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# taz.de -- Ethisch korrekte Kaviar-Firma geht pleite: Töten ist günstiger
> Vivace Caviar verspricht Luxus mit ethischem Anspruch, weil Störe vor der
> Eierernte nicht getötet werden. Jetzt meldete die Firma Insolvenz an.
Bild: Der Störfaktor der Kaviargewinnung: Die Verbraucher konnte die tötungsf…
Berlin taz | Mit großen Erwartungen ist die erste deutsche Fischfarm für
ethisch korrekten Kaviar an den Start gegangen. Doch schon rund anderthalb
Jahre nach der ersten Kaviarernte musste das Unternehmen Vivace Caviar aus
Loxstedt bei Bremerhaven Ende Juli Insolvenz anmelden. Zu wenig Verbraucher
interessierten sich für den Fischeiergenuss, dem kein Blutvergießen
vorangeht.
Beim konventionellen Herstellen des Luxuslebensmittels sterben tonnenweise
Störe. Die 2010 von der Meeresbiologin Angela Köhler und drei weiteren
Mitstreitern gegründete Firma dagegen ist angetreten, um den Kaviarmarkt
mit einer Alternative aufzurütteln, die das massenhafte Abschlachten der
Fische obsolet machen soll. Die Methode, die Köhler am Bremerhavener
Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) entwickelt
hatte, erschien durchaus viel versprechend.
Die Tötung der Störe ist bei der Kaviargewinnung normalerweise notwendig,
weil nur unreife Eier resistent genug sind, um die spätere Verarbeitung
schadlos zu überstehen. Bei dem Vivace-Verfahren dagegen warten die
Fischhalter ab, bis die Eier reif sind und von den Eierstöcken in die
Bauchhöhle gelangen. Durch eine sanfte Bauchmassage lassen sich dann die
Eier ernten, wie es im Fachjargon heißt. Beim nächsten Laichen ein Jahr
später kann der Prozess von vorne beginnen.
Der Clou an der Technik besteht darin, dass dem Störweibchen unter anderem
mittels Licht- und Klangtechnik vorgaukelt wird, soeben befruchtet worden
zu sein. Dadurch wird eine chemische Reaktion ausgelöst, die die Eier
wieder in den unreifen und damit härteren Zustand zurückverwandelt. Bei der
Ernte wird somit laut Unternehmen die gewohnte Qualität erreicht, wie sie
Kaviarfans auf der ganzen Welt schätzen. Die Geschäftsidee überzeugte
Investoren, die Geld für die 7.500 Quadratmeter große Produktionsfläche zur
Verfügung stellten. Mehr als 7.000 Störe leben dort in Aquakultur, rund
fünf Tonnen Kaviar sollten jährlich produziert werden.
## Chinesisches Pendant 50 Prozent günstiger
Umso enttäuschter gab sich jetzt Vivace-Geschäftsführer Thomas Bauer: „Der
Kaviarabsatz ist nicht so vorangegangen wie gewünscht.“ Weil ein
Hauptinvestor abgesprungen sei, hätten die Verbindlichkeiten nicht mehr
bedient werden können. Allein die laufenden monatlichen Kosten bezifferte
Bauer auf 160.000 bis 200.000 Euro. Verantwortlich für die Misere ist für
Bauer die Konkurrenz aus China. „Bei den Dumpingpreisen sind wir nur schwer
konkurrenzfähig“, sagte er. Während der Kilopreis bei einer 30-Gramm-Dose
mit sibirischem Vivace-Kaviar bei knapp 2.000 Euro liegt, wird das
chinesische Pendant bis zu 50 Prozent günstiger angeboten. Sich auf dem
„geschlossenen Kaviarmarkt“ zu behaupten sei „extrem schwierig“, so Bau…
Doch das ist wohl nicht das einzige Problem. Dem Sender NDR sagte ein
Feinkosthändler, dass der Vivace-Kaviar einfach „nicht so gut gewesen sei
wie der von herkömmlich gewonnenen Fischeiern“.
Unklar ist auch, ob das von Vivace-Gründerin Angela Köhler entwickelte
Verfahren tatsächlich das erste ist, bei dem die Fisch die Eiabgabe
überleben – wie die Werbung glauben machen will. Für Nachfragen stand das
Unternehmen nicht zur Verfügung.
## Tötungsfrei ist effizient
Beim Umweltverband WWF sind die Expertinnen von der Vivace-Eigenwerbung
überrascht. „In Russland ist es schon seit Jahren gängige Praxis, dass in
Aquakulturen Kaviar geerntet wird, ohne dass die Störe dabei getötet
werden“, sagte Störschutzexpertin Jutta Jahrl der taz. Dort, aber auch bei
Vivace, gehe es „wohl in erster Linie um Effizienz“. Denn auf diese Weise
könne ein Stör bis zu siebenmal „verwendet“ werden. Die konventionelle
Kaviarherstellung will Jahrl nicht „pauschal kritisieren“. Immerhin werde
das komplette Fleisch der getöteten Störe „in der Regel weiterverarbeitet�…
sagte sie.
Bei Vivace Caviar wurde aus der bisherigen GmbH mittlerweile eine neues
Unternehmen geformt, „auch, um die Anfragen internationaler Kunden
befriedigen zu können“ und um die „Gewinnung strategischer Investoren zu
vereinfachen“, wie Geschäftsführer Bauer in einer Erklärung wissen lässt.
Der Betrieb in Loxstedt geht weiter, inklusive dem vermeintlichen
Alleinstellungsmerkmal: „Kaviar aus tötungsfreier Störhaltung“.
2 Aug 2015
## AUTOREN
Daniel Segal
## TAGS
Artgerechte Tierhaltung
Aquakultur
Fische
Ethik
Tiere
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