# taz.de -- Roter Amaranth: Die Powerpflanze | |
> Madeleine Porr will das einst bei den Indios verbotene Getreide Amaranth | |
> in Deutschland heimisch machen und im Ökokreislaufprojekt "Das fröhliche | |
> Brot" verbacken. | |
Bild: Die Amaranthkörner sind glutenfrei und daher auch gut verträglich. | |
Können Menschen und Pflanzen ähnliche Charaktere haben? Im Fall von | |
Madeleine Porr und Amaranth muss man das bejahen. Sie ähneln sich auf | |
verblüffende Weise. Die Powerfrau mit den kurzen dunklen Haaren hat bei | |
ihrem Aufenthalt auf Kuba von 1996 bis 2002 die Powerpflanze aufgespürt und | |
später hierher gebracht. | |
Von ihrem kubanischen Ehemann hat sich die 49-jährige gebürtige | |
Westberlinerin zwar inzwischen getrennt, nicht aber von ihrem geliebten | |
Amaranth. "Vielleicht ist die Pflanze mein Alter Ego", sagt sie und lacht | |
so lauthals, wie nur die fröhliche, quirlige, umtriebige Madeleine Porr | |
lachen kann. Fehlt nur, dass der Amaranth mitlacht. | |
Fangen wir damit an, dass Madeleine Porr genauso vielseitig ist wie | |
Amaranth. Früher war sie medizinisch-technische Radiologieassistentin, | |
heute ist sie Projektmanagerin, Geschäftsführerin des Vereins En buenas | |
manos, Koordinatorin des Projekts "Das fröhliche Brot", Kinderbetreuerin im | |
FEZ-Berlin, Amaranthköchin, Buchschreiberin ("Von Träumen und anderen | |
Wirklichkeiten") und Autorin eines Kindertheaterstücks, das Mitte September | |
welturaufgeführt wurde. | |
An jenem Septembersonntag steht sie deshalb aufgeregt auf der Bühne des | |
"Theaters am Rand". Der aus wunderschönen krummen Hölzern gebaute | |
Aufführungssaal im brandenburgischen Örtchen Zollbrücke liegt 50 Meter von | |
der Oder entfernt und gilt als Geheimtipp für Berlinerinnen und Berliner. | |
Am idyllischen äußersten Rande Deutschlands gelegen, widmet es sich | |
vermeintlichen Randthemen. Die Betreiber, der Musiker Tobias Morgenstern | |
und der Schauspieler Thomas Rühmann, haben hier einen Treffpunkt für | |
Visionäre und Verrückte aufgebaut. | |
Auf Permakulturbeeten rund ums Theater wächst roter Amaranth, Eintritt | |
bezahlt niemand, nur "Austritt". Selbst auf den Toiletten dürfen sich | |
BesucherInnen ein paar Cent von einem Tellerchen nehmen - für die | |
Zurücklassung "wertvoller Inhaltsstoffe", die zu Terra Preta (siehe Seite | |
18/19) verarbeitet werden. | |
"Ich bin Geschäftsführerin eines Vereins, der die Wiedereinführung einer | |
der ältesten Kulturpflanzen der Welt promotet", erzählt Madeleine Porr den | |
200 Zuschauenden. Obwohl sie sich schon so lange mit Amaranth beschäftige, | |
sei sie immer wieder von den Kräften dieses "Wunderkorns" fasziniert, sagt | |
sie und unterstreicht ihre Sätze mit kräftigen Handbewegungen. | |
Und dann beginnt das Stück, gespielt von einer Hortgruppe aus Bad | |
Freienwalde. Es handelt davon, wie Amaranth den rebellischen Geist der | |
Indios aufrechterhält. "Wir haben einen Schatz, der gibt uns Kraft und | |
Fröhlichkeit", singen die Kinder in ihren Indianerponchos und tanzen über | |
die Bühne. Doch irgendwann ist es den spanischen Truppen gelungen, das | |
Widerstandskorn zu vernichten - bis die Göttin der Erde eingreift. | |
Rauschender Beifall. Die Stückeschreiberin, begeistert und gerührt, | |
überreicht Amaranthsträuße an die Beteiligten und eilt davon, um vor der | |
Tür die Amaranth-Waffelbäckerei in Betrieb zu nehmen. | |
Genügsam, widerspenstig und rebellisch - das sind weitere Gemeinsamkeiten | |
zwischen Madame Porr und Madame Amaranth. Auch auf Kuba galt die Pflanze | |
nur noch als Unkraut, bis Madeleine Porr - auf der Suche nach Grundstoffen | |
für Brot und Broterwerb - es im dortigen Botanischen Garten | |
wiederentdeckte. | |
Sie recherchierte, fand in einem Archiv alte Texte über das Anbauverbot der | |
Spanier, knüpfte ein Netzwerk aus WissenschaftlerInnen, Ministerien und | |
Stadtteilmanagern und entwickelte einen ökologischen Kreislaufbetrieb, den | |
sie "El Pan Alegre" nannte, "Das fröhliche Brot". | |
Biogas, gewonnen aus Küchenabfällen, liefert die Energie für eine | |
Amaranthbäckerei. Die Gärreste aus der Anlage werden zu Terra Preta | |
verarbeitet, die wiederum den Boden für Amaranth und andere Pflanzen | |
verbessert. | |
Doch im staatssozialistischen Kuba war es schwer, Verbesserungen von unten | |
durchzusetzen. Trotz etlicher vielversprechender Ansätze wurde das | |
Pilotprojekt nie als Ganzes verwirklicht, und 2002 kehrte seine Initiatorin | |
nach Berlin zurück. Nun vernetzt sie die verschiedenen kubanischen | |
Amaranth- und Biogasprojekte über ihre Homepage und ihren Verein, und alle | |
paar Monate fliegt sie für ein paar Wochen in die Karibik, um dort nach dem | |
Rechten zu sehen. | |
Auch das hat Madeleine Porr mit Amaranth gemeinsam: Überallhin wirft sie | |
mit Schwung ihre Samenkörnchen, ob in den Tropen oder hier, es sind viele, | |
sehr viele, und nicht immer gehen alle auf. | |
Aber deshalb aufgeben? Niemals! Tatkräftig arbeitet sie daran, dass ihre | |
Modellbäckerei jetzt wenigstens im Berliner Kinderfreizeitzentrum FEZ | |
verwirklicht werden kann. Der deutsche Nachhaltigkeitsrat und die deutsche | |
Unesco-Kommission haben ihr dafür bereits einen Preis verliehen. | |
Schritt für Schritt entwickelt Madeleine Porr die Schau- und | |
Mitmachbäckerei. Schon vor Monaten hat ihr Verein ein Amaranth-Beet auf der | |
"Ökoinsel" des FEZ angelegt, wo Kinder und Schulklassen Natur entdecken, | |
beobachten und begreifen können. Im Oktober wurden die Pflanzen geerntet | |
und mit Stumpf und Stiel verwertet. Eine weitere Gemeinsamkeit? Madeleine | |
Porr lacht ihr wunderschönes Lachen, sie schüttelt sich geradezu aus vor | |
Lachen. "Ja. Ich lebe bis in die letzte Zelle das, wovon ich überzeugt | |
bin." | |
Mehr Informationen unter: [1][www.madeleine-porr.de/], | |
[2][www.elpanalegre.blogspot.com] | |
20 Nov 2010 | |
## LINKS | |
[1] http://+www.madeleine-porr.de/ | |
[2] http://+www.elpanalegre.blogspot.com | |
## AUTOREN | |
Ute Scheub | |
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