# taz.de -- Modellprojekt auf Geldsuche: Möckernkiez vor der Entscheidung | |
> In der nächsten Woche wird sich zeigen, ob das Modellprojekt Möckernkiez | |
> eine Finanzierung bekommt – oder scheitert. | |
Bild: So sollte der Möckernkiez am Ende aussehen. | |
Gespannte Stimmung am Gleisdreieckpark: In der nächsten Woche entscheidet | |
sich, ob das Modellprojekt Möckernkiez doch noch Wirklichkeit wird – oder | |
alle Planungen umsonst waren. „Wenn wir Ende September keine Finanzierung | |
in Aussicht haben, werden wir der Mitgliederversammlung vorschlagen, den | |
Laden dichtzumachen“, so Vorstand Frank Nitzsche gegenüber der taz. Nach | |
wie vor hat die Genossenschaft nicht den nötigen Kredit für das | |
128-Millionen-Bauvorhaben zugesagt bekommen. Am Donnerstag treffen sich die | |
Mitglieder, um eine weitere Mieterhöhung zu beschließen und das Projekt so | |
vor dem Aus zu retten. | |
Der Möckernkiez an der Grenze zwischen Kreuzberg und Schöneberg war als | |
Gegenmodell zu privaten Investoren geplant: Statt jenen das Bauen zu | |
überlassen, gründeten Engagierte 2007 eine Initiative und später eine | |
Genossenschaft. Sie legten Geld zusammen und kauften das drei Hektar große | |
Grundstück an der Yorckstraße. Dort soll eine „gemeinschaftliche und | |
Generationen verbindende Wohnanlage, die ökologisch, nachhaltig und | |
barrierefrei ist“, entstehen – ein autofreies Ökoviertel mit 464 Wohnungen. | |
Die Genossenschaft begann mit dem Bau aus eigenen Mitteln, obwohl noch kein | |
Kreditvertrag abgeschlossen war. Die Banken sprangen ab. Weil das Geld | |
auszugehen drohte, musste die Baustelle im vergangenen Herbst stillgelegt | |
werden. Seitdem gab es einen kompletten Wechsel in der Führung der | |
Genossenschaft. Es wurde zudem entschieden, einem Generalunternehmer die | |
Leitung der Baustelle zu übertragen. Eine Zusage der Banken für die | |
Finanzierung gibt es bislang trotzdem nicht. | |
Jedenfalls nicht für den gesamten Kredit, den der Möckernkiez benötigt. Um | |
die Finanzierungslücke zu schließen, haben die Mitglieder bereits bei der | |
letzten Versammlung im August einer Erhöhung der zukünftigen Mieten um im | |
Schnitt einen Euro pro Quadratmeter zugestimmt. Im Möckernkiez mitzumachen | |
ist damit noch mal teurer geworden: Wer eine 100-Quadratmeter-Wohnung | |
beziehen will, muss einmalig 92.000 Euro einzahlen. Zusätzlich fällt eine | |
Nettokaltmiete von im Schnitt 1.035 Euro an.Die wird wohl noch weiter | |
steigen. Zwar erklärten sich zahlreiche Genossen innerhalb weniger Wochen | |
bereit, dem Projekt eigenes Geld zu leihen. Knapp drei Millionen Euro kamen | |
so zusammen. Benötigt würde aber das Doppelte. Daher müssen auf der | |
Mitgliederversammlung am Donnerstag die Mieten erneut angehoben werden – | |
für die 100-Quadratmeter-Wohnung fiele dann bereits eine Kaltmiete von | |
1.108 Euro an. | |
Trotzdem bleibt den Genossen wohl nichts anderes übrig, als der Erhöhung | |
zuzustimmen. „Wenn dieser Beschluss nicht angenommen wird, wäre das | |
Modellvorhaben Möckernkiez mangels einer greifbaren Alternative | |
gescheitert“, heißt es in einem aktuellen Rundschreiben des Vorstands. | |
„Das wird nicht die letzte Kröte sein, die wir schlucken müssen“, sagt | |
einer, der seit Jahren beim Möckernkiez mitmischt. Es sei ein Fehler | |
gewesen, ohne sichere Finanzierung mit den Bauarbeiten zu beginnen. | |
„Dadurch sind wir erpressbar geworden.“ Trotzdem ist er überzeugt, dass der | |
Möckernkiez gebaut wird. Die Frage ist für ihn nur, zu welchem Preis: „Die | |
Banken werden immer wieder neue Hebel finden, um noch mehr aus uns | |
herauszuholen. Sie wissen, dass wir stets das kleinere Übel wählen werden.“ | |
Das größere Übel wäre für viele Genossen das Scheitern des Projekts, für | |
das sie sich seit Jahren einsetzen. Die überarbeitete Unternehmensplanung | |
des Möckernkiezes liegt derzeit zur Beratung bei einer Gruppe von Banken. | |
Lehnen sie die Finanzierung weiterhin ab, wäre das das Ende des | |
Möckernkiezes. Das Grundstück, die Rohbauten und die Planungen müsste man | |
verkaufen, erklärt Vorstand Nitzsche. Mit dem Erlös würden Schulden bedient | |
und der Rest des Geldes anteilig an die Genossen ausgezahlt. Wie viel | |
Verlust sie machen würden, ist unklar. Am östlichen Rand des | |
Gleisdreieckparks hätten dann wohl – wie an der Flottwellstraße auf der | |
westlichen Seite in Tiergarten – private Investoren das Sagen. | |
23 Sep 2015 | |
## AUTOREN | |
Antje Lang-Lendorff | |
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