Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Promi Big Brother: Alle rein in den Sportlercontainer!
> Exfußballer David Odonkor ist drin, Extennisprofi Daniel Köllerer auch,
> und Nino de Angelo fuhr früher Autorennen. Was wollen die da?
Bild: Früher Nationalspieler, jetzt im TV-Container: David Odonkor.
„Free Odonkor!“, ruft derzeit das Fachblatt 11 Freunde. Dass David Odonkor
derzeit im „Promi Big Brother“-Container von Sat1 sitzt, wo der frühere
Nationalspieler im Kreis von mehr oder weniger prominenten Prominenten
angeglotzt werden kann, gilt dem Blatt als „würdelos“.
Viele Sportler haben es in der Tat bislang nicht in die Trashshows des
deutschen Fernsehens geschafft, in die „Dschungelcamps“ und „Bachelors“…
die „Frauentauschs“ und „Big Brothers“. Aber David Odonkor ist nicht der
Erste und derzeit nicht der Einzige: Mit ihm ist der frühere
Davis-Cup-Spieler und Tennisprofi Daniel Köllerer im Voyeurcontainer, auch
Schlagersänger Nino de Angelo hatte früher eine DTM-Lizenz im Motorsport.
Und von den RTL-„Dschungelcamp“-Sendungen kam kaum eine Staffel ohne
Exsportler aus: Ailton, Jimmy Hartwig und Eike Immel waren Fußballprofis,
und mit Hochspringer Carlo Thränhardt und Schwimmer Thomas Rupprath waren
frühere Weltrekordhalter dabei.
Auch Sportstars können pleitegehen, verzweifelt sein und nach jedem
gereichten Geld greifen, zumal solche, die ihren Sport als Profis und für
die Zeit danach keine Vorsorge betrieben.
David Odonkor hat erst im Mai seinen Trainerjob beim Westfalenligisten TuS
Dornberg in den Sack gehauen. Dies und seine Prominenz von der WM 2006, als
er gegen Polen das entscheidende Tor vorbereitete, machen ihn zum idealen
„Big Brother“-Kandidaten. Zudem sagt man vielen Sportlern – vermutlich
nicht ganz zu unrecht – nach, das Niveau des Trashs nicht allzu sehr nach
oben zu treiben und die Quote nicht zu gefährden.
Im Container sorgte Odonkor mit Berichten über seine Kindheit für
Aufmerksamkeit. „Mein Vater war weg, als ich sechs war. Seitdem haben wir
keinen Kontakt“, erzählte er in vermeintlich privater Atmosphäre und lobte
seine Mutter: „Dass die das alles geschafft hat – Respekt. Überhaupt: Was
Frauen alles leisten, Mutter hin oder her, Hut ab!“ Das passt zum Trash.
## Das Ausplaudern von Kabinengeheimnissen
Hinzu kommt der tendenziell eher frugale Lebensstil von Sportlern: Statt
Charity-Bällen und Partys nach Filmpremieren müssen sie meist früh ins
Bett, weil am nächsten Morgen die Laktatbestimmung und das Ausdauertraining
auf dem Programm stehen. Das wiederum hat zur Folge, dass man viele private
Seiten von Spitzenfußballern kaum kennt – und sich entsprechend das
Ausplaudern von Kabinengeheimnissen erhofft.
Und es hat zur Folge, dass Exsportler eine Art Mittlerfunktion zwischen
durchgedrehtem It-Girl aus reichem Hause und dem üblichen Sat1-Zuschauer
einnehmen: einerseits halbwegs nah dran am Glamour, andererseits immer noch
geerdet. Schließlich entstammen die meisten Profifußballer dem Milieu, das
man früher mal Arbeiterklasse nannte. Oder, in den Worten von Desiree Nick,
die schon mit Heinrich Prinz von Hannover liiert war, derzeit im Container
sitzt und davor im „Dschungelcamp“ für sich warb: „Für mich ist David
Odonkor eine Blüte, die hervorgehen kann aus einer Siedlung.“
Exsportler passen also vermutlich noch besser zum Fernsehtrash als die
derzeit dort sehr überrepräsentierten Castingshow-Exkandidatinnen. Das
fällt nämlich auch auf: Nach Sportlerinnen sucht man vergeblich. Keine
Magdalena Neuner, keine Franziska van Almsick, keine Tanja Szewczenko, und
die einzige deutsche Weltklassesportlerin, die sich einmal in ein ähnliches
Format verirrte – “Solitary“ auf ProSieben – war Magdalena Brzeska, und…
zog nach 40 Stunden freiwillig aus dem „Promiknast mit Schlafentzug“-Format
wieder aus. Die Sendung gibt es ja auch nicht mehr. Exsportlerinnen finden
sich vielmehr in nicht ganz so trashigen Formaten wie „Promi Shopping
Queen“ oder dem „Perfekten Promi-Dinner“.
Nach über 15 Jahren Erfahrung, die man im deutschen Fernsehen mit
Trashformaten hat, lässt sich das dort benötigte Sportlerprofil
einigermaßen umschreiben: Männlich soll er sein und früher erfolgreich.
Wenn er dann noch sympathisch ist, sind weitere Buchungen möglich. David
Odonkor soll also durchhalten.
20 Aug 2015
## AUTOREN
Martin Krauss
Elke Wittich
## TAGS
Trash
Kolumne Frühsport
Trash
Fernsehen
Wikipedia
Quizduell
## ARTIKEL ZUM THEMA
Athleten in der C-Promi-Unterhaltung: Sich durch den Dschungel boxen
Warum Sportler mit all ihren Fähigkeiten und ihrer Erfahrung für den
RTL-Trash so wichtig sind. Und wieso das gut ist.
Buch über Trash-Fernsehen: Hinter der Schattenwand
Unterhaltsam, aber nicht sehr tiefgehend: Anja Rützel hat über
Schundfernsehen und dessen Rezeptionswandel geschrieben.
Unterhaltungsformate im Fernsehen: Alles ein Einheitsbrei
Ein paar wenige internationale TV-Produzenten tun sich zusammen. Und
plötzlich laufen überall auf der Welt die gleichen Unterhaltungsshows.
Besessener Dokumentarist: Der Hannover-Fetischist
Bernd Schwabe will ganz Hannover auf Wikipedia dokumentieren und widmet
dieser Idee Woche um Woche bis zu 100 Stunden.
Deutsches Fernsehen 2014: „Leider. Wenig. Überraschend.“
Der Komiker Michael Kessler lässt das TV-Jahr Revue passieren: teurer
Fußball, mündige Zuschauer und falsche Rankings.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.