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# taz.de -- Marktmissbrauch von ARD und ZDF?: Alles bleibt in der Familie
> Die Produktionsfirma Bavaria soll laut einem Gutachten bei der
> Auftragsvergabe das Kartellrecht verletzt haben. WDR und SWR wehren sich
> dagegen.
Bild: Hier dreht der SWR.
Die Münchner Produktionsgesellschaft Bavaria steht wieder einmal unter
Verdacht, die eigene Marktmacht auszunutzen. Das will ihr zumindest die
Allianz Unabhängiger Filmdienstleister (AUF) mit einem neuen Gutachten
nachweisen.
Die Frage: Haben sich die Öffentlich-Rechtlichen und deren kommerzielle
Tochtergesellschaften bei den Auftragsvergaben für „technische
Filmdienstleistungen“ kartellrechtswidrig verhalten? Rupprecht Podszun,
Juraprofessor der Uni Bayreuth, bilanziert in dem nun veröffentlichen
Papier, „dass dafür gravierende Indizien vorliegen“.
Eine Fernsehfilmproduktion funktioniert – vereinfacht – so: Ein Sender
vergibt an eine Produktionsfirma den Auftrag, einen Film herzustellen. Die
Produktionsfirma wiederum vergibt Aufträge an Dienstleister, die ihr das
nötige Equipment leihen (das so genannte Rental), Studios vermieten oder
die Postproduktion übernehmen.
Der größte Anbieter in dem Bereich „technische Filmdienstleistungen“ sind
laut Gutachten die Bavaria Studios & Production Services GmbH (BSPS) mit
ihren Tochter- bzw. Enkeltochterfirmen. Die BSPS gehört wiederum dem ZDF,
der LfA Förderbank Bayern und zu mehr als 60 Prozent der Bavaria Film, die
mehrheitlich den ARD-Anstalten SWR, WDR, BR und MDR gehört (wiederum über
Tochterfirmen). Größter Bavaria-Anteilseigner ist mit 33,35 Prozent die WDR
Mediagroup.
## Anbieter würden aus Markt gedrängt
Was haben die öffentlich-rechtlichen Anstalten und ihre Bavaria angestellt?
„Die […] Sender praktizieren […] ein System, das dazu führt, dass
unabhängige private Anbieter aus dem Markt gedrängt werden und innovative
Filmdienstleister vom Marktzutritt abgehalten werden.“ Dies täten sie
durch: „Interne Vergabe, Preisreferenzsystem und Preisspaltung.“
Interne Vergabe: Die öffentlich-rechtlichen Sender würden ihre hauseigenen
Produktionsfirmen – beispielsweise die Bavaria – bei der Auftragsvergabe
bevorzugen, schreibt Podszun. Die wiederum vergäben die Aufträge für
technische Filmdienstleistungen an Bavaria-Töchter. Die Gewinne müssten
diese dann an ihre Eigner, also die Rundfunkanstalten, anteilig
ausschütten. Ein Kreislauf, in den sich freie Anbieter kaum einklinken
können. Dies bestätigten unabhängige Produzenten der taz. Und wenn doch
freie Produktionsfirmen Aufträge bekämen, würden diese angehalten, die
Aufträge für technische Filmdienstleistungen an Firmen zu vergeben, die eng
mit dem öffentlich-rechtlichen Apparat verbunden sind.
Im Gutachten wird als Beispiel die Auftragsvergabe beim Südwestdeutschen
Rundfunk SWR herangezogen: Der würde seine fünf bis sechs „Tatort“-Filme …
das abhängige Produktionsunternehmen Maran Film übertragen. „Maran Film
vergibt die Rental- und Postproduktions-Dienstleistungen an die Bavaria
Film-Töchter, an denen der SWR beteiligt ist. Maran und Bavaria Film
wiederum führen ihre Gewinne letztlich an den SWR (im Umfang der
Beteiligung des Senders) ab“, heißt es im Gutachten weiter.
## SWR widerspricht dem Gutachter
Doch diese Praxis weist der SWR von sich: „Der SWR vergibt seine ‚Tatorte‘
nicht an die Maran und hat dies auch in der Vergangenheit nicht getan“,
teilte Sprecher Wolfgang Utz mit. Alle SWR-‚Tatorte‘ seien
Eigenproduktionen. Lediglich die Stoffentwicklung und die
Produktionsbetreuung seien als Servicedienstleistung von der mittlerweile
aufgelösten Maran Film GmbH übernommen worden. Der SWR stelle seine Filme
komplett selbst her: „von der Planung bis zur Erstellung des fertigen
Sendebands.“ Und: „Zusätzlich erforderliche, nicht im SWR vorhandene
Produktionsmittel für Aufnahme und Bearbeitung werden auf dem freien Markt
nach den Regeln der Beschaffungsordnung eingekauft.“ Außerdem seien die
Rental- und Postproduktion der SWR-‚Tatorte‘ nicht an die Bavaria
Filmtöchter übergeben worden. „Die komplette Postproduktion lag und liegt
beim SWR.“
Preisreferenzsystem: Bei den Sendeanstalten, die die Aufträge vergeben,
sollen die Preise, die die Bavaria-Töchter aufrufen, als Referenz für die
Angebote freier Anbieter gelten. Das zwinge diese zu Dumpingpreisen.
Preisspaltung: Gibt es bei einer Auftragsvergabe keinen Wettbewerb, könnten
die abhängigen Dienstleister (wie die Bavaria-Töchter) hohe Preise
aufrufen, da das Geld – wie beschrieben – im Kreislauf bleibe. Stehen die
Tochterfirmen allerdings im Wettbewerb mit unabhängigen Anbietern um einen
Auftrag, könnten sie mit Niedrigpreisen alle ausstechen.
## Kartellamt soll tätig werden
Podszun appelliert daher an das Bundeskartellamt, es „sollte im
öffentlichen Interesse tätig werden und die Verhaltensweisen prüfen und
ggf. abstellen“.
Das Kartellamt hatte erst im Juli die Bavaria-Büros wegen des Verdachts
„kartellrechtswidriger Preis- und Angebotsabsprachen bei Auftragsvergaben
durch Fernsehsender und Produktionsfirmen“ durchsucht. Dabei handelt es
sich allerdings um ein Bußgeldverfahren, wie ein Kartellamtssprecher
erklärt. Das neue Gutachten sei zwar bei seiner Behörde eingegangen, sollte
es aber jemals zu Ermittlungen kommen, würden die in ein
Missbrauchsverfahren münden.
Nicht eingegangen ist das Gutachten dagegen bei einem der
Hauptangesprochenen: dem Westdeutschen Rundfunk (WDR). Ganz grundsätzlich
stellte WDR-Sprecherin Kristina Bausch allerdings fest, dass ihr Sender im
ARD-Vergleich eine sehr zurückhaltende Vergabepolitik gegenüber den eigenen
Töchtern habe. „Im vergangenen Jahr wurden 90 Prozent der Aufträge an
Produzenten vergeben, die nicht mit dem WDR verbunden sind.“
9 Sep 2015
## AUTOREN
Anne Fromm
Jürn Kruse
## TAGS
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Tatort
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Bayern
Schleichwerbung
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