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# taz.de -- Sepp Blatter und der Fifa-Skandal: Das wird ein Schlachtfest
> Fifa-Boss Blatter hat nur noch ein Ziel: Michel Platini als Nachfolger zu
> verhindern. Die Fußballfamilie zerbricht – und es ist eine große
> Genugtuung.
Bild: Ein herrliche Familie
Berlin taz | Es gab eine Zeit, da war Joseph S. (Sepp) Blatter durch und
durch ein Familienmensch: „Wenn wir Probleme haben in der Familie, dann
lösen wir die Probleme in der Familie und gehen nicht zu einer fremden
Familie.“ Das sagte er vor mehr als zehn Jahren. Damals, als die
Fußballfamilie noch fruchtbar war und Blatter die Hebamme, die dem
Funktionärsnachwuchs den Weg zum Licht bahnte: „Das ungeborene Kind im
Mutterleib boxt nicht mit den Händen, es benutzt nicht den Kopf – es
kickt.“ Wie ein Fußballer. Wie wir. Die große Familie.
Einer, der schon vor seiner Geburt als Funktionär ordentlich gekickt hat,
war der kleine Michel Platini aus Frankreich. Der war damals, als Blatter
über Fußball und Föten referierte, gerade im Fifa-Exekutivkomitee und
schickte sich an, ein größeres Ziel zu erreichen: Er wollte der Boss des
europäischen Fußballverbands Uefa werden. Als das 2007 endlich geschafft
war, „waren wir beste Freunde“, erinnert sich Blatter, „für ein Jahr“.…
dann habe sich Platini abgewandt, habe die Idylle zerstört, die Familie
verraten. Warum? „Weil er Fifa-Präsident werden wollte. Aber er hatte nicht
den Mut dafür.“
Das war im vergangenen Jahr, als Platini sich nicht zur Wahl stellte. Doch
mittlerweile hat der Franzose seinen Mut gefunden: 2016 will er der Chef
des Weltfußballverbands werden.
Blatter, der suspendierte Fifa-Präsident, hat sich deshalb eine neue
Familie gesucht. Eine, die in Russland wohnt. Er fühlt sich wohl dort.
„Wladimir Wladimirowitsch ist ein guter Freund von Joseph Josephowitsch“,
sagte er jetzt in einem [1][Gespräch mit der russischen Nachrichtenagentur
Tass] über sein Verhältnis zu Präsident Putin. Er lerne schon fleißig
Russisch, sagt Blatter, er feile noch an der korrekten Aussprache. Er habe
schließlich versprochen, Russisch zu sprechen, wenn die WM 2018 im Land
gastiert. Die Vorbereitungen für die Wettkämpfe laufen laut Blatter
natürlich super: „Ihr seid nicht nur gut, ihr seid die Besten.“ Er will
halt etwas zurückgeben, denn auch in schwierigen Situationen habe Putin
immer zu ihm gestanden.
## Infiziert mit einem Anti-Fifa-Virus
Ganz anders also als sein Ziehsohn Platini, der ebenfalls gerade von allen
Fußballämtern suspendiert ist und den Blatter für die gesamte Krise, in der
der Fußballweltverband gerade steckt, verantwortlich macht: „Am Anfang war
es nur eine persönliche Attacke: Platini gegen mich.“ Warum, das wisse er
nicht: Die Uefa sei halt infiziert mit einem Anti-Fifa-Virus.
Es ist ein denkwürdiges Interview, das Blatter der Tass gegeben hat. So
spricht ein Mann, der alles verloren hat, der alle Konventionen aufgibt,
dem die 40 Jahre lang aufrechterhaltene Fassade mittlerweile völlig egal
ist: Er erzählt, dass es eine klare Absprache gegeben habe, dass die
WM-Turniere 2018 und 2022 an Russland und die USA gehen sollten. Doch dass
Platini dies verhindert habe und die europäischen Stimmen daraufhin nicht
an die USA, sondern an Katar gingen.
Blatter erzählt, dass die Schweizer Medien ihn fertiggemacht hätten, nur
weil er aus dem Wallis stamme. Dass die anderen Verbände ihn bekniet
hätten, 2014 noch einmal für das oberste Fußballamt zu kandidieren. „Wenn
die Uefa die Präsidentschaft übernimmt, sind wir verloren“, sollen sie
gefleht haben. Mindestens 140 Nationalverbände könnten nicht ohne die Fifa
existieren. Diese Leute wollten jemanden an der Spitze, „der weiß, dass
Fußball mehr ist als die Champions League“. Und vor Gianni Infantino, dem
Ersatzkandidaten der Uefa für die Blatter-Nachfolge, würden ihn sogar die
europäischen Verbände warnen.
