# taz.de -- Die Wahrheit: Gebrauchsanweisung für Hardheim | |
> Wie Flüchtlingen Deutschland erklärt wird, illustriert schwarz auf weiß | |
> und recht sittsam eine Broschüre aus dem fränkischen Örtchen Hardheim. | |
Bild: „Unsere Notdurft verrichten wir ausschließlich auf Toiletten, nicht an… | |
Es geht ja nichts über eine gelungene Anrede. „Sehr geehrte Damen und | |
Herren“, funktioniert gut, wirkt aber formal. Wie also ein | |
Informationsschreiben für Flüchtlinge beginnen? Genau: „Liebe fremde Frau, | |
lieber fremder Mann“ – die Gemeinde Hardheim in Franken begrüßt so die et… | |
1.000 Flüchtlinge, die dort untergebracht sind und die die Einwohnerzahl | |
des Örtchens immerhin um etwa 20 Prozent vergrößern. Ähnlich einfühlsam ist | |
auch der weitere Einführungstext: „Willkommen in Deutschland, willkommen in | |
Hardheim. Viele von ihnen haben Schreckliches durchgemacht. Krieg, | |
Lebensgefahr, eine gefährliche Flucht durch die halbe Welt. Das ist nun | |
vorbei. Sie sind jetzt in Deutschland.“ | |
Damit die lieben fremden Frauen und fremden Männer zumindest eine grobe | |
Vorstellung davon haben, was es bedeutet, wenn man in Deutschland landet, | |
werden sie nun gewissenhaft durchinformiert: „In Deutschland respektiert | |
man das Eigentum der anderen“, werden für die Neuankömmlinge exotische | |
Gebräuche erläutert – woher sollen die das auch wissen? Stehlen ist also | |
nicht, „man erntet auch kein Obst und Gemüse, das einem nicht gehört“. De… | |
mit solchem Kleinscheiß gibt man sich in Deutschland nicht ab, hier | |
hinterzieht man lieber Steuern in Millionenhöhe. | |
Wobei die Flüchtlinge mit ihrem Taschengeld ohnehin nicht viel mehr als | |
eine Cola kaufen können, aber aufgepasst, auch dabei kann man allerhand | |
falsch machen, denn: „In Deutschland bezahlt man erst die Ware, bevor man | |
sie öffnet.“ Ganz anders als vermutlich in Syrien, wo man sich bereits im | |
Supermarkt die Suppe kocht, deren Zutaten man gerade in den Wagen gelegt | |
hat. Das sollte für die fremden Frauen noch nachvollziehbar sein, aber ist | |
es nötig, ihnen auch die ungewöhnlichsten Konzepte des deutschen Brauchtums | |
nahezubringen? | |
## Wasser fürs Klosett | |
Doch, es muss sein: „In Deutschland wird Wasser zum Kochen, Waschen, Putzen | |
und für Toilettenspülungen benutzt.“ Da werden sie staunen, die lieben | |
Fremden. Die wissen vermutlich nicht mal, was Wasser ist, die kommen ja aus | |
der Wüste. Aber selbst wenn die lieben fremden Männer den dezenten Wink mit | |
dem fränkischen Jägerzaunpfahl beherzigen und sich mal ordentlich waschen, | |
sollten sie nicht übermütig werden. Denn einerseits ist es zwar so: „Frauen | |
dürfen ein selbstbestimmtes Leben führen“, zumindest solange der fränkische | |
Ehemann einverstanden ist, aber andererseits: „Mädchen und junge Frauen | |
fühlen sich durch Ansprache und Erbitte von Handy-Nr. und Facebook-Kontakt | |
belästigt. Bitte dieses deshalb nicht tun!“ | |
Verstanden, lieber fremder Mann? Uns gefälligst nicht die Weiber wegnehmen! | |
Wir mögen das nicht, wenn Ihr die ansprecht. Bitte auf Erbitte von Kontakt | |
verzichten! Bei der Gelegenheit noch eine Erbitte: „Lernen Sie so schnell | |
wie möglich die deutsche Sprache, damit wir uns verständigen können.“ Hier | |
bleibt der Infozettel unkonkret. Daher unsere dringende Erbitte: Ja, | |
fremder Mann, lerne so schnell wie möglich Deutsch. Aber auf keinen Fall | |
bei den Franken. Die sprechen nicht nur seltsam, die halten Erbitte für ein | |
Substantiv. Bitte dieses deshalb nicht tun! | |
Auch vor heiklen Themen schrecken die Hardliner, Quatsch: Hardheimer nicht | |
zurück: „Deutschland ist ein sauberes Land und das soll es bleiben!“ Wollen | |
sie den fremden Frauen und fremden Männern damit nahelegen, dass sie wieder | |
verschwinden sollen? Jedenfalls nicht nur: „Den Müll oder Abfall entsorgt | |
man in dafür vorgesehenen Mülltonnen oder Abfalleimern.“ So bleibt | |
Deutschland nicht nur ein sauberes Land, sondern so werden die Flüchtlinge | |
auf ihre berufliche Tätigkeit eingestimmt. | |
## Nachtruhe für Deutsche | |
Und schließlich entsorgt man hierzulande nicht nur Müll in Tonnen, sondern | |
auch Asylanten in Flüchtlingsheimen, denn: „In Deutschland gilt ab 22.00 | |
Uhr die Nachtruhe“, und dann sollen die fremden Frauen und Männer in der | |
Kiste liegen. Nur kurz noch pullern gehen: „Unsere Notdurft verrichten wir | |
ausschließlich auf Toiletten, nicht an Hecken und hinter Büschen. Wenn man | |
solche Toiletten benutzt, ist es üblich, diese sauber zu hinterlassen.“ | |
Toiletten sauber hinterlassen? Ein verrücktes Völkchen, diese Deutschen! | |
Das Schreiben endet mit einem dezenten Hinweis: „Auch wenn die Situation | |
für Sie und uns sehr beengt und nicht einfach ist, möchten wir Sie daran | |
erinnern, dass wir Sie hier bedingungslos aufgenommen haben.“ | |
Bedingungslose Aufnahme, und das trotz der beengten Situation auf beiden | |
Seiten! Denn die 1.000 Flüchtlinge leben allesamt in einer Kaserne und | |
beengen somit die 4.600 Hardheimer, denen pro Person – gemessen an der | |
Größe der Gemeinde – nur noch 87 Quadratkilometer zur Verfügung stehen. | |
Kein Wunder also, dass das Infoblatt mit dem Appell schließt: „Wir bitten | |
Sie deshalb, diese Aufnahme wert zu schätzen und diese Regeln zu beachten, | |
dann wird ein gemeinsames Miteinander für alle möglich sein.“ Da wird einem | |
doch warm ums Herz. Willkommen in Deutschland, willkommen in Hardheim. | |
Viele von Ihnen haben Schreckliches durchgemacht. Das ist nun vorbei. Sie | |
sind jetzt in Deutschland. | |
12 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Heiko Werning | |
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