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# taz.de -- Die Wahrheit: Selbst ist der Mann
> Wenn man in Glasgow mal einkaufen oder Postkarten verschicken will,
> bekommt man es gleich mit der Maschine zu tun.
Bild: Tatütata, der Highpraktiker ist nicht mehr ganz da, kommt aber bestimmt …
Alles muss man selber machen. Zwar geht der Trend überall zur
Automatisierung, aber in Schottland haben sie das perfektioniert. In der
Flughafenfiliale von WH Smith, einer großen Kette für Zeitschriften, Bücher
und Reisebedarf, musste ich den Strichcode der Satirezeitschrift Private
Eye scannen, was mir überraschend mühelos gelang.
Dann aber verlangte der Automat von mir, dass ich auch meine Bordkarte
scannte. Daran scheiterte der Kauf, denn die Bordkarte war in der
Handtasche der Gattin, und die war in irgendeinem anderen Laden. Will der
Automat verhindern, dass man Private Eye kauft, wenn man in ein islamisches
Land reist, weil die Zeitschrift möglicherweise eine Mohammed-Karikatur
enthält?
In den Supermärkten ist es ähnlich. Lediglich bei den Billigläden Lüdl und
Albi sitzen noch Menschen an der Kasse. Bei den anderen muss man seine Ware
selbst scannen, was mir oft misslingt. „Unerwarteter Artikel“, krähte das
Gerät bei Tesco, als ich die Ware aufs Band legte. Die anderen Kunden sahen
mich an, als ob ich gerade beim Klauen ertappt worden wäre. „Ich mache
gerade Diät und kaufe deshalb neuerdings Salat“, erklärte ich, „das kann
die Maschine nicht wissen.“
Eine echte Herausforderung ist das Verschicken von Ansichtskarten, Briefen
oder Päckchen. Einen Schalter für Briefmarken gibt es bei der Glasgower
Hauptpost nicht. Die Kundschaft muss sich an Automaten mit der Aufschrift
„Post and Go“ anstellen. Man geht aber nirgendwohin, jedenfalls nicht so
bald.
Die Maschine wollte erst von mir wissen, an wen und wohin das Objekt
versendet werden sollte: Eine Ansichtskarte an meine Hamburger
Brieffreundin, gab ich wahrheitsgemäß an. Sodann sollte ich die Karte
wiegen. Erst gegen Ende des Vorgangs entdeckte ich auf dem Bildschirm einen
Knopf, mit dem man die Sache abkürzen kann. Ich fluchte leise vor mich hin.
## Schottischer Saumagen
Die ältere Dame am Automaten neben mir fluchte weniger leise. Sie wollte
ein Päckchen an ihre Tochter in Chicago schicken und hatte Adresse und
Absender ordnungsgemäß auf dem Bildschirm eingetippt, aber die Maschine gab
sich damit nicht zufrieden. Die Postkundin musste einen grünen Aufkleber
von einer Rolle unter dem Bildschirm abreißen, ihn scannen und auf das
Päckchen kleben.
Danach wurde ein blauer Aufkleber mit der Zollerklärung verlangt. Vor dem
Scannen musste die Frau dem Automaten jedoch den Inhalt des Päckchens
verraten. „Eine Dose Haggis“, tippte sie ein, jenes schottische
Nationalgericht, das aus allerlei Innereien besteht, die im Schafsmagen
gekocht werden – eine Art schottischer Saumagen also.
Daraufhin brach der Automat den Vorgang ab. Auf dem Bildschirm erschien der
Hinweis, dass die Einfuhr von Haggis in die USA verboten sei, weil er ein
Gesundheitsrisiko darstelle. Ich riet der Frau, es nochmal zu versuchen und
statt Haggis eine Handfeuerwaffe in die Zollerklärung einzutragen. Sie
bedankte sich, und ich machte mich mit meiner Briefmarke vorsichtshalber
aus dem Staub.
14 Sep 2015
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
Einkaufen
Schottland
Irland
England
Online-Shopping
Medizin
Krieg
Löwe
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