Blatter macht überhaupt keinen Hehl mehr aus seinem einzigen Ziel, das er
noch hat – bevor er im Februar auf dem Fifakongress als Präsident abgelöst
wird: „Das Opfer von alldem wird am Ende Platini sein.“
[2][Der meldete sich umgehend selbst zu Wort]: „In aller Bescheidenheit,
ich bin der geeignetste Kandidat, um den Weltfußball zu führen“, sagte
Platini dem Schweizer Tagesanzeiger. Dass er gerade suspendiert sei? Das
werde sich aufklären lassen. Und überhaupt gebe es schlimmere Schicksale:
„Ich bin weder im Gefängnis noch in Sibirien.“ Mit schönen Grüßen an die
neue Sippe Blatters.
## Die Alten gehen fremd und die Kinder sind unausstehlich
Es ist wunderbar zu sehen, wie sich hier eine Familie in ihre Einzelteile
zerlegt, wie die Omertà zerbricht. Die Fifa war immer die Art von Familie,
von der jeder in der Nachbarschaft wusste, dass die Alten beide fremdgingen
und dass deren Kinder unausstehlich waren. Dafür war der Hund reinrassig,
der Rasen gepflegt, Mutti im Elternbeirat der Schule, Vati in der
Lokalpolitik und beide hatten immer Tipps parat, wie das gute Leben
auszusehen habe.
Jahrelang hatte man ob all dieser Verlogenheit die Faust in der Tasche
geballt, statt sie dem Nachbarn in die Fresse zu ballern. Die guten
Manieren und so. Und nun besorgen die Familienmitglieder untereinander das
selbst.
„Heute habe ich den Eindruck, ein Ritter aus dem Mittelalter zu sein und
vor einer Festung zu stehen. Ich versuche, in sie hineinzukommen, um den
Fußball hineinzubringen, stattdessen schüttet man mir aber kochendes Öl auf
den Kopf“, jammert Platini über seine 90 Tage andauernde Suspendierung, die
Anfang Oktober von der Fifa-Ethikkommission ausgesprochen worden war. Der
Grund: 2 Millionen Franken, die Platini 2011 von Blatters Fifa überwiesen
bekommen hatte, angeblich für Dienste, die er um die Jahrtausendwende
geleistet haben soll.
Blatter wurde deswegen ebenso lang gesperrt wie Platini. Er sagt im
Tass-Interview: „Es war der Druck der Medien, den Präsidenten loswerden zu
müssen.“ Und schiebt genüsslich hinterher: „Leider saß Platini im selben
Boot.“
Vielleicht ist Blatter nach 40 Jahren Ehe mit dem Fußball in diesem
Rosenkrieg zum ersten Mal ehrlich. Vielleicht ist es wirklich genauso, wie
er es sagt: dass keiner außerhalb Europas einen Europäer auf dem Fifa-Thron
sitzen sehen will.
## Letzte Tiraden und wahre Hybris
Es scheint, als demonstriere er mit seinen letzten Tiraden die wahre Hybris
der Fifa, wenn er sagt, dass der Verband unzerstörbar sei, weil er kein
„kommerzielles Unternehmen“ sei, und sich in der folgenden Antwort darauf
versteift, dass die Angriffe gegen ihn nur aus Neid und Eifersucht
herrührten, weil er es ja geschafft habe, die Fifa unter seiner Ägide in
eine „große kommerzielle Organisation“ zu verwandeln.
Und vielleicht tut er damit dem Fußball, nicht der Familie, einen letzten
großen Gefallen: Wer jetzt noch hofft, dass all die vermeintlichen Reformer
aus Europa – von DFB-Präsident Wolfgang Niersbach bis Michel Platini – doch
bitte bei der Fifa die Geschäfte übernehmen sollten und dann bessere Zeiten
kämen, der hat den Schuss nicht gehört.
Blatter will sich selbst übrigens auch noch einen großen Gefallen tun, im
Februar in Zürich: „Wenn Gott an meiner Seite ist, werde ich hoffentlich
als Präsident der Fifa zurück sein. Dann könnte ich diesen Kongress
leiten.“
Und alles tun, um Platinis Wahl zu verhindern. Das wird ein Fest.
30 Oct 2015
## LINKS
[1] http://tass.ru/en/sport/832283
[2] http://www.tagesanzeiger.ch/sport/fussball/Man-schuettet-mir-kochendes-Oel-…
## AUTOREN
Jürn Kruse
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