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# taz.de -- Crowdfunding-Aufruf: Fruchtbare Erde aus Kinderkacke
> Vollgeschissene Ökowindeln bieten jede Menge nutzbare Substanz – wenn da
> nicht das Plastik wäre. Gibt es eine Lösung?
Bild: Auch auf dem Bild, aber nicht zu sehen: jede Menge nutzbarer Dünger.
Berlin taz | Fast alles ist Rohstoff – warum nicht auch Babywindeln? Das
fragt sich die Berliner Firma Dycle. Sie will erforschen, wie Windeln aus
regional nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden können – und vor
allem auch, wie sich die Hinterlassenschaften der Windelträger anschließend
in fruchtbare Erde verwandeln lassen.
In diesen Tagen ist die [1][Crowdfunding-Kampagne auf der Plattform
Indiegogo gestartet.] Binnen 50 Tagen sollen 60.000 US-Dollar
zusammenkommen, die das Vorhaben finanzieren und helfen sollen, das Wissen
anschließend weltweit zu verbreiten.
Dycle schätzt, dass etwa 10 Prozent des kommunalen Abfalls Wegwerfwindeln
sind, die fast vollständig in Müllverbrennungsanlagen entsorgt werden.
Darüber hinaus gingen für die Herstellung der Plastikbestandteile etwa
1.400 Liter Erdöl drauf, bis ein Kind trocken ist. Das will die Firma
ändern.
Das Unternehmen gegründet hat Ayumi Matsuzaka, eine kleine Frau mit exakt
geschnittenen pechschwarzen Haaren und lebhafter Gestik. Die in Berlin
lebende Japanerin beschäftigt sich seit Langem mit Dingen, vor denen andere
gern Augen und Nase verschließen: Sie experimentiert mit Ausscheidungen.
## Am Anfang war es Kunst
Im Rahmen eines Kunstprojekts sammelte sie ihren Urin und düngte damit
Salate, die sie dann verspeiste. Zusammen mit Bodenkundlern,
Pilzexpertinnen und Ingenieuren stellte sie aus Küchenabfällen, Holzkohle
und Fäkalien fruchtbare Schwarzerde her. „Entrepreneure können kreativer
sein als Künstler und mehr bewirken“, begründet die 37-Jährige den Schritt
von der Aktionskünstlerin zur Gründerin.
Auf die Idee mit den Windeln kam sie bei einer Diskussion mit Mitstreitern.
Babys benötigen jeden Tag bis zu zehn Wegwerfwindeln. Das, was rauskommt,
ist im Prinzip wertvoller Nährstoff. „Wenn mir eine neue Idee kommt,
versuche ich die Zusammenhänge zu ergründen und ein Projekt draus zu
machen“, sagt Matsuzaka.
Sie kaufte verschiedene Ökowindeln und stellte sie einer Familie mit
kleinen Kindern zur Verfügung. Die Eltern warfen die Windeln nach dem
Gebrauch in einen Eimer, schütteten jeweils etwas Holzkohle obendrauf und
verschlossen das Ganze luftdicht, so dass ein Fermentationsprozess
stattfand – der erste Schritt auf dem Weg zu fruchtbarer Terra-Preta-Erde.
## Ein Großversuch ist geplant
Schnell wurde klar, dass ein Großteil der Biowindeln ungeeignet fürs
Kompostieren sind: Die Plastikfolie und der eingearbeitete Absorber, der
die Flüssigkeiten in ein Gel verwandelt, machen sie zu Müll. Nur eine Sorte
bestand den Test: Hier übernimmt eine wasserdichte, atmungsaktive Hose die
Funktion, das Baby nach außen hin trocken zu halten.
Mit diesen Windeln experimentierte Matsuzaka weiter. Daneben knüpfte sie
Kontakte zu Wissenschaftlern. Ein Professor an der TU Berlin will mit
seinen Studenten Windelproduktionsmaschinen entwickeln, auch Biologinnen
und Bodenkundler sind dabei. Ideell unterstützt wird Dycle von der
internationalen Zeri-Stiftung. Mit dem Crowdfunding-Geld soll ein
Großversuch mit 1.000 Berliner Familien durchgeführt werden. Dabei sollen
auch Erfahrungen mit einer möglichst weitgehenden Selbstorganisation der
Eltern gesammelt werden.
Darüber hinaus will das Projekt die Möglichkeiten einer regionalisierten
Windelproduktion aus unterschiedlichen nachwachsenden Rohstoffen ausloten.
Ziel ist es, ein Konzept zu entwickeln, das sich weltweit an die jeweiligen
Bedingungen anpassen lässt.
2 Nov 2015
## LINKS
[1] http://www.indiegogo.com/projects/diaper-cycle-the-free-fruit-generation
## AUTOREN
Annette Jensen
## TAGS
Crowdfunding
Kreislaufwirtschaft
Kinder
Recycling
Mülltrennung
Müll
Kleidung
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