Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Aufmarsch von Rechten in Bad Nenndorf: Gegendemo vermiest Nazis die…
> Schon am Bahnhof blockieren Demonstranten Gleise, um die Rechten zu
> stören. Der „Trauermarsch“ geht unter, es regnet Konfetti.
Bild: Spendenlauf statt Trauermarsch – und so ein Neonazi kann marschieren.
Bad Nenndorf taz | In Bad Nenndorf wird der „Trauermarsch“ der
rechtsextremen Szene am Samstagnachmittag mit lautstarkem Protest zum
Schweigen gebracht. Kein Satz, kein Wort war außerhalb der im Kreis
aufgestellten Rechtsextremen zu hören. Am Wincklerbad können selbst nicht
alle Rechten den Reden folgen. „Bitte senken Sie die Lautstärke, damit die
Kundgebung ungestört verlaufen kann“, bittet die Polizei die
GegendemonstrantInnen. Der Protest wird stattdessen aber noch lauter.
Verärgert wettert Sven Skoda von der Partei „Die Rechte“ gegen die
Demonstranten, die „gehirnamputierten Scheinheiligen“. Wenn „jemand der
Gegendemonstranten an einem Hitzschlag sterbe“, so Skoda weiter, „dann
würden 200 Deutsche gerne auf das Grab pinkeln“.
Schon am Vormittag stand jedoch fest: Der Jubiläumsmarsch wird für die
Szene von NPD über Freie Kameradschaften und „Die Rechte“ kein Jubelevent.
Den zehnten Aufmarsch in der niedersächsischen Kurstadt können
Gegendemonstranten nachhaltig verzögern. „Wir bleiben zusammen! Wir bleiben
hier“ skandieren rund 300 Demonstranten gegen 10 Uhr auf dem einzigen
Bahnsteig des Bahnhofes, an dem auch die Rechtsextremen ankommen sollen.
Gelassen halten sie den Bahnsteig und einen Bahn besetzt, lesen Zeitung,
spielen Karten. Der friedliche Protest endet nach mehr als zwei Stunden,
als die Polizei einschreitet. Viele der Demonstranten müssen die Beamten
wegtragen, was nicht ohne Handgreiflichkeiten passiert. Die Beamten setzen
Pfefferspray ein, zwei Polizisten sollen durch einen Böller verletzt worden
sein.
Fast zeitgleich zu der Aktion am Bahnhof findet am jüdischen Gedenkstein
eine Kundgebung des Bündnisses [1][“Bad Nenndorf ist bunt“] mit rund 600
Teilnehmer statt – unterstützt vom Deutschen Gewerkschaftsbund. Der
Friedensbeauftragte der Hannoverschen Landeskirche, Lutz Krügener, ruft
dazu auf, den Rechtsextremen an allen Orten etwas entgegenzusetzen.
Statistisch brenne jeden Tag eine Flüchtlingsunterkunft, so der
evangelische Pastor: „Wir alle stehen gegen ein Denken, das Menschen nach
Hautfarbe, Geschlecht, Religion oder anderen Merkmalen sortiert.“ Mit Blick
auf die Geschichte des Trauermarsches sagt Niedersachsens Sozialministerin
Cornelia Rundt von der SPD: „Das starke, nicht nachlassende Engagement der
Bürgerinitiative ‚Bad Nenndorf ist bunt‘ hat erreicht, dass deutlicher
weniger Neonazis jährlich nach Bad Nenndorf kommen.“
Seit 2006 kommen die Rechtsextremen zu dem Wincklerbad in der Kurstadt am
Deister, um den Nationalsozialismus zu idealisieren und an die „Verbrecher
der Alliierten“ im Zweiten Weltkrieg und bis heute zu erinnern. In der
Nachkriegszeit diente das „Bad“ dem britischen Geheimdienst als
Verhörlager, in dem zunächst hochrangige Nazis inhaftiert waren und im
aufkommenden Kalten Krieg dann auch vermeintliche Kommunisten.
## Friedlicher Widerstand
Den Trauermarsch mit Trommeln und schweigenden Teilnehmern wollte das
rechte „Gedenkbündnis“ einst zu einem ihrer Aufmärsche aufbauen. Anfangs
folgten auch schon einmal 1.000 Teilnehmer dem „Ruf des Gewissens“. Mit den
Jahren aber wuchs der Widerstand – und die Teilnehmerzahl sank auf 200
Marschierende. „Der bunte, vielfältige und friedliche Widerstand der letzte
Jahren hat diesen Rücklauf bewirkt“, ist Jürgen Uebel, Vorsitzender von
„Bad Nenndorf ist bunt“, überzeugt. In einer Resolution haben unlängst al…
Fraktionen des Landtags in Hannover erklärt, dass dieses Engagement den
„Aufmarsch mittlerweile vom ehemals bundesweit drittgrößten Aufmarsch“
kontinuierlich hat schrumpfen lassen.
