# taz.de -- Die Wahrheit: Flicflac durch den Fummelgott | |
> Auch die Internationalen Deutschen Meisterschaften im Sportficken 2015 | |
> stehen ganz im Zeichen der Flüchtlingshilfe. | |
Herzlich willkommen, meine Damen und Herren, hier in Hamburg, im Stadion am | |
Millerntor auf Sankt Pauli. Ich begrüße Sie bei der Direktübertragung des | |
Finales der diesjährigen Internationalen Deutschen Meisterschaften im | |
Sportficken zwischen Viktoria Freudenstadt und dem SV Darmstadt 98. | |
Auch unser beliebter Breiten- und Tiefensport verschließt sich nicht dem | |
Thema dieser Tage: Tausend Freikarten für Flüchtlinge wurden ausgegeben in | |
den Notunterkünften. Und die Neuankömmlinge sind auch zahlreich erschienen, | |
bilden sogar einen ganzen Block hier im Stadion. Von den Fans wurden sie | |
mit wohlwollendem Applaus begrüßt. | |
Eine gelungene Aktion des Bundes Deutscher Sportficker. Ein Verband, der | |
übrigens bereits im Jahr 1848 gegründet wurde und sich seiner | |
gesellschaftlichen Verantwortung heutzutage vollkommen bewusst ist, wie der | |
Präsident des BDSF mir eben erst kurz vor dem Endspiel erklärt hat. | |
Als Erste-Hilfe-Maßnahme habe man in den letzten Wochen Hunderttausende | |
Überzieher verteilt. Nur so könne man den fremden Nachwuchs an die | |
Körperkultur hierzulande heranführen. Das Sportficken sei jedenfalls offen | |
für alle, so Dr. Dietrich Dickel. | |
## Eine Choreografie der Ultras aus tiefstem Herzen | |
Doch kommen wir zum Spiel. Während die gemischten Teams gerade, angeführt | |
von dem englischen Schiedsrichter Nicky Butt, einlaufen, wird auf der | |
Südtribüne eine, ich muss es so sagen, beeindruckende Choreografie der Fans | |
enthüllt. Zwei Riesenfiguren aus Stoff bewegen sich aufeinander zu: eine | |
schwarzrotgoldene Eva trifft auf einen Flüchtlingsadam – und da kommt es | |
auch schon unter der Überschrift „Willkommen“ zur Vereinigungskultur aus | |
tiefstem Herzen. Das ist der Geist, den wir sehen wollen, liebe | |
Sportsfreunde, eine herrliche Aktion der Always Ultras. | |
Anstoß vom G-Punkt. Das Spiel läuft. Vorsichtiges Abtasten. Behutsames | |
Fummeln um den Mittelkreis. Da ist kein Durchkommen. Jetzt eine lange Kerze | |
von hinten. Gemächlicher Aufbau der Freudenstädter, fast schon eine Spur zu | |
pomadig. Pressing von allen Seiten. Rohr auf Stange, zurück zu Rohr, auf | |
Ramelow, links startet Hinterstocker, der zu Hartinho, und Hartinho, dieser | |
elegante Bursche vom Zuckerhut dreht sich, zieht ab und drückt das Ding | |
rein. Ja, jaa, jaaa! Es steht eins zu null. | |
Das Publikum feiert den gelernten Wattenscheider, dieses Musterbeispiel für | |
gelungene Integration, diesen Fummelgott vor dem Herrn, der jetzt vor Glück | |
abhebt und auf Höhe der Südtribüne klickklack einen Flicflac hinlegt, der | |
sich gewaschen hat. Ein erster Höhepunkt. Das wird dem Vorspiel guttun. | |
Jetzt pfeift ihn Butt zurück und die Partie wieder an. Es geht weit in die | |
Tiefe des Raumes, tiefer, tiefer … Aber da kommen Ramelow und Rückert, | |
doppeln Nothnagel, das Fohlen, nehmen ihn ins Sandwich – und er geht zu | |
Boden. Das ist internationale Härte, die speziell unseren Freunden aus dem | |
Flüchtlingsblock gar nicht gefällt. Ein kollektives „Buh“ ist die Folge. | |
Diese Blutgrätsche verlangt nach Rot, mindestens aber Gelb. Und da fließt | |
es auch schon locker aus der Hosentasche des Unparteiischen, der gleich | |
hinterher auch den weißen Schaum aufs Grün sprüht für den Freistoß. | |
Rutemöller legt sich das Sportgerät zurecht, sucht die Lücke und nimmt Maß. | |
Ein gewaltiger Anlauf – und rumms! Dr. Hammer lebt! Ein Riemen von einem | |
Knaller! Durch die massierte Deckung! Aber die Keeperin taucht tief ab, | |
geht dahin, wo’s wehtut, pflückt das Ding aus der Luft und hält es jetzt | |
