# taz.de -- Psychoanalytiker Arno Gruen: Mitgefühl war sein Lebensthema | |
> Arno Gruen hoffte auf die sozialen Bewegungen, auf die Kritik an der | |
> Schere zwischen Arm und Reich. Diese Woche ist er gestorben. | |
Bild: Empathie in diesen Tagen: Menschen zünden Kerzen für Flüchtlinge an. | |
Empathie war für Arno Gruen nicht nur der Schlüssel für Menschlichkeit und | |
Mitgefühl. „Ohne Empathie keine Demokratie“, betonte er beim Interview in | |
seiner Züricher Praxis, wo der 92-Jährige bis zuletzt praktizierte. | |
Arno Gruen wurde 1923 in Berlin als Sohn jüdischer Eltern geboren, 1936 | |
emigrierten sie in die USA. Seit 1958 arbeitete Gruen als Psychoanalytiker, | |
zunächst in New York, später in Zürich, wo er am Dienstag verstarb. | |
Mit Empathie beschäftigte er sich auch in seinem vorletzten Buch „Dem Leben | |
entfremdet. Warum wir wieder lernen müssen zu fühlen.“ Mangelnde Liebe in | |
der Kindheit erzeuge Menschen mit einer fragilen Identität. „Menschen, die | |
zu den kalten Verbrechen der Nazis fähig sind, haben zu wenig Mitgefühl und | |
Liebe erfahren“, betonte er. | |
Der Faschismus ist das andere Lebensthema von Gruen. Für das Buch „Der | |
Fremde in uns“, das sich mit der die Psyche von Nazis auseinandersetzt, | |
bekam er 2001 den Geschwister-Scholl-Preis. | |
Die Welt, in der wir leben, sei bestimmt von Kampf, Wettbewerb, Profit und | |
Isolation. „Aber unsere Evolution wurde nicht durch Kampf und Wettbewerb | |
hervorgebracht, sondern durch Kooperation“, behauptete Gruen. Er hoffte auf | |
die neuen sozialen Bewegungen, auf die Kritik an der klaffenden Schere | |
zwischen Arm und Reich. | |
Immer wieder kommt Gruen in seinen Analysen zurück auf das autoritäre | |
Erziehungsmodell, das er selbst im Faschismus erlebte. Kritik, dass dieses | |
heute nicht mehr das vorherrschende Modell sei in einer Gesellschaft | |
konsumfreudiger Narzissten, wies er zurück. „Wie erklären sie sich dann, | |
dass die Nazis in manchen Regionen Deutschlands achtzehn Prozent haben?“, | |
konterte er. | |
Er beharrte auf seinen Thesen, die seinem Gesellschaftsbild, seiner | |
gesellschaftlichen Erfahrung verhaftet sind. Er wiederholte sich in seinen | |
letzten Büchern. Aber er propagierte die Empathie, bevor Mitgefühl und | |
Achtsamkeit in aller Munde war. Empathie war für ihn „eine natürliche | |
Wahrnehmung, die viel, viel tiefer geht“. | |
23 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Edith Kresta | |
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