# taz.de -- Prozess um Mord an schwangerer Frau: Die Angeklagten schweigen | |
> Weil sie ihr Kind nicht abtreiben wollte, wurde Maria P. bei lebendigem | |
> Leibe verbrannt. Angeklagt sind der Kindsvater und dessen früherer | |
> Schulfreund. | |
Bild: Die Justitia über dem Haupteingang des Kriminalgerichts Moabit. | |
Weit entfernt voneinander sitzen die Angeklagten im Gerichtssaal. Eren T. | |
und Daniel M. würdigen sich keines Blickes. Die leeren Stuhl- und | |
Tischreihen zwischen ihnen unterstreichen den Eindruck: Hier kämpft jeder | |
für sich. | |
Selten ist im Kriminalgericht Moabit eine so grausame Tat zur Anklage | |
gekommen: Den 20 Jahre alten Männern wird Mord und Schwangerschaftsabbruch | |
mit Todesfolge zur Last gelegt. Maria P. war im achten Monat schwanger, als | |
sie in einem Wald in Adlershof getötet wurde. Vater des Kindes war Eren T. | |
Laut Obduktion verbrannte die 19-Jährige bei lebendigem Leib. | |
Der Zuschauerraum ist bis auf den letzten Platz besetzt, als am Donnerstag | |
der Prozess beginnt. Zwei Frauen tragen schwarze T-Shirts mit weißer | |
Aufschrift: „Wir sind Maria“. Sie kämpfen mit den Tränen. Auch der | |
Medienandrang ist riesig. Aber über die Verlesung der Anklageschrift kommt | |
der Prozess an diesem Vormittag nicht hinaus. | |
Für den Fall, dass sich einer der Angeklagten zum Vorwurf äußern will, hat | |
das Gericht die ersten Zeugen erst für 13 Uhr geladen. Aber das ist nicht | |
der Fall. Eren T. und Daniel M. verweigern die Aussage. Es habe keine | |
Gespräche mit den Verteidigern zur Vorbereitung einer Verständigung | |
gegeben, gibt die Vorsitzende Richterin Regina Alex zu Protokoll. | |
Bleibt es bei dem Schweigen, dürfte der Prozess vor der 13. | |
Jugendstrafkammer ein langwieriger Indizienprozess werden. Denn: Es gibt | |
keine unmittelbaren Tatzeugen. Zehn Verhandlungstage, in denen 70 Zeugen | |
gehört werden sollen, sind zunächst angesetzt. | |
Maria P. starb am 22. Januar gegen 22.30 Uhr in dem Waldgebiet Köllnische | |
Heide in Adlershof. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die | |
Angeklagten die hochschwangere junge Frau dorthin lockten, um sie zu töten. | |
Aufgrund der Dunkelheit und der Einsamkeit des Tatorts sei das Opfer | |
wehrlos ausgeliefert gewesen. Zunächst sei sie mit einem Teleskopstock | |
geschlagen worden. Dann seien ihr mit einem Brotmesser zwei Messerstiche in | |
den Bauch und in die Hüfte versetzt worden. Schließlich sei sie mit Benzin | |
übergossen und angezündet worden. Marie P. sei bei vollem Bewusstsein | |
qualvoll verbrannt. | |
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Angeklagten mit der Tat die | |
Geburt des Kindes verhindern wollten. „Die fast ausgereifte Leibesfrucht | |
weiblichen Geschlechts starb, wie von den Angeklagten gleichfalls | |
beabsichtigt, durch die Tat“, heißt es in der Anklageschrift. | |
Eren T. und Daniel M. sind Neuköllner. T hat dunkle Locken und dunkle | |
Augen, der Flaum eines Oberlippenbarts deutet sich an. In der Schule soll | |
er „Milchgesicht“ genannt worden sein. So, wie er da im Knastblaumann neben | |
seinen Anwälten sitzt, wirkt er deutlich jünger, als er ist. Daniel M. ist | |
ein eher bulliger Typ. Er hat kurz geschorene rote Haare, ein großes Tattoo | |
am Hals, und im Unterschied zu T. ist er auch schon öfter mit dem Gesetz in | |
Konflikt gekommen. | |
T. ist der Sohn kurdischer Aleviten. Er hat vier Schwestern, bis zu seiner | |
Festnahme lebte er zu Hause. | |
Auch Maria P. lebte noch zu Hause. Ihre Mutter ist Deutsche, ihr Stiefvater | |
Türke. Sie hat drei ältere Brüder. Den Medien zufolge hat sich die junge | |
Frau, die wegen der Schwangerschaft die Ausbildung zur Köchin unterbrochen | |
hat, gewünscht, das Kind gemeinsam mit T. aufzuziehen. Ihre Familie soll | |
sie darin unterstützt haben. | |
## Zur Abtreibung gedrängt | |
Ganz anders Eren T. Er sei gegen das Kind gewesen, heißt es. Seine Familie | |
soll ihm in diesem Punkt Rückhalt gegeben haben. Sein Vater soll sogar in | |
einem Telefongespräch mit Maria P.s Eltern zur Abtreibung gedrängt haben. | |
Der türkische Stiefvater habe das zurückgewiesen. | |
Im Oktober 2014 habe sich das Paar getrennt. Für Maria P. sei das nicht | |
einfach gewesen. Sie habe bis zuletzt gehofft, dass sich die Beziehung | |
wieder einrenkt. Anfang Januar soll sie in der Schwangerschafts- und | |
Konfliktberatungsstelle in Lichtenberg von ihren seelischen Nöten erzählt | |
haben. Das Jugendamt bekam davon Nachricht und sagte ihr amtliche | |
Unterstützung zu. Gleichzeitig forderte das Jugendamt Eren T. schriftlich | |
auf, die Vaterschaft anzuerkennen. Dieses Schreiben hat nach Auffassung der | |
Staatsanwaltschaft bei Eren T. den Entschluss ausgelöst, Maria P. zu töten. | |
8 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Plutonia Plarre | |
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Polizei Berlin | |
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