# taz.de -- Rassismus der Nachkriegszeit: „Ein rassisches Problem“ | |
> Bestenfalls unbeholfen debattierte Bremen Anfang der 1950er-Jahre, wie | |
> mit schwarzen Babys zu verfahren sei. Ihre Mütter wurden als Ami-Huren | |
> diffamiert | |
Bild: Ringelreihen ohne offensichtlichen Rassismus um 1950 | |
Bremen | taz Anfang der 1950er-Jahre: Der Stiefvater von Georg* folgt seit | |
einigen Tagen seinen Sohn heimlich auf dem Schulweg. Er will ihn vor | |
Hänseleien anderer Kinder schützen. Der Grund: Die Hautfarbe. Georg ist für | |
die westdeutsche Gesellschaft kein gewöhnliches Kind. Er ist schwarz – sein | |
Vater ein afroamerikanischer Soldat. Diese Geschichte geht aus einer | |
Ausgabe der Bremer Nachrichten von 1952 hervor. | |
Nach der Befreiung durch britische Soldaten vor 70 Jahren, gehörte das | |
Nachkriegs-Bremen zur Amerikanischen Besatzungszone. Schon bald flirteten | |
junge GIs mit deutschen Fräuleins und hinterließen ihre Spuren in der | |
Stadt: Kinder kamen zu Welt, sogenannte Besatzungskinder. Die Sichtbarsten | |
unter diesen Neugeborenen waren die Kinder aus Beziehungen schwarzer | |
US-Soldaten mit deutschen Frauen – die „Brown Babies“. | |
So zumindest wurden sie vor allem in den USA bezeichnet. In Deutschland | |
hingegen wurden sie als „Mischlingskinder“ betitelt und oft als deutliches | |
Zeichen der deutschen Niederlage gegenüber den Alliierten wahrgenommen. | |
Bremen ist dabei kein Einzelfall. Laut Statistischem Bundesamt wurden bis | |
1956 etwa 5.000 „Brown Babies“ in Westdeutschland geboren – davon 100 in | |
Bremen. Zwar lebten bereits vor 1945 Schwarze in Deutschland, aber die Zahl | |
der überall im Bundesgebiet geborenen nichtweißen Besatzungskinder löste | |
gesellschaftliche Debatten aus. | |
Aus den Sitzungsprotokollen des Deutschen Bundestages wird der Stand des | |
damaligen Diskurses deutlich: Die „Negermischlinge“, so sagt es | |
CDU-Abgeordnete Luise Rehling in einer Bundestagsdebatte im März 1952, | |
stellten „ein menschliches und rassisches Problem besonderer Art“ dar. Denn | |
„schon allein die klimatischen Bedingungen in unserem Lande“ seien ihnen | |
„nicht gemäß“, so Rehling. Im gleichen Jahr erschien der Film „Toxi“ … | |
Regisseurs R.A. Stemmle über das Mädchen Toxi. | |
Das Happy End des Melodrams besteht laut dem Spiegel darin, dass „der | |
richtige Negerdaddy aus den Staaten“ anreist und „die Problemstellung des | |
Films wieder aufhebt“: Er nimmt seine Tochter mit in die USA. | |
Über die „Brown Babies“ in Bremen finden sich zahlreiche Dokumente im | |
Staatsarchiv. Auch das Jugendamt Bremen ordnete den Kindern damals das | |
Schlagwort „Mischlingskinder“ als rassistisches Kriterium zu. Laut einer | |
Auflistung aus dem Jahr 1952 lebten die meisten dieser Kinder in Bremen in | |
ärmeren Stadtteilen, fast die Hälfte in den traditionellen Arbeitervierteln | |
Gröpelingen und Walle. | |
Die Mütter kümmerten sich meist alleinerziehend um ihre Kinder und bekamen | |
in der Mehrheit staatliche Unterstützung. Laut der Historikerin Silke | |
Satjukow waren die Väter als alliierte Soldaten gesetzlich nicht | |
