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# taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Im Fahrstuhl mit Werner Hanf
> Die Bewerbungsgala für die Fußball-WM 2006 fand in Köln statt. Sie war
> teuer und geschmacklos. Und Sportreporter Werner Hansch schwitzte.
Bild: 5. August 2003: Werner Hansch (l.) und Oliver Bierhoff.
Man schrieb das Jahr 1999. ARD und DFB hatten die KölnArena gemietet, um
eine Bewerbungsgala an den Start zu bringen, mit zahlreichen Stargästen
rund um den Fußball und darüber hinaus. Es gab eine Liveübertragung an
irgendeinem Montag oder Dienstag, und ich war wie einige andere als
studentische Aushilfe unterwegs, unter anderem, um den damals noch
legendären Sportreporter Werner Hansch (den wir intern nur Werner Hanf
nannten) zu „betreuen“, d. h. von der Umkleide zum Auftritt zu bringen und
wieder zurück.
Das war auch der Höhepunkt der Veranstaltung, sieht man einmal von den
pubertierenden Fans der Spät-Hippie-Gruppe Kelly Family ab, die im
musikalischen Rahmenprogramm (oje) auftreten sollten.
Diese Fans, hauptsächlich Mädchen, harrten stundenlang an einer dieser
trostlosen Zufahrten vor dem Parkhaus aus und warteten auf die
entsprechenden Limousinen. Werner Hanf indes kam durch den Haupteingang und
wirkte überraschend nervös und tatsächlich orientierungslos. Im Fahrstuhl
zur Maske tupfte er sich den Schweiß ab. Er fragte sich wie eigentlich
alle, was dieses Event eigentlich sollte, aber von oben hieß es nur: Das
muss so, das findet im Rahmen der Bewerbung um die Ausrichtung der
Fußball-WM 2006 statt. Damals stand bei Weitem noch nicht fest, dass der
DFB den Zuschlag bekommen sollte.
Eine enorme Geldverschwendung war auch das schon. Eine Verschwendung von
Fernsehgebühren, aber das ist meist ein schlechtes Argument. Die Stimmung
jedenfalls war schlecht, die Gala bildete einen (zum Glück schnell
vergessenen) Tiefpunkt der Fernsehgeschichte, die Einschaltquoten waren
obermies und die anschließenden Kritiken auch. Wäre es nach ästhetischen
Kriterien, nach Kriterien der allgemeinen Fernsehunterhaltung gegangen,
hätte der DFB niemals den Zuschlag erhalten. Und hätte es eine
Niveaupolizei gegeben, wären sie schon damals alle verhaftet worden,
einschließlich der studentischen Aushilfen.
Es bedurfte also anderer Argumente, um die Fifa zu überzeugen. Das wurde
schon an jenem Abend klar. Ob und wie welches Geld aus welchen Kanälen auf
welche Konten geflossen ist, das ist recht eigentlich ein Fall für die
Justiz. Dass das Zustandekommen des Sommermärchens, wie es richtig heißen
muss, eine geschobene Angelegenheit gewesen ist, davon kann man
mittlerweile getrost ausgehen. Die Schleusen sind jedenfalls geöffnet –
nicht nur beim Weißbierexperten und Hansch-Reporterlegende-Kollegen Waldi
Hartmann. Schon das Gestotter des noch amtierenden DFB-Präsidenten war
vielsagend.
## Man ist ja nicht ganz blöd
Die neuste Wendung ist die Zurückweisung des Fifa-Präsidenten zzt. a. D.
Joseph Blatter, der sich gerade sonst wo aufhält und gerne lieber nichts
sagt, sich aber ob der Verstrickungen des DFB noch einmal die müden alten
Hände reiben darf. „Ich habe niemals Geld von Beckenbauer verlangt. Nie im
Leben. Auch nicht vom DFB. Das stimmt einfach nicht“, so Blatter im
Insider-Blättle Schweiz am Sonntag.
Aber klar, warum sollte die Fifa auch Gelder fordern, die ohnehin geflossen
wären, man ist ja nicht ganz blöd in der Oberzentrale. Warum niemand
hinterfragt, dass der damalige Adidas-Chef solche Gelder einfach so
bereitstellt, ist eine andere Obskurität in diesem Skandal, aber der
fränkische Sportartikelhersteller ist natürlich auch nicht frei von
Eigennutz, wovon nicht zuletzt ein gewisser Hobbyspekulant mit
Suchtcharakter zu profitieren wusste.
Es wäre alles recht lustig, wenn es nicht so traurig wäre. Die
Niveaupolizei hätte jedenfalls alle Hände voll zu tun. Allein die tapsige
Hilflosigkeit des Regionalchefs Niersbach und diese billige Tortenschlacht
mit Blatter! Ich wette, Werner Hansch hat das Schlamassel kommen sehen.
Deswegen schwitzte er auch so damals im Aufzug.
25 Oct 2015
## AUTOREN
René Hamann
## TAGS
Fußball-WM 2006
Wolfgang Niersbach
Joseph Blatter
Fifa
Schwerpunkt Sport trotz Corona
Franz Beckenbauer
Fifa-Präsident
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Fußball
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