bollerfest in ihren Händen und ihren Kasten sauber. Bravo, Schneckerl! Wie | |
ihre Fans sie liebevoll nennen. | |
Ja, was ist das?! „Anziehen! Anziehen!“, schallt es aus der Kurve. Muss das | |
denn sein? Die Anhänger beider Teams bejohlen einen Flitzer, der aufs Feld | |
gestürmt ist. Offenbar ein Flüchtling, vollkommen nackt, gehüllt in eine | |
undefinierbare Flagge, vermutlich seines Heimatlandes. | |
Liebe Sportsfreunde, so geht’snicht! Auch Freiheit hat ihre Grenzen. Das | |
muss dieser junge, sonst gut ausgerüstete Kerl offenbar noch lernen. Aber | |
da haben ihn die Ordner auch schon überwältigt und führen ihn ab in die | |
Katakomben des Millerntors, wo er unbeirrt feixend noch ein wenig | |
herumschwengelt. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, meine Damen und | |
Herren Sportfickfreunde, aber das ist eine Unsitte, die nicht ins Stadion | |
gehört. | |
Halbzeit am Millerntor. Zeit für den Pausentee. Wir haben eine engagierte | |
Partie gesehen, mit einigen Höhepunkten für Freudenstadt. Darmstadt | |
hingegen muss noch deutlich zulegen. Hoffen wir, dass alle Beteiligten | |
hinten raus eine zweite Luft bekommen … | |
## Ein Pass ins Niemandsland, das die Flüchtlinge hassen | |
Und da sind wir auch schon wieder mit dem Anpfiff zur zweiten Halbzeit. | |
Aber man merkt schnell, da ist noch keine Bindung ans Spiel. Es ist wie | |
verhext, die Bude will nicht funzen. Körperbetont geht jetzt der | |
Darmstädter de Kock in den Zweikampf. Er holt sich die Bälle von hinten | |
nach vorne. Sein Team ist plötzlich obenauf und drückend überlegen. Doch | |
nun ein Pass ins Niemandsland, das die Flüchtlinge gar nicht goutieren. | |
Da kommt Siffling, reicht weiter zu De Blasi, und der wichst das Leder | |
vorbei. Es sind die bekannten Schwächen im Herauslaufen. Da kann auch | |
Placente nicht helfen, der jetzt sein Herz in beide Hände nimmt und abgeht | |
wie Nachbars Lumpi. Doch wenn Freudenstadt die Positionen konsequent hält, | |
dann geht auch solch ein Vorstoß der Darmstädter ins Leere. | |
## Ein schneller und gefasster Abgang der Unterlegenen | |
Es läuft rauf und runter. Die Begegnung plätschert so vor sich hin. Nun | |
kommen die Freudenstädter wieder über Außen. Da bahnt sich ein fulminanter | |
Hochkaräter an. Freier auf den Knipser vom Dienst, Hartinho, wieder eine | |
Drehung aus dem Nichts, ins Zentrum. Zieh ab! Und er macht ihn, er macht | |
ihn! Das Zwei-zu-null. Da jubeln auch die Flüchtlinge, die längst so weit | |
integriert sind, dass sie wie selbstverständlich auf die Siegerstraße | |
eingebogen sind. | |
Aus! Aus! Das Rein-raus-Spiel ist aus! Das ist der Sieg. Internationaler | |
Deutscher Meister im Sportficken ist auch in diesem Jahr wieder Viktoria | |
Freudenstadt. Der Abgang des unterlegenen Teams aus Darmstadt ist ganz | |
schnell und gefasst. Für die Sieger aber wird es sicher eine lange Nacht. | |
Und wir, meine Damen und Herren, liebe Sportfickfreunde, verabschieden uns | |
aus dem feiernden Sankt Pauli und wünschen Ihnen eine spritzige | |
Siegessause. | |
24 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Michael Ringel | |
## TAGS | |
Sportficken | |
Flüchtlinge | |
Flüchtlingshilfe | |
Schwerpunkt Angela Merkel | |
Insel | |
Kriegsende | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Die Wahrheit: Goodbye Merkel | |
Ein Nobelpreis für das Ostmädchen Angela? Das wäre der Todesstoß für den | |
angeschlagenen Koloss Helmut Kohl. | |
Die Wahrheit: Ab auf die Insel | |
Donnerstag ist Gedichtetag auf der Wahrheit: Heute darf sich die | |
Leserschaft am Sommerschlager 2015 erfreuen. | |
Die Wahrheit: Opa erzählt vom Krieg | |
70 Jahre nach Kriegsende gibt es keine Zetergreise mit Kriegsgeschichten | |
mehr. Warum die Tränen alter Säcke getrocknet sind. Ein Nach- und Vorruf. |