# taz.de -- Philosoph Eilenberger über Fußball: „Schweini: ein Auto mit Tot… | |
> Das Männerbild im Fußball, der Beginn der Klopp-Ära in München und | |
> Schweinsteigers Wechsel nach England. Darüber spricht der Philosoph | |
> Wolfram Eilenberger. | |
Bild: „Ich empfinde nichts als Verehrung für diesen großen, großen Spieler… | |
taz.am wochenende: Herr Eilenberger, wer wird dieses Jahr Deutscher | |
Meister? | |
Wolfram Eilenberger: Ich bin sehr zuversichtlich, dass diese Spielzeit | |
national wie international eine ganz große Saison für die Bundesliga wird. | |
Bayern wird ganz klar alles auf die Champions League setzen und hat auch | |
gute Chancen. Und in der Euro League haben wir mit Dortmund und Schalke | |
zwei ganz starke Vertreter, die lange ein Wörtchen mitreden werden. | |
Der wichtigsten Personalien der vergangenen Wochen bezogen sich auf den FC | |
Bayern: Vidal kommt, Schweinsteiger geht. Waren das richtige | |
Entscheidungen? | |
Nun, jedenfalls PR-technisch ist Schweinsteigers Wechsel bereits jetzt ein | |
Riesenerfolg. Schweinsteiger ist vom gefühlten Alter her 37. Er hat einfach | |
sehr viel gespielt. Gewiss, selbst ein Auto mit Totalschaden kann man noch | |
autobahntauglich reparieren, aber es wird halt nicht mehr so wie vorher | |
laufen. Aus meiner Sicht ist der Weg von Herrn Schweinsteiger klar | |
vorgezeichnet: Er wird jetzt mit Manchester United vielleicht eine sehr | |
dezente Saison spielen, wird sich danach nach Amerika verabschieden, und | |
dann heißt es: ‚Schweini goes global‘. Das wäre für alle die perfekte | |
Lösung. Und später kommt er als Verantwortlicher dann wieder zu seinem FC | |
Bayern zurück. | |
Schweini „als Auto mit Totalschaden“ war jetzt hart. | |
Ich empfinde nichts als Verehrung für diesen großen, großen Spieler. Aber | |
als Philosoph bleibt man, zu gegebenem Zeitpunkt, der Wahrheit | |
verpflichtet. Und die liegt auch für Schweini in Manchester auf dem Platz. | |
Und Vidal? | |
Vidal ist der erste Neuzugang der Klopp-Ära. Der FC Bayern plant bereits | |
die Zeit nach Guardiola. | |
Sie sehen Jürgen Klopp als Trainer des FC Bayern München? | |
Es gibt drei Kandidaten: Ancelotti, Lucien Favre – da werden die Bayern | |
genau beobachten, wie er sich mit Gladbach in der Champions League schlägt | |
– und eben Jürgen Klopp. Das wäre doch ein charmantes und interessantes | |
Experiment mit Jürgen Klopp. Ein extremer Kulturschock für die Spieler: weg | |
vom Ballbesitz und hin zur rauschhaften Attacke. Spieler wie Lahm würden | |
Guardiola vermissen – Thomas Müller oder Arturo Vidal gewiss nicht. | |
Aus Ihrer Sicht: Welches Männerbild prägt den heutigen Fußball insgesamt? | |
Global haben wir zwei alles überragende Fußballikonen, das sind Cristiano | |
Ronaldo und Lionel Messi. Und es ist die große Tragik unserer Dekade, dass | |
es sich bei diesen beiden Leitfiguren um derart ausgesprochene | |
Sackgassencharaktere handelt. Sie zeigen keinem einen Weg auf. Nicht einmal | |
sich selbst. | |
Wie begründen Sie diese Einschätzung? | |
Ronaldos narzisstische Störung durchdringt jede einzelne seiner Aktionen. | |
Sein technisches Vermögen, seine Athletik, großartig, geradezu überirdisch | |
– in dieser Ausprägung allenfalls mit dem jungen Ali zu vergleichen. Aber | |
sofern Fußball eine Mannschaftssportart ist, hat Ronaldo sein eigenes Spiel | |
bis heute nicht verstanden. Es fehlt selbst nach zehn Jahren auf der großen | |
Bühne jeder Abstand zur eigenen Pathologie. | |
Und Messi? | |
Die vergleichslose Inselbegabung hat zu einer Nonexistenz als Person | |
geführt. Messi wirkt als Mensch gar nicht vorhanden. Man hat das Gefühl, | |
dass man es mit einem 14-jährigen Teenager zu tun hat, der jenseits des | |
Fußballplatzes noch an die Hand genommen werden muss. Und es reicht hier | |
nicht mehr, zu sagen: Aber es sind doch nur Fußballer, mehr wollen die gar | |
nicht sein! Faktisch sind sie nun einmal mehr, viel mehr. Sie sind Motoren | |
zukünftiger Subjektivität, denn sie beherrschen und leiten die Ambitionen | |
Hunderter Millionen Jugendlicher. | |
Ausnahmen wie Thomas Müller bestätigen die Regel? | |
Müller steht für das, was man in der Philosophie Serendipität nennt: Er | |
findet das, was er nicht sucht. Ein serendipes Ereignis ist zum Beispiel: | |
Kolumbus will die Passage nach Indien finden und entdeckt dabei Amerika. | |
Müller schafft sich durch seine chaotischen Laufwege Möglichkeiten, von | |
denen er selbst nicht wusste, dass sie existieren würden. Ein Zufallsgott – | |
und damit auch ein großer Komiker. | |
Und wer holt jetzt die Meisterschale? | |
National werden wir einen Fünfkampf sehen: Bayern wird sich in diesem Jahr | |
nicht in gleicher Weise absetzen können. Schalke mit seinen jungen Spielern | |
und neuem Trainer wird ernsthaft zu beachten sein. Wolfsburg hat eine sehr | |
große Chance auf die Meisterschaft. Und Leverkusen und Dortmund werden | |
ebenfalls bis zum Schluss im Rennen sein. | |
Das komplette Gespräch mit Wolfram Eilenberger lesen Sie in der [1][taz.am | |
wochenende] vom 15./16. August 2015. Darin spricht der Philosoph über die | |
Algorithmisierung des Fußballs, die Penetrationsverweigerung von Pep | |
Guardiola und die wunderbare Macht der Kontingenz. | |
14 Aug 2015 | |
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## AUTOREN | |
Alem Grabovac | |
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