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# taz.de -- Kommentar UNO-Nachhaltigkeitsziele: An den Ursachen vorbei
> Am Wochenende werden in New York 17 „Ziele nachhaltiger Entwicklung“
> beschlossen. Das wird bei weitem nicht reichen.
Bild: Wo die Armut verzweifeln lässt, beginnt die Flucht.
Es war 1992, als sich zum ersten Mal eine „Weltgemeinschaft“ auf gemeinsame
Ziele einigte: Die in Rio verabschiedete Agenda 21 führte den Begriff der
nachhaltigen Entwicklung ein, legte Ziele fest und sollte zu einem
weltweiten Umdenken über Wirtschaftswachstum, Umweltzerstörung und
Wohlstandsverteilung führen.
In der Welt außerhalb der Konferenzräume passierte jedoch das Gegenteil.
Die 90er Jahre gingen in die Geschichte ein als Jahrzehnt des
Neoliberalismus und des Primats der Finanzmärkte über jeglichen Versuch der
Regulierung.
Im Ergebnis verfügt heute laut Oxfam ein Prozent der Weltbevölkerung über
mehr als 50 Prozent des weltweiten Vermögens. „Reicher Mann und armer Mann
/ standen da und sah’n sich an. / Und der Arme sagte bleich: / ‚Wär ich
nicht arm, wärst du nicht reich.‘ “ Der Vers, den Bert Brecht 1934 schrieb,
stimmt heute erst recht.
Mit Zähnen und Klauen wehren sich die Regierungen der Industriestaaten,
angetrieben von den Lobbys der transnationalen Konzerne und der
Finanzspekulanten, gegen jegliche Einschränkung ihrer Handlungsfreiheit.
Die Ergebnisse der Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung von Addis Abeba
im Juli sprechen Bände: Ausnahmslos alle Forderungen, die der globale Süden
und NGOs gestellt hatten, wurden von den Industrieländern abgebügelt. Ob es
um das Schließen von Steuerschlupflöchern ging oder um Maßnahmen gegen
Korruption – der Nettokapitaltransfer von Süd nach Nord kann ungehindert
weitergehen.
## Die Ziele sind rechtlich unverbindlich
Trotz gegenteiliger Sonntagsreden: Das Hauptanliegen westlicher Politik
liegt in der Verteidigung eines Wirtschaftssystems, das in quasireligiöser
Unvernunft behauptet, das individuelle Streben nach maximalem Gewinn sei
als oberstes Ordnungsprinzip alternativlos und werde sich irgendwie schon
für alle auszahlen. Und so produzieren wir weiter systematisch Armut, die
dann gönnerhaft – und immer öfter aus den Kassen der Großkonzerne –
„bekämpft“ wird.
Unter den Menschen, die derzeit zu Hunderttausenden in Europa ankommen,
sind viele, deren Flucht direkt auf diesen Irrsinn zurückzuführen ist. Es
ist der Gipfel des Infamen, sie dann noch als "Wirtschaftsflüchtlinge“ zu
diffamieren.
Auch was der EU-Flüchtlingsgipfel gerade beschloss, ist ein verzweifelter
Versuch, nichts ändern zu müssen: Noch immer geht es vor allem darum,
Menschen von unserer Insel des Wohlstands fernzuhalten, bloß nichts
abzugeben.
Am Wochenende werden in New York 17 „Ziele nachhaltiger Entwicklung“
beschlossen: Die Armut soll überwunden, die Ungleichheit innerhalb und
zwischen den Staaten verringert werden. Die Ziele sind rechtlich
unverbindlich, nehmen aber moralisch alle Staaten der Welt gleichermaßen in
die Pflicht – und im Unterschied zu den vor 15 Jahren verabschiedeten
Millenniumszielen adressieren sie nicht nur die sogenannten
Entwicklungsländer, sondern alle.
Theoretisch jedenfalls. Wenn der Bundeskanzlerin in ihrer
Regierungserklärung am Donnerstag zum Thema nichts anderes einfällt als
eine – löbliche – Erhöhung der Entwicklungshilfe, hat sie nachhaltig etwas
nicht verstanden. Wir müssten mehr schaffen.
25 Sep 2015
## AUTOREN
Bernd Pickert
## TAGS
Entwicklung
Schwerpunkt Armut
SDG
SDG
Vereinte Nationen
Entwicklungshilfe
Flüchtlinge
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