Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- UN-Generalversammlung: Abbas droht mit Vertragskündigung
> Der Palästinenserpräsident fühlt sich nicht mehr an das Oslo-Abkommen mit
> Israel gebunden. Nun steht er gewaltig unter Druck.
Bild: Palästinenserpräsident Mahmud Abbas am Mittwoch vor der UN-Generalversa…
Jerusalem taz | Einen Tag nach seiner Rede vor der UNO wächst der Druck auf
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, seine Warnung, dass die Palästinenser
den Osloer Friedensvereinbarungen nicht länger verpflichtet seien, konkret
umzusetzen.
„Es geht nicht darum, die Palästinensische Autonomiebehörde (PA)
aufzulösen“, kommentierte die Politologin Amneh Badran von der Universität
Al-Kuds in Ostjerusalem, am Donnerstag auf telefonische Anfrage. Allerdings
werde die Führung in Ramallah nicht umhin kommen, „Teile der Osloer
Vereinbarungen auszusetzen“.
Abbas kritisierte am Vorabend in New York Israels fortgesetzten
Siedlungsbau und die „ernste Gefahr“, die von extremistischen Gruppen
„unter dem Schutz israelischer Besatzungstruppen“ auf dem Tempelberg
ausgeht. Während Ministerpräsident Benjamin Netanjahu (Likud) die Rede von
Abbas als „doppelzüngig“ bezeichnete, ermutigte Oppositionspolitiker
Avigdor Lieberman (Israel Beteinu) den Palästinenerpräsidenten zum
Rücktritt. „Je früher er seinen Posten verlässt, desto besser“, zeigte s…
Lieberman von Abbas Rede unbeeindruckt.
Solange Israel sich weigerte, den Siedlungsbau einzustellen und die
vereinbarte Amnestie palästinensischer Häftlinge umzusetzen, warnte Abbas,
bliebe den Palästinensern keine Wahl, als „darauf zu bestehen, dass wir
nicht die einzigen sind, die die Abkommen einhalten“.
Kernpunkt der vor 22 Jahren in Oslo unterzeichneten Prinzipienerklärung ist
die Sicherheitskooperation mit Israel. Seit der palästinensischen Spaltung
und den Kämpfen zwischen Hamas und Fatah im Gazastreifen intensivierten die
PA-Sicherheitskräfte die Zusammenarbeit mit der israelischen Armee gegen
den gemeinsamen islamistischen Feind im Westjordanland. Im März entschied
der Zentralrat der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) dennoch,
die Sicherheitskooperation zu beenden. Abbas betonte am Mittwoch, dass die
Zentralratsentscheidung, die bislang nicht zur Umsetzung kam, „bindend
ist“.
## Sicherheitsbeamte sind der teuerste Posten im Budget
Die veranschlagten 175.000 palästinensischen Sicherheitsangehörigen, von
denen etwa ein Drittel im Gazastreifen lebt, sind mit Abstand der
kostenintensivste Posten für das Budget der PA. Ein Teil der Gehälter wird
aus den Steuereinnahmen beglichen, die Israel für die Palästinenser
einzieht, den Rest finanzieren Spendernationen. Sollte Abbas die
Sicherheitskooperation einstellen, setzt er beide Finanzquellen aufs Spiel
und damit die Existenz der Autonomiebehörde, die sämtliche
Zivilangelegenheiten der palästinensischen Bevölkerung regelt.
„Abbas ist kein Mann, der schnell agiert“, sagt die Politologin Badran, die
die Rede des Palästinenserpräsidenten zunächst als einen „Hilferuf“ an d…
internationale Gemeinschaft interpretiert. Damit versuche er, die
Palästinenser, die „über Syrien und Iran in den Hintergrund gerieten, der
Welt erneut ins Bewußtsein zu rufen“. Dieser Hilferuf sei durchaus
erstzunehmen, denn Abbas würde auf innenpolitischer Bühne an Legitimität
einbüßen, wenn er seine Warnung nicht umsetzte.
## Das Nahost-Quartett will aktiv werden
„Wir können nicht für Israels Sicherheit sorgen, wenn es politisch keinen
Fortschritt gibt“, resümiert Badran, die eine eventuelle Rückkehr der
israelischen Soldaten nach Ramallah, Bethlehem und Nablus nicht schreckt.
