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# taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Das Stadion im Dorf lassen
> Nach dem Feuerzeugwurf von Osnabrück im Pokalspiel gegen RB Leipzig: Mal
> wieder setzen sich die Übertreiber durch. Leider.
Bild: Nach dem Feuerzeug-Treffer: Schiedsrichter Martin Petersen.
Null zu zwei. Klingt wie ein übliches Fußballergebnis, die offizielle
Wertung der Partie im DFB-Pokalwettbewerb zwischen dem VfL Osnabrück und RB
Leipzig. Nur nach den Torschützen sollte man sich besser nicht erkundigen,
denn nicht RasenBallsport hat gewonnen, sondern GrünerTischBallsport: 2:0
für Leipzig, so hat das DFB-Sportgericht entschieden, weil aus dem
Osnabrücker Block ein Wegwerffeuerzeug geworfen wurde und den
Schiedsrichter traf.
Fußballgewalt wird das Thema genannt: Dass der Schiedsrichter die Partie
abgebrochen hat, ist völlig nachvollziehbar. Dass sie nicht mit dem
Spielstand der 71. Minute, einem 1:0 für Osnabrück, gewertet werden darf,
ist auch selbstverständlich. Und dass in irgendeiner Weise sichergestellt
werden muss, dass solcherlei Bedrohungen von Schiedsrichtern oder Spielern
unterbleiben, sowieso.
Aber das öffentliche Reden über solche Vorfälle hat eine Dynamik
entwickelt, bei der stets derjenige Recht bekommt, der am dicksten
aufträgt. Wenn man nicht in den Ruf des Fanverstehers kommen will, muss man
schon vor „Chaoten“, „Hooligans“ oder gar „Verbrechern“ warnen.
Aber hat, wenn auf dem Pausenhof einer Gesamtschule einmal ein Feuerzeug
nach einem Lehrer geworfen wurde, diese ein Gewaltproblem? Oder: Ist ein
öffentlicher Park, in dem das Schild, wonach der Rasen nicht betreten
werden darf, von mehreren jungen Menschen ignoriert wurde, plötzlich von
Straftätern okkupiert, denen nur durch härteste Strafen beizukommen ist?
Nicht dass es okay wäre, mit einem Plastikgegenstand nach Lehrern zu werfen
oder frisches Saatgut zu zertrampeln, aber: Das Augenmaß, das in Schulen
und im Stadtpark gilt, würde dem Fußball schon sehr helfen.
Das Fußballstadion ist für viele Fans ein Ort, an dem etwas gesagt oder
getan werden kann, das im übrigen Leben sozial geächtet ist. Schmähgesänge
gegen gegnerische Fans sind erlaubt wie auch das Verspotten des
Schiedsrichters. Das ist ja okay. Eine Grenze ist zu ziehen etwa bei
rassistischen Beleidigungen. Eine Grenze ist auch zu ziehen bei
körperlicher Gewalt.
## Schlimmste Schmähung: Schiri-Beleidigung
Das alles ist unstrittig, und doch lohnt der genauere Blick: Bis heute gilt
ein Wurf mit Bierbecher oder Feuerzeug sowohl in der Verbandsrechtsprechung
als auch in der Berichterstattung als ahndungswürdigeres Vergehen im
Vergleich zu durchaus mit härterer Gewalt durchgeführter Streiterei
zwischen Fanblocks. Die schlimmste Schmähung, der sich ein Spieler schuldig
machen kann, ist die Schiedsrichterbeleidigung und nicht das Hinausbrüllen
rassistischen Gedankenguts.
Und dass überhaupt gegen diese Hassausbrüche vorgegangen wird, dass
Homophobie, Antisemitismus und Rassismus bestraft werden, das gibt es ja
erst seit wenigen Jahren. Und durchgesetzt haben es kritische Fans, gegen
den Widerstand der ansonsten so ordnungsliebenden Funktionäre.
Die Veränderung des Fußballs zum Besseren, die es mittlerweile zum Glück
gibt, ist also Menschen zu verdanken, die sich im Fußballsport bewegen, die
dort kompetent sind und die Vorkommnisse gut einschätzen können. Sowohl der
VfL Osnabrück als auch RB Leipzig hatten für die Wiederholung ihres
Pokalspiels plädiert. Das wäre eine sportliche Lösung gewesen.
14 Aug 2015
## AUTOREN
Martin Krauss
## TAGS
DFB-Pokal
VfL Osnabrück
Fußball
Schwerpunkt Rassismus
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