# taz.de -- Republikanische TV-Debatte in USA: Viel „niedrige Energie“ in B… | |
> Gepflegtes Phlegma, ein schwacher Donald Trump, ein geschwächter Jeb | |
> Bush: Die dritte republikanische TV-Debatte blieb äußerst dürftig. | |
Bild: Chris Christie und Donald Trump in Boulder, Colorado. | |
New York taz | Die ModeratorInnen der dritten republikanischen TV-Debatte | |
in Boulder können den Neurochirurgen Ben Carson fragen, was sie wollen: Er | |
reagiert immer gleich und steht mit ein wenig zusammengekniffenen Augen und | |
einem angedeuteten Lächeln vor ihnen. Er sieht aus, als müsste er | |
nachdenken. Er spricht, wenn er sich endlich dazu aufrafft, ganz langsam. | |
Und sagt dann mit einer sanften, beinahe einschläfernden Stimme Dinge, die | |
er täglich vertritt. Wie: „Ich glaube an die Verfassung“. Oder: „Wer die | |
Ehe als Union zwischen einem Mann und einer Frau verteidigt, ist deswegen | |
noch lange nicht homophob“. | |
Der 64jährige ist die Inkarnation des Phlegmas. Und er ist der neue Star | |
unter den republikanischen KandidatInnen. Die rechten WählerInnen, | |
insbesondere jene aus Tea Party und aus christlich-fundamentalistischen | |
Gruppen, verehren Carson. In den Umfragen dieser Woche hat er erstmals | |
Donald Trump überholt. | |
Die beiden bestplatzierten republikanischen Präsidentschaftskandidaten | |
haben gemeinsam, dass sie aus der Washingtoner Perspektive „Außenseiter“ | |
sind. Aber ihre Aura könnte nicht unterschiedlicher sein. Trump poltert, | |
beleidigt, lässt seine Mundwinkel in Richtung Knie sinken und blickt | |
verächtlich in die Runde. Carson gibt den Gentleman. Dankt seinen | |
KonkurrentInnen und freut sich in der Runde zu sein. Er habe eine „niedrige | |
Energie“, sagt Trump über Carson. In seinen Augen macht ihn das untauglich | |
für das Amt des Präsidenten. | |
## Das große Phlegma | |
Bei der Debatte in Boulder, bei der sie mit acht anderen RepublikanerInnen | |
Rede und Antwort stehen, bleiben beide Spitzenkandidaten verhalten. Für | |
Trump ist das ungewöhnlich. Bei Carson hingegen hat sich das Phlegma, das | |
seine Sympathisanten schätzen, schon in den vorausgegangenen beiden | |
Debatten negativ auf seine Leistung als Diskutant ausgewirkt. | |
In Boulder steht er über lange Strecken wie ein Beobachter dabei, während | |
die anderen aufeinander einhacken. Es sagt keinen einzigen Satz, der | |
hinterher im Gedächtnis bleibt. So wie jener, den er in der ersten | |
republikanischen TV-Runde im August platziert hat: „Wenn ich jemanden | |
operiere, ist nicht die Farbe der Haut oder die Konsistenz des Haars | |
entscheidend, sondern was im Kopf ist“. Das war Carsons Statement zum Thema | |
Rassismus. | |
Bei der dritten Debatte stellt der Kandidat, der zur Kirche der Adventisten | |
des Siebenten Tages gehört, sein Steuerprogramm vor. Carson will den | |
„Zehnten“ aus der Bibel zum Regelsteuersatz machen. „Hirngespinst“ nennt | |
John Kasich diesen Steuerplan. Gouverneur Kasich aus Ohio ist ein solider | |
konservativer Politiker. Aber in den Umfragen dieser Vorwahl kommt er nicht | |
aus dem einstelligen Bereich heraus. Der politisch unerfahrene Carson | |
punktet. Er wendet sich gegen die meisten Formen des | |
Schwangerschaftsabbruchs. Er bestreitet die Evolution und dass der | |
Klimawandel menschengemacht ist. | |
## Chancen für Marco Rubio | |
Die US-Wahlsaison ist extrem lang. Die Präsidentschaftswahlen finden erst | |
im November 2016 statt. Doch drei Monate vor den Primaries in den | |
Bundesstaaten zeichnen sich gewöhnlich Tendenzen ab. Dieses Mal hingegen | |
ist alles unberechenbar. Einer, dem Chancen als Spitzenkandidat | |
vorausgesagt worden waren und der potente Geldgeber im Rücken hatte, ist | |
längst ausgestiegen: Scott Walker aus Wisconsin. | |
Ein anderer, der als stark galt, Jeb Bush, hat gerade radikale | |
Sparmaßnahmen in seinem Kampagnenteam verfügt. Seinen Geldgebern hat Bush | |
zwar versichert, er werde das Ruder noch wenden. Doch in Boulder fällt er | |
vor allem dadurch auf, dass er gegen den anderen Kandidaten aus Florida | |
giftet. Bush hält Marco Rubio dessen Absentismus bei Abstimmungen im Senat | |
vor. Er sagt, er praktiziere eine „französische Arbeitswoche“ mit nur drei | |
Tagen, um Präsidentschaftswahlkampf zu machen. Rubio, einst ein Gefolgsmann | |
Bushs in Florida, kontert gelassen, der Ältere habe Dergleichen bei | |
früheren Kandidaten nie bemängelt. Jetzt störe es ihn, „weil wir uns um | |
dieselbe Position bewerben. | |
Während Bush absteigt, ist Rubio auf dem Weg nach oben. In den Debatten | |
gibt er souverän programmatische Statements ab. In den Umfragen steht er | |
direkt hinter Carson und Trump. Und bei den Geldgebern wächst das Interesse | |
an ihm. Er vertritt einen gemäßigten Konservatismus – wie auch Bush. Und | |
die Partei könnte sich leichter mit ihm arrangieren, als mit den | |
„Außenseitern“. Darüberhinaus bringt Rubio drei Vorteile mit ins Rennen: … | |
ist 44 Jahre jung, er hat einen Einwanderungshintergrund (seine Eltern | |
stammen aus Kuba) und er schleppt nicht die Vergangenheit einer | |
Präsidentenfamilie mit sich herum. | |
29 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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