# taz.de -- „Paris-Protokoll“ zum Klimaschutz: Vier Wochen für die Weltfor… | |
> Die Klimakonferenz-Chefs sind optimistisch: Sie wollen ein | |
> „Paris-Protokoll“ entwerfen, mit dem alle gleich unzufrieden sind. Aber | |
> das ist unmöglich. | |
Bild: Rheinufer in Düsseldorf: Folge des Klimawandels? | |
BONN taz | Es liegt jetzt an Ahmed Djoghlaf und Daniel Reifsnyder, ob die | |
Welt in Paris ein gutes Abkommen zum Klimaschutz bekommt. An ihrem | |
Fingerspitzengefühl, ihrem Mut, ihrem Charme und ihrer Fähigkeit, scheinbar | |
unversöhnliche Gegensätze zusammenzuführen. Denn die beiden Klimadiplomaten | |
aus Algerien und aus den USA stehen vor der schwersten Aufgabe ihrer | |
Karriere: Sie sollen in vier Wochen einen Entwurf für das „Paris-Protokoll“ | |
zum Klimaschutz zu schreiben, das alle Seiten gleich unglücklich macht und | |
als Basis für echte Verhandlungen dient. | |
Das ist zumindest der Auftrag, den die Zwischenkonferenz zum Klimaschutz in | |
Bonn an ihre beiden Co-Vorsitzenden gegeben hat. Am Freitag ging wieder | |
eine Woche des zähen Ringens zu Ende, wieder einmal ohne große | |
Fortschritte. Aber für das ungleiche Duo fängt die Arbeit jetzt erst an. | |
Aus 83 eng bedruckten Seiten voller Worthülsen, Weltanschauungen und | |
Wiederholungen wollen sie bis Anfang Oktober einen Text machen, der | |
„zusammenhängend, knapp, umfassend und logisch“ ist, wie Reifsnyder | |
betonte. „Wir erwarten, dass wir dafür kritisiert werden, aber wir hoffen, | |
dass am Ende alle den Text mögen“. | |
Auf dem Spiel steht das Herzstück eines umfassenden Klimaabkommens, das im | |
Dezember in Paris geschlossen werden soll. Der Text, soviel ist aus den | |
vergangenen Jahren und Konferenzen klar, soll ein knappes, völkerrechtlich | |
verbindliches Abkommen beinhalten, das die Grundzüge der weltweiten | |
Klimapolitik für die nächsten Jahrzehnte allgemein festlegt, etwa die | |
Verpflichtung, die weltweite Erwärmung nicht über zwei Grad Celsius zu | |
treiben. Dazu soll es eine weniger verbindliche Entscheidung der Konferenz | |
in Paris geben, in der die wichtigen Details von Emissionsreduzierung, | |
Finanzierung, technischer Hilfe, Geld für Anpassung oder Schadenersatz | |
geregelt sind. | |
„Wir machen kleine Schritte, aber wir kommen rechtzeitig in Paris an“, | |
versprach Ahmed Djoghlaf. Die ungleiche Duo – Reifsnyder, jovialer Beamter | |
aus dem US-Außenministerium, und Djoghlaf, Jurist sowie UN-Umweltpolitiker | |
mit gelegentlicher Strenge und Schärfe in der Stimme – will zwei Texte | |
vorlegen, mit denen Anfang Oktober in der nächsten Konferenzrunde die | |
Delegierten endlich ernsthaft arbeiten können. Denn auch wenn das | |
algerisch-amerikanische Paar am Freitag in den höchsten Tönen vom | |
„Engagement aller Delegationen“ schwärmte, das sie „extrem glücklich“ | |
mache, scharrten bereits seit Monaten die Klimadiplomaten ungeduldig mit | |
den Füßen. | |
Anders als beim gescheiterten UN-Gipfel von Kopenhagen 2009 soll diesmal | |
der Text in Grundzügen fertig sein, wenn die Schlusskonferenz in Paris | |
beginnt. Frankreichs Präsident Francois Hollande hatte im Mai in Berlin die | |
Länder beschworen, nicht bis zur letzten Minute zu warten: „Ein | |
dramatisches Ende endet manchmal im Drama“. | |
## Aufgeblasenes Dokument | |
Eigentlich hatten sich die 196 UN-Staaten der Klimakonvention bereits im | |
