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# taz.de -- Schießerei in Tennessee: „Das Leben ist kurz und bitter“
> Ein Mann hat vier Soldaten erschossen und starb bei der Schießerei
> selbst. Er hatte ein Rekrutierungs- und ein Trainingszentrum der Armee
> angegriffen.
Bild: FBI-Mitarbeiterinnen untersuchen den Tatort
NEW YORK taz | Die neueste schwere Schießerei in den USA fand am Donnerstag
nicht in einer Schule oder einer Kirche, sondern vor zwei Militäranlagen in
Chattanooga in Tennessee statt. Ein schwer bewaffneter junger Mann
eröffnete das Feuer aus einem offenen Cabriolet. Weniger als eine halbe
Stunde später waren fünf Menschen – vier Soldaten sowie der Schütze – to…
Drei weitere waren verletzt.
Die Justiz in Tennessee sprach – anders als bei den vorausgegangenen
Massakern – umgehend von dem Verdacht auf „Terrorismus“. Schon am Mittag,
als weder der Name des Schützen noch etwas über seinen Hintergrund oder
seine Motive bekannt war, erklärte Staatsanwalt William Killian: „Wir
ermitteln wegen heimischem Terrorismus“. Die großen Fernsehsender
unterbrachen ihr Programm, und ihre „Experten“ erörterten einen möglichen
Zusammenhang mit Drohungen der Terrorgruppe IS gegen Soldaten der USA.
Mohammad Youssef Abdulazeez war gegen 10.45 Uhr auf dem Parkplatz eines
Einkaufszentrums in Chattanooga vorgefahren und hatte von dort aus das
zwischen Geschäften und Schönheitssalons gelegene Rekrutierungszentrum der
Armee beschossen. Dabei wurde ein Polizist verletzt. Anschließend fuhr der
Schütze rund sieben Meilen weiter zu einem Trainingszentrum der Navy. Die
Polizei verfolgte ihn. Und eröffnete ihrerseits das Feuer. Nach Ansicht von
Augenzeugen sollen „Hunderte“ von Schüssen gefallen sein.
Am Ende waren vier Mitglieder der Elite-Navy-Truppe Marines sowie der
Schütze tot. Wessen Kugeln wen getötet haben, war zunächst unklar. Die
Ermittler erklärten zwar, sie hätten den Schützen „neutralisiert“. Doch …
Special Agent Ed Reinhold sagte, er könne noch nicht sagen, ob er sich
selbst erschossen habe oder von der Polizei erschossen wurde.
## Flüchtling aus Kuwait
Der 24-jährige Schütze kam als Kleinkind in die USA, als seine Eltern nach
Beginn des ersten Golfkriegs aus Kuwait flüchteten. Er wuchs in einem
gediegenen Mittelschichtstadtteil von Chattanooga auf, betrieb Ringkampf
als Freizeitbeschäftigung und absolvierte nach der High School ein Studium
als Elektroingenieur. Anschließend hat er unter anderem bei dem großen
staatlichen Energieunternehmen „Tennessee Valley Authority“ ein Praktikum
gemacht. So weit bekannt hatte er die US-amerikanische Staatsangehörigkeit.
Dem FBI war Abdulazeez bis zum Donnerstag nicht bekannt. Hingegen hatte die
örtliche Polizei ihn im April festgenommen, weil er betrunken Auto gefahren
war. Auf dem Polizeifoto trägt er einen Vollbart, über dessen Bedeutung
seit Donnerstag in den USA gerätselt wird. Bis kurz vor seiner
alkoholisierten Festnahme soll Abdulazeez sein Gesicht glatt rasiert haben.
Am Ende seiner Schulzeit schrieb der beliebte und von ehemaligen
Mitschülern als witzig und kontaktfreudig beschriebene Junge in das
Jahrgangsbuch: „Mein Vorname versetzt die nationale Sicherheit in
Alarmzustand. Wie steht es mit Deinem Namen?“
Gegen Ende seines Lebens scheint er sich in einem Blog mit Religion befasst
zu haben. Die Ermittler haben zwei Blogeinträge von ihm gefunden, die er am
13. Juli – vier Tage vor der Schiesserei – veröffentlicht hat. Darin
schrieb er unter anderem zwei Dinge: „Das Leben ist kurz und bitter.“ Und
Muslime sollten sich „Allah unterwerfen“.
Im Weißen Haus nahm [1][Barack Obama wenige Stunden nach der Tat in
Chattanooga ein Video] auf, in dem er – nur vier Wochen nach dem Massaker
von Charleston – erneut Angehörigen sein Beileid aussprach. Und in dem er
erneut die ganze Nation zum Beten für die Opfer aufforderte. Der Präsident
sagte auch, dass es sich nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen um
einen Einzeltäter handele.
## Selbstverteidigung und Islamismus
Doch die üblichen Verdächtigen in Medien und Politik wollten bereits mehr
wissen. Der rechte Kommentator Charles Krauthammer sagte auf Fox News:
„Aller Wahrscheinlichkeit nach ist hier der radikale Islam am Werk.“
Gleichzeitig ereiferten sich zahlreiche US-Amerikaner in Online-Foren und
auf den Leserbriefseiten der Zeitungen gegen die Regel, dass „Marines“ in
ihren Dienststellen in den USA keine Waffen tragen dürfen. Tenor: „Sie
kämpfen für unser Land und dürfen sich zuhause nicht einmal selbst
verteidigen.“
Die „Islamic Society“ in Chattanooga verurteilte die Tat umgehend auf die
„strengst mögliche Art“. Auch zahlreiche andere muslimische Gruppen in den
USA reagierten schnell und mit einer Mischung aus Wut auf den Täter und
Sorge wegen der Schießerei. In New York verfasste die [2][Aktivistin Linda
Sarsour, die gegen Islamophobie und andere Formen von Rassismus aktiv ist,
einen bitteren Tweet]: „Gerade wenn Du spürst, dass Du zehn Schritte voran
gekommen bist, haut es Dich bis zum Anfang zurück“.
17 Jul 2015
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=F8SSY0Vh_gw
[2] https://twitter.com/lsarsour/status/621829353375145984
## AUTOREN
Dorothea Hahn
## TAGS
USA
Islamismus
US-Army
Schwerpunkt Rassismus
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Flaggenstreit
Todesstrafe
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