# taz.de -- Fussball-WM 2018 in Russland: Dümmliche Niederlagen | |
> Am Samstag findet die Gruppen-Auslosung für die WM-Qualifikation statt. | |
> Der Zustand der russischen Mannschaft ist desolat. | |
Bild: Wurde in Russland rassistisch beleidigt: der brasilianische Fussballspiel… | |
MOSKAU taz | Die jüngste Geschichte des russischen Fußballs ist eine | |
Geschichte von unrühmlichen Niederlagen. „Krachende, spektakuläre | |
Schlappen“ könnten russische Fans verkraften, aber nicht diese „dümmlich | |
trotteligen Niederlagen“, meinte ein bekannter russischer Sportkommentator | |
zum Leistungsstand der russischen „sbornaja“. Just am Vorabend des ersten | |
Fußball-Großereignisses auf russischem Boden – der Gruppen-Auslosung für | |
die WM-Qualifikation in Sankt Petersburg 2018. | |
Die Ziehung findet an diesem Samstag und damit zu einem Zeitpunkt statt, an | |
dem in Russland am liebsten niemand an Fußball erinnert werden möchte. Der | |
Sport steckt in einer schweren Krise. Unklar ist, ob sich die Mannschaft | |
nach dem letzten verlorenen Spiel gegen Österreich überhaupt für die | |
Europameisterschaften im nächsten Jahr in Frankreich qualifizieren kann. | |
Bei der WM in Brasilien 2014 scheiterte das russische Team ohne einen | |
einzigen Sieg schon in der Vorrunde. | |
„Müssen wir uns das überhaupt noch antun?“, fragt das Boulevardblatt | |
Moskowskij Komsomolez und zählt stattdessen die jüngsten Errungenschaften | |
in anderen Sportarten auf. Von den Skierfolgen bei den Olympischen Spielen | |
in Sotschi 2014 bis zum Volleyball. Fußball sei schließlich weder die | |
Polizei, noch das Gesundheitswesen oder gar die Armee, auf die ein Staat | |
nicht verzichten könne. Aber der russische Fußball? Wer würde ihn | |
vermissen, wenn es ihn plötzlich nicht mehr gäbe? fragt Sportkolumnist | |
Alexej Ossin im Komsomolez. | |
In einer Umfrage des staatlichen russischen Meinungsforschungsinstituts | |
VZIOM gaben 73 Prozent der Befragten an, sie stünden Fußball gleichgültig | |
gegenüber. Noch vor einem Jahr waren es 52 Prozent, die dem Sport nichts | |
abgewinnen konnten. Lediglich 19 Prozent interessierten sich „hin und | |
wieder mal“ für Fußball. Auch hier waren es zwölf Prozent weniger als im | |
Vorjahr. Die Zahl der begeisterten Fans schrumpfte von 16 Prozent 2014 auf | |
zurzeit acht Prozent. | |
## Kein Geld für die Abfindung | |
Beobachter vermuten, dass auch das unappetitliche Gezerre um | |
Nationaltrainer Fabio Capello den Verdruss der Fangemeinde weiter befördert | |
hat. Russlands Fußballverband konnte sich von dem glücklosen italienischen | |
Coach nicht trennen, da das Geld für die Abfindung fehlte. Fans nahmen die | |
Sache selbst in die Hand und sammelten im Netz für eine schnelle Trennung. | |
Nun soll wieder ein Russe die sbornaja trainieren. | |
Der Beschluss passt zur Rückbesinnung auf die eigenen Kräfte, die Präsident | |
Wladimir Putin nach der Krim-Annexion und westlichen Sanktionen dem Land | |
verordnete. | |
Für die zweistündige Galaveranstaltung am Samstag verpflichtete Moskau das | |
Supermodel Natalja Wodjanowa und TV-Star Dmitrij Schepeljew als | |
Moderatoren. Beide repräsentieren den Glamour der unbeschwerten | |
Putin-Jahre, als das Land noch aus dem Vollen schöpfte. Sie sind | |
Aushängeschilder einer angepassten Generation, die dem Präsidenten | |
kritiklos ergeben ist. | |
Auch Sportskanone Putin nimmt an der Gala im Konstantinpalast teil. | |
Genaueres war der Website des Kreml nicht zu entnehmen. Der Saal wird | |
sicherlich vor Begeisterung für Putin glühen. Ob es der jungen Gefolgschaft | |
jedoch gelingt, Russland und den Fußball zu versöhnen? | |
## Putin müsste den Fussball meiden | |
Gewöhnlich bleibt der Präsident Veranstaltungen mit offenem Ausgang fern. | |
Den Fußball müsste er meiden. Denn dieser passt nicht zu seiner | |
Russland-Erzählung und dem Entwurf einer unschlagbaren russischen | |
Siegernation: im Felde, im Sport, intellektuell und in Fragen der Moral. In | |
aller Unbescheidenheit erweist sich die russische anderen Zivilisationen | |
überlegen. | |
Der Fußball kann nur ein Ausrutscher sein. Als Russlands U-19 Team neulich | |
in Griechenland unerwartet den Titel des Vizeeuropameisters holte, hievte | |
das staatliche Fernsehen das Endspiel noch in letzter Minute zur besten | |
Sendezeit ins Programm. Hoffnung flackerte auf, einer WM-Blamage 2018 noch | |
entkommen zu können. | |
Auf sich selbst konzentrieren und vom Westen nicht ins Bockshorn jagen | |
lassen, lautet die Devise. Entschieden verworfen wird inzwischen die | |
frühere Maxime, europäischen Fußball mit Geld nach Russland verpflanzen zu | |
können. In der Politik entspricht diese Abkehr dem verkündeten Schwenk | |
Moskaus in Richtung Asien. | |
Dennoch wird sich Putin in St. Petersburg als unschlagbarer Sportpolitiker | |
und Eventmanager präsentieren, dem es gelang, alle Großereignisse ins Land | |
zu holen. 100 Millionen Zuschauer dürften der Gala weltweit folgen. Moskau | |
bietet sich eine Chance, das eingetrübte Image etwas aufzupolieren. | |
Wäre da nicht wieder ein Vorfall, der die Grenzen zwischen überbordendem | |
Patriotismus und Rassismus verwischen würde. Als sich der Ghanaische | |
Spieler Emmanuel Frimpong letzte Woche mit einem Stinkefinger gegen | |
Affengeräusche aus dem Publikum der Spartak-Moskau-Fans wehrte, erhielt er | |
die Rote Karte. Sofort schaltete sich Sportminister und Exekutivkomitee | |
Mitglied der FIFA, Witali Mutko, ein und warnte, die tierischen | |
Fan-Geräusche nicht zu einem „Skandal aufzublasen“. | |
Ähnliche Erfahrungen machte auch der brasilianische Topstürmer Givanildo | |
Vieira de Souza, besser bekannt als Hulk, bei Zenit St. Petersburg. Hulk | |
ist auch einer der zehn Los-Assistenten bei der Gala. Weniger entsetzt | |
hatte ihn unterdessen das Verhalten der Zuschauer als das beredte Schweigen | |
des Spartak-Trainers. Rassismus ist in Russland kein Randgruppenproblem. | |
Längst ist er hoffähig. Für Witali Mutko existiert das Problem jedoch | |
nicht: „Wir reden einfach zu viel darüber“. | |
25 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Klaus-Helge Donath | |
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