Dezember letzten Jahres in der peruanischen Hauptstadt Lima auf einen Text | |
von nur etwa 35 Seiten geeinigt, „mit dem wir gut arbeiten können“, hieß … | |
damals. Doch im Februar bliesen die gleichen Diplomaten bei einem Treffen | |
in Genf das Papier auf über 80 Seiten auf, indem sie alle ihre | |
verschiedenen Optionen zu den strittigen Punkten dort verankerten. | |
Das ist möglich, weil nach UN-Recht der Verhandlungsprozess nicht nur | |
Einstimmigkeit fordert, sondern auch „von den Parteien betrieben“ wird, | |
also die Staaten die Hoheit über das Geschehen haben, ohne dass Vorsitzende | |
ihnen Vorschriften machen können. Das führt oft zu entnervend langen und | |
wiederholten Verhandlungen. Elena Bardram von der EU-Kommission gab dann am | |
Freitag auch offen zu, dass es in den letzten Wochen bei „altgedienten | |
Verhandlern manchmal zu Frustrationen gekommen ist.“ | |
Denn von der Aufblähung im Februar hat sich das Dokument bisher nicht | |
erholt. Erst im Juli legten die Vorsitzenden Djoghlaf/Reifsnyder einen Text | |
vor, der das Durcheinander der klimapolitischen Wunschliste aller Seiten | |
zumindest ordnete. Sie unterteilten die Vorschläge danach, ob sie in den | |
Kern des Abkommens gehörten, in die Konferenz-Entscheidung von Paris oder | |
ob sie ungelöste Fragen aufwarfen. Dabei waren die Bestimmungen für den | |
Kern größtenteils vage, die für die Konferenz etwas konkreter. Die wirklich | |
substanziellen Forderungen, etwa nach einem Ende der fossilen Brennstoffe | |
bis 2050 oder nach konkreten Zeiträumen für Finanzhilfen, wurden im dritten | |
Teil vergraben. | |
## Schmerzgrenzen ausloten | |
Wie die Ambitionen für den Klimaschutz nun mit der Angst vor einem | |
Scheitern des ganzen Vertrags ausbalanciert werden, ist die Quadratur des | |
Kreises, an die sich Ahmed Djoghlaf und Daniel Reifsnyder wagen. Die beiden | |
Vorsitzenden nutzten die vergangene Woche, um bei den Delegationen die | |
Schmerzgrenzen auszuloten. Sie sehen „enormen Fortschritt“ seit Januar und | |
freuen sich darüber, dass die „Bitterkeit“ aus den Verhandlungen | |
verschwunden sei. | |
Auch wenn viele Verhandler in privaten Gesprächen in den Jubel ihrer | |
Vorsitzenden nicht einstimmen, zeigte sich die Chefin des | |
UN-Klimasekretariats, Christiana Figueres, ebenfalls betont optimistisch: | |
„Jedes einzelne Land ist voller Engagement dabei.“ Für Paris sei alles | |
genau im Zeitplan: Der Text des Abkommens, die Finanzierung, die | |
Beteiligung von Wirtschaft und Zivilgesellschaft und die Klimaschutzpläne | |
der Länder – bisher haben 58 Staaten ihre Pläne vorgelegt, die etwa 70 | |
Prozent aller Emissionen ausmachen. | |
Zumindest auf die Unterstützung der meisten Menschen für einen | |
ambitionierten Klimaschutz kann die UN offenbar bauen: Sie präsentierte | |
eine [1][aktuelle repräsentative Umfrage], nach der 78 Prozent der | |
Weltbevölkerung besorgt über die Auswirkungen des Klimawandels sind. Und | |
zwei Drittel der Befragten sagen, dass Klimaschutz ihre Lebensqualität | |
verbessern könne. | |
4 Sep 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://newsroom.unfccc.int/unfccc-newsroom/largest-ever-citizen-consultatio… | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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