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# taz.de -- Machtkampf in der Türkei: Die HDP zwischen den Fronten
> Die Debatte erinnert an die Auseinandersetzungen zwischen PKK und Armee
> vor zehn Jahren. Das zeigt auch eine Sitzung des Parlaments.
Bild: Schuldzuweisungen: Premier Ahmet Davutoglu im Parlament in Ankara.
Istanbul taz | Nach knapp einer Woche türkischer Luftangriffe auf Lager der
kurdischen Arbeiterpartei PKK im Nordirak – von Luftangriffen auf
IS-Stellungen hört man nichts mehr – dreht sich die Gewaltspirale in der
Türkei immer schneller.
Nachdem die Kampfflugzeuge am Mittwoch die bislang schwersten Angriffe auf
vermeintliche Stellungen der PKK durchgeführt hatten, wurden am Donnerstag
zunächst ein Polizist in Diyarbakır und am Nachmittag drei Soldaten unweit
der türkisch-irakischen Grenze getötet.
Zwar hat sich die PKK bislang nicht dazu bekannt, aber Politiker und
Sicherheitskräfte gehen davon aus, dass es sich dabei ohne jeden Zweifel um
PKK-Angriffe handelt. Es ist, als wäre die Zeit um mehr als zehn Jahre
zurückgedreht worden, in die Periode schwerster Auseinandersetzungen
zwischen PKK und türkischer Armee.
Entsprechend hysterisch ist der Ton auf beiden Seiten. Während die PKK vom
„faschistischen Staat“ spricht, als hätte es nie Gespräche mit diesem Sta…
gegeben, sind für die regierende AKP wieder alle Terroristen, die den Sinn
der Militärschläge auch nur vorsichtig anzweifeln.
## Parlamentskommission abgelehnt
Ein Beispiel war eine Sondersitzung des Parlaments am Mittwoch. Redner der
kurdisch-linken HDP wurden regelrecht niedergemacht, wenn sie versuchten,
an die Vernunft zu appellieren und die Rückkehr zu Verhandlungen
verlangten. Die Forderung der Opposition, eine Parlamentskommission
einzusetzen, die die „Antiterror-Maßnahmen“ der Regierung überwachen soll,
wurde von der Mehrheit der AKP und der nationalistischen MHP abgelehnt.
Mittlerweile greift die AKP die HDP nicht mehr nur verbal an, sondern
versucht, wichtige Mitglieder der Partei zu kriminalisieren. Ein hoher
AKP-Funktionär hat auf „Anregung“ von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğ…
verschiedene HDP-Abgeordnete angezeigt, weil sie dringend verdächtig seien,
mit „Terroristen“ zusammenzuarbeiten.
Im Fokus steht dabei vor allem der Spitzenkandidat und Kovorsitzende der
HDP, Selahattin Demirtaş. Nicht zuletzt Dank seiner Popularität war es der
HDP bei der Wahl am 7. Juni gelungen, mit 13 Prozent ins Parlament
einzuziehen und damit die AKP um ihre absolute Mehrheit zu bringen. Deshalb
soll er jetzt zum Schweigen gebracht werden. Die türkische
Staatsanwaltschaft hat einem Medienbericht zufolge bereits Ermittlungen
gegen Demirtas, eingeleitet.
## Hexenjagd auf kurdische Politiker
Auch diese Hexenjagd auf wichtige kurdische Politiker, die als einzige dazu
in der Lage wären, zwischen Regierung und Guerilla zu vermitteln, erinnert
fatal an die dunklen 90er Jahre. Schon einmal, 1994, wurde die Immunität
von vier kurdischen Abgeordneten, die als Unabhängige auf einer
sozialdemokratischen Liste ins Parlament gekommen waren, aufgehoben und die
PolitikerInnen, unter ihnen Leyla Zana, zu 15 Jahren Haft verurteilt.
Nicht zuletzt diese Kriminalisierung kurdischer PolitikerInnen hatte damals
den Bürgerkrieg noch einmal richtig angeheizt. Leyla Zana ist jetzt wieder
als HDP-Abgeordnete im Parlament.
Demirtaşhat angekündigt, man werde die Kriminalisierung einzelner
Abgeordneter nicht hinnehmen. In dem Fall, dass gegen Mitglieder der
HDP-Fraktion die Aufhebung der Immunität vom Staatsanwalt beantragt wird,
werde man selbst die Aufhebung der Immunität aller 80 HDP-Abgeordneten
beantragen.
Eine Mehrheit von AKP- und MHP-Abgeordneten wird aber wohl für die
Aufhebung der Immunität aller HDP’ler im Parlament stimmen. Beide Parteien
streben mittlerweile mehr oder weniger offen eine Neuwahl im Herbst an und
beide wollen die HDP im Vorfeld dieser Neuwahlen als
„Terror-Sympathisanten“ abstempeln.
30 Jul 2015
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
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