Zumindest wäre damit klar, dass „Israel eine Besatzungsmacht ist“. Mehr als
20 Jahre habe die internationale Gemeinschaft in das Projekt zwei
Staatenlösung investiert und müsse sich überlegen, „ob sie tatenlos zusehen
will, wenn die Truppen zurückkommen“.
Das „Nahost-Quartett“, bestehend aus UNO, USA, EU und Russland, reagierte
rasch und will, wie die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini noch am
Mittwoch mitteilte, die Arbeit umgehend wieder aufnehmen. Das „Quartett“
soll sich dabei auf „konkrete Schritte vor Ort“ konzentrieren, um
sicherzustellen, dass beide Konfliktparteien ihren Friedensverpflichtungen
nachkommen. Ein Nicht-Handeln könnte zu einer „bedeutenden Quelle der
Radikalisierung nicht nur in der Region sondern weltweit werden“, warnte
Mogherini.
## Gewaltbereitschaft steigt
Einer Mitte September vorgenommenen Umfrage des Palästinensischen Zentrums
für Politik- und Umfrageforschung (PCPSR) in Ramallah zufolge steigt die
Gewaltbereitschaft unter den Palästinensern. 57 Prozent unterstützen
demnach eine gewaltsame Intifada. Vor drei Monaten waren es 49 Prozent.
Noch am Abend nach der Rede von Abbas wehte zum ersten Mal die
palästinensische Flagge vor dem UN-Gebäude. Bis zum Beginn der
Friedensprozessen drohte Palästinensern Gefängnisnisstrafe, wenn sie sie
trugen. „Hisst die Flagge Palästinas ganz hoch“, sagte Abbas bei der
historischen Zeremonie, denn sie „ist ein Symbol der palästinensischen
Identität“.
1 Oct 2015
## AUTOREN
Susanne Knaul
## TAGS
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Mahmud Abbas
Westjordanland
Palästina
Israel
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Israel
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Westjordanland
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Mahmud Abbas
## ARTIKEL ZUM THEMA
Machtkampf der Fatah in Palästina: Opposition muss draußen bleiben
Steht die Fatah vor der Spaltung? Beim Parteitag hat sich der Konflikt
zwischen Abbas und seinem Rivalen Dahlan weiter zugespitzt.
Israels Regierung rückt nach rechts: Ein Siedler als Verteidigungsminister
Netanjahu holt die ultrarechte Partei Israel Beitenu in die Koalition.
Deren Vorsitzender Lieberman übernimmt das Amt des Verteidigungsministers.
Israelisch-palästinensischer Konflikt: Schwangere und Kind getötet
Im Zuge der jüngsten Gewaltwelle setzen Palästinenser Messer und kaum
Schusswaffen ein, obwohl es viele gibt. Die Attentäter sind oft Amateure.
Gewalt in Israel: Der Tempelberg ist tabu
Das Land hat nach den Angriffen auf Israelis für Muslime erneut den Zugang
zu dem Heiligtum gesperrt. Der Präsident spricht von einer „Welle des
Terrors“.
Palästinensischer Analyst über „Intifada“: „Eine große Frustration“
Für den palästinensischen Analysten Sam Bahour fehlen trotz der derzeitigen
Auseinandersetzungen die Voraussetzungen für eine dritte Intifada.
Gewalt im Westjordanland: „Am Rande des Abgrunds“
Vier Todesopfer und zwei erschossene Attentäter lautet die traurige Bilanz
des Wochenendes. Die Lage im Westjordanland droht zu eskalieren.
Unruhen auf Jerusalems Tempelberg: Härtere Strafen für Steinewerfer
Israels Premier Netanjahu droht den Palästinensern mit härteren Strafen.
Die Unruhen auf dem Tempelberg könnten dennoch eskalieren.
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas: Die PLO braucht einen neuen Chef
Abbas und weitere Mitglieder des PLO-Exekutivkomitees kündigen ihren
Rückzug an. Die Autonomiebehörde will Abbas aber nicht aus der Hand geben.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.