verpflichtet, sich um ihre Sprösslinge zu sorgen. Oft wurde behauptet, die | |
Mütter – als „Negerflittchen“ oder „Ami-Hure“ diffamiert – wären … | |
aufgrund finanzieller Vorteile solche Beziehungen eingegangen. Der Hass auf | |
sie wog schwer: Vor allem Kriegsheimkehrer und ehemalige HJ-Mitglieder | |
schnitten ihnen häufig die Haare ab, so die Berliner Historikerin | |
Yara-Colette Lemke Muniz de Faria. | |
Auch in Bremen führte die Hautfarbe der Kinder zu zahlreichen zutiefst | |
rassistisch geprägten Debatten: „Die Zukunftsaussichten für diese | |
körperlich und seelisch sehr empfindlichen Kinder sind gemischt, wie ihr | |
Blut“, hieß es in einem Artikel der sozialdemokratischen Bremer | |
Volkszeitung aus dem Jahr 1951 mit der Überschrift „Neger adoptieren | |
Mischlingskinder aus Bremen“. 1952 berichten die Bremer Nachrichten über | |
die Einschulung von vier schwarzen Kindern und die Debatte darüber | |
innerhalb der Schulbehörde, ob die schwarzen neben den weißen Kindern auf | |
der Schulbank sitzen oder für sie eine Extraklasse hätte geschaffen werden | |
sollen. | |
„Was soll nur aus den 47 Mulattenkindern unserer Stadt werden?“, fragt der | |
Autor und kommt wie die Schulbehörde zu dem Ergebnis, dass es richtig sei, | |
sie mit den anderen Kindern einzuschulen: „Die kleinen Mischlinge sind | |
Jungs und Deerns wie die anderen. Das mit der Hautfarbe? Nun, die konnten | |
sie sich nicht wünschen.“ | |
Auch der Autor aber meint: „Das Blut ist nicht auf den deutschen Winter | |
eingestellt“, als er einen Grund dafür sucht, dass das schwarze Mädchen | |
Margaret* im Winter eher zu Hause bleibt. Wenn die schwarzen Kinder | |
erwachsen seien, würde sie „ihre Sehnsucht sicher in die Länder ihrer Väter | |
treiben“. | |
Nach der Einschulung der ersten „Brown Babies“ 1952 ebbte das Interesse | |
wieder ab und flammte erst mit ihrem Berufseinstieg um 1960 wieder auf, | |
stellt Muniz de Faria fest. Letztendlich zeige der Umgang mit diesen | |
Kindern, dass Rassismus keineswegs mit 1945 endete, sondern in der | |
Nachkriegszeit deutlich präsent war. | |
Aus den Akten des Jugendamts wird deutlich, dass rassistische Vorurteile | |
zum Alltag in Bremen gehörten. Mindestens auf der Straße waren | |
diskriminierende Sprüche weit verbreitet. Das Kind Rolf Heiner* sei | |
mehrmals „auf der Straße durch andere Kinder gehänselt und beschimpft“ | |
worden, steht da in einer Akte des Jugendamtes und, dass er als „oller | |
Negerjunge“ bezeichnet worden sei. Ein anderes Kind habe sich täglich in | |
der Badewanne geschrubbt und gescheuert mit dem Wunsch „weiß“ zu werden. | |
In einem Artikel des Weser-Kuriers aus dem Jahr 1959 wird eine Untersuchung | |
des Hamburger Psychologischen Instituts aus dem gleichen Jahr zitiert. | |
Demnach sollen die Kinder „häufig auf irgendeine Form der Ablehnung“ | |
gestoßen sein. Vorurteile seien in der deutschen Bevölkerung weit | |
verbreitet. Viele Eltern anderer Kinder würden diesen verbieten, mit | |
„Farbigen“ zu spielen. | |
NaN NaN | |
## AUTOREN | |
Thomas Kreutz | |
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