# taz.de -- Kommentar Bundeswehr-Jubiläum: Rührt euch! | |
> Die Bundeswehr wird 60 und buhlt um Aufmerksamkeit. Doch die Deutschen | |
> wollen so wenig wie möglich von den Streitkräften wissen. | |
Bild: So feiert das Militär vor dem Reichstag Geburtstag. | |
Ich bin ein Kind der sozialdemokratischen 1970er Jahre – und der | |
Bundeswehr. Im Umfeld meiner Eltern hatten beruflich fast alle mit dem Bund | |
zu tun: zumeist nette, zivile Leute, CSU-Wähler zwar, aber so kriegslüstern | |
wie ein AOK-Sachbearbeiter. Erst später dämmerte mir, dass man auch im | |
Umfeld einer Wehrmachtkaserne eine glückliche Kindheit unter liebevollen | |
Menschen hatte verbringen können. Ist es ungerecht daran zu erinnern? | |
Leider nicht. | |
Denn die Bundeswehr hat sich in ihrer nun 60-jährigen Geschichte überaus | |
obstinat gezeigt, aus der abscheulichen Tradition des deutschen | |
Militarismus und seines Vernichtungskriegs auszutreten. Bis in die 1990er | |
Jahre hinein trugen Kasernen unwidersprochen die Namen von | |
NS-Kriegsverbrechern. | |
Und es sind keine Zufälle, dass der Umbenennungsprozess zum einen erst dann | |
in Gang kam, als die Täter und ihre Pensionsansprüche ad acta gelegt waren; | |
und dass zum anderen sich die Bundeswehr zu genau dem Zeitpunkt ihrer | |
fatalen Traditionspflege stellte, als aus der gemütlichen Behördentruppe | |
des Kalten Kriegs eine weltweit operierende Einsatzarmee zu werden begann, | |
mit dem von höchster Stelle definierten Ziel, „unsere Interessen zu wahren, | |
zum Beispiel freie Handelswege“. | |
Keine zehn Tage nach diesem Statement trat Horst Köhler im Mai 2010 vom Amt | |
des Bundespräsidenten zurück. Alles aber, was er besprochen haben wollte – | |
und die Diskussion „auf einem nicht so schlechten Weg“ sah – ist heute | |
insofern Konsens, als sich mit einer Politik gegen Kriegseinsätze keine | |
Wahlen gewinnen lassen, seit Gerhard Schröder jedenfalls – der dann als | |
Friedensdividende die Hartz-Gesetze auf den Weg brachte. | |
## Politischer Pazifismus und Antiamerikanismus | |
Deutsche Soldaten töten und sterben in aller Welt, und der Gesellschaft ist | |
das deutlich egaler als der herbeigeredete Flüchtlingsnotstand. Selbst ein | |
Oberst Klein hat es nicht geschafft, den Ostermärschen wieder | |
Event-Charakter zu verleihen, und der politische Pazifismus erschöpft sich | |
in einem beckmesserischen „ohne die Amis und ihre Kriege könnten die Syrer, | |
Iraker etc. weiter (und weit weg) in ihren gemütlichen Giftgasdiktaturen | |
leben und uns brav unsere supergünstigen Produkte abkaufen“. | |
Hellhörig wird man in der deutschen Komfortzone nur, wenn es um | |
posttraumatische Belastungsstörungen der Afghanistanheimkehrer geht – da | |
kann man sich so schön einfühlen als gestresster Angestellter, der im | |
Zweifelsfall lieber ein Burn-out in Kauf nimmt als seinen Vorgesetzten | |
zusammenzufalten: soldatische Pflichterfüllung eben im Dienste des | |
deutschen Exportüberschusses. | |
Zu den Merkwürdigkeiten der Bundeswehr gehört, dass sie ihre größte | |
gesellschaftlichen Wirkung einer Gruppe verdankt, die sie selbst | |
hervorgebracht und gleichzeitig sehr lange als Feindbild gepflegt hat: den | |
Zivildienstleistenden. Bis zur Aussetzung der Wehrpflicht 2011 haben die | |
Zivis soziale und emotionale Erfahrungen gemacht und weitergegeben, die zur | |
Zivilisierung Postnazideutschlands beigetragen haben. | |
Zur Wahrheit rund um die Zivis gehört aber auch, dass sie die | |
Klassengesellschaft Bundesrepublik abbildeten. Unter Gymnasiasten outete | |
sich als Vollhonk, wer auch nur in Erwägung zog, zum Bund zu gehen – wenn | |
nicht gleich (und leider nicht völlig unberechtigt) als faschistoider | |
Waffennarr. | |
## Kindisch-übergriffige Slogans | |
Wenn nun die Bundeswehr zu ihrem Jubiläum auch in der taz mit | |
kindisch-übergriffigen Slogans wie „Wir kämpfen auch dafür, dass du gegen | |
uns sein kannst“ für sich wirbt, dann ist die Aufregung darüber eher | |
angstbeißerisch. Wenn ich von meinen Verhältnissen auf andere schließen | |
darf: Mein 15-jähriger Sohn wird seine schöne Sehnsucht, dieser | |
Gesellschaft zu dienen, eher nicht in einem Schützenloch irgendwo in der | |
Welt ausleben. | |
Dass eine Organisation, die vor allem für zwielichtige Gestalten à la | |
Strauß, zu Guttenberg, de Maizière oder von der Leyen attraktiv war, nun | |
auch im politisch aufgeklärten Milieu nach Nachwuchs sucht, kann einem ja | |
fast schon Hoffnung machen. | |
13 Nov 2015 | |
## AUTOREN | |
Ambros Waibel | |
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