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# taz.de -- Katholische Schul-Kleiderordnung: Hotpants-Verbot am Gymnasium
> Die Sophie-Barat-Schule in Hamburg verbietet sichtbare Unterwäsche und
> bauchfreie Tops. SchülerInnen sprechen sich mehrheitlich gegen die neue
> Regelung aus.
Bild: Hotpants sollen die Schülerinnen künftig an den Nagel hängen
HAMBURG taz | „Courage et Confiance – Mut und Vertrauen“, lautet das
pädagogische Leitbild der Sophie-Barat-Schule in Hamburg. Mut müssen in
diesen Tagen vor allem Schülerinnen aufbringen, die mit kurzer Hose zur
Schule kommen. Die bestehende Hausordnung an dem katholischen Gymnasium
wurde zum neuen Schuljahr um eine Richtlinie erweitert. Sie untersagt das
Tragen aufreizender Kleidung.
„Man sollte sich an das heutige Zeitalter anpassen. Heutzutage ist es doch
normal, dass man in kurzen Hosen und Tops mit Ausschnitt unterwegs ist“,
sagt die 17-jährige Lisa. Sie ist Schülerin an der Schule in
Hamburg-Rothenbaum. „Warum sollten wir die erste Schule in Hamburg sein,
die das bestraft – nur weil wir eine katholische Schule sind?“ Vorschriften
gegen aufreizende Kleidung befürworte sie – Hotpants fielen aber nicht
darunter.
Die neue Vorschrift wurde durch einen Beschluss der Schulkonferenz gefasst,
bestehend aus Lehrer-, Schüler- und Elternvertretern. „Was wir nicht sehen
wollen“ lautet die Überschrift. Genannt werden dort Bauchfreiheit,
Brustansatz, sichtbare Unterwäsche und zu viel Oberschenkel. „Dabei kann
allzu freizügige und nachlässige Garderobe ungute Gefühle auf Lehrer- aber
auch auf Schülerseite hervorrufen“, heißt es in der Richtlinie weiter.
## Kein konkreter Anlass
Um welche Art von Gefühlen es sich dabei konkret handelt, möchte die Schule
nicht sagen. Impliziert wird jedenfalls, dass sich vor allem männliche
Lehrer und Schüler statt auf den Unterricht auf die Schülerinnen
konzentrieren würden. Das störe den Schulfrieden und sei kontraproduktiv.
Der Katholische Schulverband ist der Träger der Sophie-Barat-Schule. Neben
ihr gehören 20 weitere Schulen im Stadtgebiet Hamburgs zu dem Verband.
Einen konkreten Anlass im Schulalltag habe es nicht gegeben, durch den die
Hausordnung geändert werden musste, sagt dessen Pressesprecher Christoph
Schommer.
„Ziel der Richtlinie ist es, einen grundsätzlichen und klaren Rahmen
vorzugeben, um auch zukünftig eine gute Arbeitsatmosphäre und ein
respektvolles Miteinander an der Schule zu gewährleisten“, sagt er.
Tiefe Dekolletés, bauchfreie Oberteile oder Kleidungsstücke mit
rassistischen oder sexistischen Botschaften würden einem wertschätzenden,
respektvollen Miteinander entgegenstehen. Der Beschluss sei durch eine
große Mehrheit der Lehrer, Schüler und Eltern nach ausführlicher Diskussion
abgesegnet worden.
## Niemand will verantwortlich sein
Die Schülerinnen und Schüler sehen das anders. Sie stehen nach eigenen
Angaben nicht hinter dem Beschluss, auch ihre Eltern seien nicht
mehrheitlich dafür gewesen, behaupten einige. „Es soll wohl in den höheren
Klassen etwas übertrieben worden sein“, sagt die Mutter einer zwölfjährigen
Schülerin.
Wenn es so gewesen sein sollte und sich Mädchen zu offenherzig präsentiert
hätten, stehe sie hinter der neuen Vorschrift. „Ich habe noch eine ältere
Tochter, die auch auf dieser Schule war“, sagt sie. „Bei der gab es diese
Probleme nicht.“
Verantwortlich für die Neuerung möchte scheinbar niemand sein. Die
Lehrerinnen und Lehrer würden, im Unterricht auf die Kleiderordnung
angesprochen, die Verantwortung auf die Eltern schieben, behaupten einige
Gymnasiasten.
Die Regel sei zudem nicht ausreichend kommuniziert worden – einige
Schülerinnen und Schüler hätten von der Vorschrift erst aus der Zeitung
erfahren. „Erst wurde uns nur erzählt, dass es ein paar neue Regeln gibt“,
sagt Simon aus der achten Klasse. „Dann wurde es öffentlich.“
## Abwertende Reaktionen
Mittlerweile stünden die verbotenen Kleidungsstücke akribisch aufgelistet
in den Mitteilungsheften der Schüler. Bei einem Verstoß gegen die Regeln
werde man unverzüglich in das Sekretariat gebracht und verwarnt. Erst vor
Kurzem soll eine seiner Mitschülerinnen wegen des Tragens einer Hotpants in
das Sekretariat gerufen worden sein.
„Ich finde das nicht so lustig, gerade an heißen Tagen weiß ich nicht, was
ich anziehen soll“, beklagt sich Michelle. Die 17-Jährige geht in die
zwölfte Klasse und hält die Regelung für überspitzt: „Es ist
diskriminierend, da nun mal jeder seinen eigenen Stil hat. Den sollte man
verwirklichen dürfen.“ Die Schule sei wichtig für die Herausbildung der
eigenen Identität. Eine weitere Vorschrift würde das verhindern, findet
sie.
Doch stattdessen würden Lehrer vereinzelt als moralische Instanzen
auftreten und abwertend auf unangemessene Kleidung reagieren. Es würden
zynische Fragen gestellt, ob man denn am Morgen nichts Kürzeres gefunden
habe. Eine freundlichere Zurechtweisung würde genügen, da bedürfe es keiner
neuen Richtlinie. „Wir hatten vielleicht zwei Wochen Sommer in diesem Jahr,
die können wir doch in kurzer Kleidung genießen“, findet sie.
1 Sep 2015
## AUTOREN
Fabio Kalla
## TAGS
katholisch
Hamburg
Katholische Kirche
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Katholizismus
Schule
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