# taz.de -- Die Wahrheit: Justin Biebers Großeltern | |
> Tagebuch einer Popstarnahen: Auf der Flucht vor blutjungen, | |
> hormongefluteten und wild gewordenen Mädchen in einem Amsterdamer Hotel. | |
Bild: Singen kann er, tanzen kann er und hauen kann er auch | |
Vor Kurzem feierte ich in Amsterdam Wiedersehen mit einem befreundeten, | |
berühmten und recht betagten New Yorker Fotografen. Einer verbreiteten | |
Annahme folgend, dass berühmte Menschen gern in trendigen Hotels wohnen, | |
war er von seinem Galeristen im allertrendigsten Hotel Amsterdams | |
untergebracht worden, das er von der ersten Sekunde an aus tiefster Seele | |
hasste. | |
Am Abend wurde zum Essen geladen. Das Ideal eines gemütlichen Restaurants | |
ist für meinen Freund eine in Neonlicht getauchte italienische Cantina, und | |
bei gemeinsamen Restaurantbesuchen in New York – wo hippe Schummerigkeit | |
schon angesagt war, bevor hierzulande das erste „Dunkelrestaurant“ | |
eröffnete – führte er zum Leidwesen der Begleitung gern eine Campingleuchte | |
mit. Jetzt fand er sich im trendig runtergedimmten Sushi-Restaurant des | |
Hotels wieder, wo wir im Finstern versuchten, mit Stäbchen auf rohen Fisch | |
zu zielen. | |
Halb verhungert tastete er sich später durch nachtschwarze Flure zurück in | |
sein Designerzimmer. Dort erwartete ihn ein Badezimmer von den Ausmaßen des | |
Versailler Spiegelsaales inklusive zweier Duschen und einer gewaltigen | |
Badewanne. Leider verweigerten sich jedoch die Armaturen allen Versuchen, | |
sie zur Wasserspende zu bewegen. Auch die Fahndung nach verborgenen | |
Sensoren blieb ergebnislos und der Gast trendig ungewaschen. | |
Am folgenden Tag bestiegen wir einen Minibus mit dunkel getönten Scheiben, | |
der uns zu einem Pressegespräch bringen sollte. Kaum näherten wir uns der | |
Hotelausfahrt, brach die Hölle los. Wer nie nur durch dünnes Blech von | |
einer Horde wild gewordener weiblicher Teenager getrennt war, weiß nicht, | |
wie sich Panik anfühlt. Kreischend stürzten sie auf unseren Wagen zu und | |
pressten ekstatisch verzerrte Gesichter an die Fenster. Während wir | |
rätselten, warum ein berühmter Fotograf jenseits der achtzig blutjunge | |
Mädchen in kollektive Hysterie versetzte, klärte uns der Fahrer | |
unbarmherzig auf, dass wir unser Trendhotel mit Justin Bieber teilten. | |
Da Popstars bekanntlich immer mit großer Entourage reisen, begannen wir | |
augenblicklich das Gerücht zu streuen, wir seien Justin Biebers Großeltern. | |
Falls jemand Zweifel an unserer Überzeugungskraft hegt, dem sei versichert: | |
Von Hormonen überschwemmte Teenager glauben alles, wir hätten behaupten | |
können, wir seien seine Schäferhunde, und sie hätten uns ganz sicher | |
Knochen zugeworfen. | |
Wir waren sogar versucht, unsere Drinks auf seinen Namen anschreiben zu | |
lassen, aber der Respekt vor humorlosen Leibwächtern hielt uns zurück. | |
Bevor wir ihn dann fragen konnten, wie er seine Dusche in Gang kriegte, war | |
er abgereist, und wir landeten unsanft in der Bedeutungslosigkeit. | |
Vermutlich hat er einen Haufen Bediensteter, die für ihn probeduschen und | |
im Dunkeln sein Essen ertasten. | |
Bald darauf flog mein Freund leicht müffelnd zurück nach Hause. Am nächsten | |
Tag schickte er mir ein sehr schönes Foto seines sehr alten New Yorker | |
Badezimmers. | |
1 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Pia Frankenberg | |
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