
> durch Gastarbeiter angehen. Eine Analyse der autoritär-triefigen | |
> Fürsorge. | |
Bild: Schnell weg. Gastarbeiter im Dezember 1964 steigen in Stuttgart in einen … | |
Furcht vor der Sexualität von Einwanderern, wie neulich sie in einem | |
giftigen Anfall von purem Neid [1][ein Lehrerfunktionär aus Sachsen-Anhalt | |
äußerte], durchzieht die Geschichte der Einwanderung von Fremden in die | |
Bundesrepublik wie ein roter Faden. Wir kennen die Bilder ja: rasende | |
Teenager, die in Bremerhaven am 1. Oktober 1958 den jungen GI Elvis Presley | |
willkommen hießen, durchaus sehr erotisiert; oder die Schlüpfer junger | |
Frauen. | |
Unterhalb der Ebene des Pop hat Sexualängstliches (und damit | |
-missgünstiges) bei allen Politiken zu Migration eine Rolle gespielt. In | |
der jüngsten, nun erscheinenden Ausgabe der Zeitschrift des Vereins für | |
Hamburgische Geschichte (Nr. 101, Hamburg 2015) schreibt unter der | |
Überschrift „Die neuen Nachbarn sind da“ die Historikerin Telse Rüter zur | |
„Integration und Wohnsituation ausländischer Arbeitnehmer in Hamburg 1955 | |
bis 1973“. Sie konnte intensiv in amtlich-behördliche Akten Einsicht | |
nehmen. | |
Ihr Befund ist typisch für die bundesdeutsche Geschichte: Betriebe warben | |
aus dem Ausland Arbeiter an – die Behörden aber kamen ihren Pflichten nicht | |
nach, etwa beim Wohnungsbau. Die Erlaubnis zum Familiennachzug wurde | |
faktisch erschwert, es fehlte an Mietwohnungen. Man war ohnehin nur zäh an | |
Gastarbeiterfamilien interessiert. Andererseits, und das ist der Clou | |
dieser Quellenrecherche, befürwortete ein amtlicher Bericht den | |
Familiennachzug, um der „Gefährdung deutscher Mädchen“ zu begegnen. | |
Wörtlich heißt es 1964: „Es entsteht der Eindruck, dass ausländische | |
Arbeiter ohne Familienanschluss besonders schnell bereit sind, Verbindungen | |
zu den deutschen Mädchen aufzunehmen, ohne auch nur an eine evtl. spätere | |
Eheschließung mit diesen Mädchen zu denken.“ Schlimmer noch: „Häufig kom… | |
eine Eheschließung auch gar nicht in Frage, weil die Gastarbeiter bereits | |
verheiratet sind und in ihrer Heimat eine Familie haben.“ | |
## Keine Lust auf Post-Wehrmacht | |
Man hört aus diesen Formulierungen die autoritär-triefige Fürsorge gut | |
heraus. Die Pointe: Annäherungsversuche wurden behördlich nicht | |
registriert, dafür berichtete 1960 das Hamburger Abendblatt, „ ‘deutsche | |
Mädchen‘ “ hätten „ohne jegliche Initiative der Arbeiter ein Wohnhaus m… | |
Italienern ‚förmlich belagert‘ “. Autorin Rüter: „Noch zehn Jahre sp�… | |
berichteten ausländische Arbeitnehmer einer Bürgerinitiative, sie seien | |
froh, dass in ihrem Wohnheim Unbefugten der Zutritt verboten sei.“ | |
So war es wohl: Junge deutsche Frauen hatten auf die Post-Wehrmachts-Männer | |
keine Lust, nichtdeutsche Modelle verhießen, womöglich nicht gleich für die | |
Eheanbahnung, mehr Spaß. Die Angst der Deutschen, pure Wunschlust, hält, | |
auch in Sachsen-Anhalt! | |
13 Nov 2015 | |
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## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
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