In diesem Jahr ist durch die Blockade am Bahnhof lange unklar, wie viele
Rechte aufmarschieren würden. Ein Großteil der Rechtsextremen muss ob der
nicht fahrenden Züge vor dem Marsch vom rund sieben Kilometer entfernten
Haste nach Bad Nenndorf laufen. Fast drei Stunden später als geplant zieht
dann der Tross von 180 Männern und Frauen die 850 Meter vom Bahnhof zum
Wincklerbad die Straße entlang. Etliche Tattoos sind überklebt, um nicht
erlaubte Symbole und Codes zu verdecken. Die meisten tragen weiße
Oberteile, eine Hommage an die SA, die weiße Hemden trug als sie
kurzfristig verboten war.
An der bunt geschmückten Route sind nicht bloß die gängigen
Anti-Rechts-Sprüche zu lesen. „Flink wie Windhunde! Zäh wie Leder! Und
großzügig wie noch nie!“ und „National und freigiebig“ steht auch auf
Transparenten. Erstmals hatte das Bündnis der Antidemonstranten einen
unfreiwilligen „Spendenlauf“ nach dem Vorbild einer Aktion im bayerischen
[2][Wunsiedel] organisiert. Für jede Minute unerwünschter Aufenthaltszeit
der Neonazis in der Stadt spendeten Privatleute und Unternehmer zehn Euro.
Am Nachmittag rechneten die Organisatoren mit einem Erlös von 2.400 Euro.
## „Die echten Deutschen“
Kurz vor dem Wincklerbad schallt den Rechtsextremen von mehreren Lokalen
nicht nur Party- und Protestmusik entgegen. Konfetti fliegt. Viele Anwohner
haben es sich nicht nehmen lassen, gerade an diesem Tag an der Route zu
einer Privatfeier zu laden.
Am Wincklerbad ankommen merkt man den Rechten an, dass der Lärm ihre Laune
trübt. Skoda versucht noch, bei der Polizei zu intervenieren. Angestrengt
schimpft er dann vor seinen Kameraden über das angebliche Scheiß-System.
Und Maria Fank vom NPD-nahen „Ring Nationaler Frauen“ beschwört die echten
Deutschen, die zu einem wahren Deutschland stünden. Der NPD-Kader Thomas
Wulff kann die angestrengt wirkenden Mitstreiter auch kaum erreichen.
Schnell kehrte der Tross zum Bahnhof zurück. „Das war ein schöner Tag für
uns“, sagte eine Anwohnerin auf einer Hotelterrasse und fügt hinzu:
„Nächstes Jahr feiern wir hier wieder.“ Bis 2030 ist der Marsch noch
angemeldet.
1 Aug 2015
## LINKS
[1] http://www.bad-nenndorf-ist-bunt.com/home.php
[2] /Antifaschistischer-Protest-in-Wunsiedel/!5028572
## AUTOREN
Andreas Speit
## TAGS
Schwerpunkt Neonazis
Aufmarsch
Demonstrationen
IG
Schwerpunkt Neonazis
Nazis
Schwerpunkt Neonazis
## ARTIKEL ZUM THEMA
Problem-Paar mit Hundefaible: Die Insta-Cop und der Nazi-Schläger
„Insta-Cops“ sollen das Image von Niedersachsens Polizei verbessern. Doch
eine von ihnen lebt mit einem bekannten Rechtsextremen zusammen.
Neonazi-Demo in Bad Nenndorf: Schule verschiebt Einschulung
Bad Nenndorf in Niedersachsen bereitet den Protest gegen einen Nazi-Umzug
vor. Zu viel für Abc-Schützen, sagt Rektor Rolke.
Naziaufmarsch in Bad Nenndorf: „Verpisst euch“
Über 1200 Menschen stellen sich den Rechten am Samstag in den Weg. Anders
als 2013 freuen sich die Anwohner über die Unterstützung der Autonomen.
Gefängnis für Neonazi: „Blockierern Finger abschneiden“
Dieter Riefling soll 12 Monate in Haft, weil er die TV-Moderatorin Mo
Asumang rassistisch angriff. Der 45-Jährige ist für Gewaltaktionen bekannt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.