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# taz.de -- Ukrainischer Regisseur in Russland: Für 20 Jahre ins Straflager
> Ein Gericht in Rostow am Don verurteilt Regisseur Oleg Senzow wegen
> Terrorismus. Sein angeblicher Mittäter muss für zehn Jahre in Haft.
Bild: Oleg Senzow am Dienstag im Militärgericht in Rostow am Don.
Rostow am Don taz | 20 Jahre Strafkolonie: So lautet das Urteil eines
Militärgerichts in der südrussischen Stadt Rostow am Don vom Dienstag gegen
den ukrainischen Regisseur Oleg Senzow. Sein Mitangeklagter, der Aktivist
und Antifaschist Alexander Koltschenko, muss für zehn Jahre hinter Gitter.
Die Staatsanwaltschaft hatte 23 bzw. 12 Jahre Haft gefordert.
Als der Richter nach der Urteilsverkündung von den Angeklagten wissen will,
ob sie alles verstanden haben, stimmen Senzow und Koltschenko die
ukrainische Nationalhymne an. Ein Teil der Anwesenden im Saal steht auf.
„Ruhm der Ukraine!”, rufen beide zum Schluss. „Den Helden Ruhm”, antwor…
jemand aus dem Saal.
Der international kritisierte Prozess hatte vor drei Wochen begonnen. Das
Gericht tagte fünf Tage die Woche ohne Unterbrechung. Das hohe Arbeitstempo
ermöglichte es dem Richter Sergej Mihajljuk den Senzow-Prozess zu Ende zu
bringen, bevor ein anderes brisantes Verfahren eröffnet wird – gegen die
ukrainische Kampfpilotin Nadeschda Sawtschenko, die ebenfalls in russischer
Haft sitzt.
Die Krimeinwohner Senzow und Koltschenko waren im Mai 2014 in Simferopol
verhaftet und nach Moskau verlegt worden. Das russische Gericht ging davon
aus, dass beide im Zuge des „Krim-Anschlusses” automatisch Bürger der
Russischen Föderation wurden.
## Sprengung einer Lenin-Statue
Die Anklage warf Senzow Waffenschmuggel sowie die Gründung einer
terroristischen Organisation auf der Krim vor, die mehrere Brandanschläge
auf Zentralen prorussischer Parteien und Vereinigungen verübt htte. Unter
anderem soll der 39-jährige Senzow die Sprengung einer Lenin-Statue in
Simferopol geplant haben. Sein Ziel sei es gewesen, die Situation auf der
Krim nach dem Referendum und der „Wiedervereinigung” mit der Russischen
Föderation zu destabilisieren.
Außerdem legte man Senzow und Koltschenko zur Last, Mitglieder der
inzwischen in Russland verbotenen ultranationalistischen paramilitärischen
ukrainischen Organisation „Rechter Sektor“ zu sein.
Die Verteidigung wies diese Anschuldigungen als absurd zurück, da keinerlei
Beweise vorgelegt wurden. Koltschenkos Anwältin, Swetlana Sidorkina,
betonte in ihrem Schlussplädoyer, dass „dieser Fall ein Knäuel an
fabrizierten und unzulässigen Beweisen ist, der als eine der
schmachvollsten Seiten der russischen Gerichtsbarkeit in die Geschichte
eingehen wird“.
Senzows Cousine, die Filmregisseurin Natalja Kaplan, räumte ein, dass sie
nicht mit diesem hohen Strafmaß gerechnet habe. „Ich fürchte, dieses Urteil
ist erst der Anfang massiver Repressionen. Die Mächtigen haben wahnsinnige
Angst und wissen schlicht nicht, was sie tun sollen. Anders ist diese
Hirnlosigkeit nicht zu erklären.“
## Schläge und Vergewaltigungsdrohungen
Der Filmemacher hatte vor Gericht mehrfach über Schläge,
Erstickungsversuche und Vergewaltigungsdrohungen berichtet, die er in der
Untersuchungshaft ertragen musste. „Bereits am ersten Tag meiner
offiziellen Haft wurde mir ganz offen gesagt, dass 20 Jahre Kolonie in
meinem Fall schon eine beschlossene Sache seien“, hatte Senzow zu Beginn
des Prozesses erklärt. Am Dienstag erklärte er in seiner Abschlussrede:
„Ein Gericht der Besatzer kann per definitionem nicht gerecht sein. Nichts
Persönliches, Euer Ehren!”
Senzows Anwalt Dmitrij Dinze kündigte an, dass die Verteidigung plane, beim
Obersten Gericht Russlands Berufung einzulegen. „Sobald das Urteil
rechtskräftig wird, reichen wir eine Klage beim Europäischen Gericht für
Menschenrechte ein und werden versuchen, Senzow und Koltschenko zur
Verbüßung der Haftstrafe in die Ukraine zu verlegen.“
Aus dem Russischen von Irina Serdyuk
25 Aug 2015
## AUTOREN
Anna Gordijenko
## TAGS
Russland
Krim
Oleg Senzow
Ukraine
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