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# taz.de -- Eutiner Festspiele: Zum Geburtstag ein Skandal
> Die Eutiner Festspiele trennen sich von der erfolgreichen
> Geschäftsführerin, weil ein neuer Gesellschafter dafür einen Ehrenamtler
> wünscht
Bild: Erinnert an dramatische Szenen aus „Troubadour“: Die Personalpolitik …
Hamburg | taz Zum 64. Geburtstag schenken sich die Eutiner Festspiele einen
neuen Skandal: Die erst vorigen Herbst eingestellte Geschäftsführerin
Sabine Kuhnert wird zum 30. September abberufen. Juristisch ist das
korrekt. Ihr Vertrag lief für ein Jahr, also hat der Beirat der „Neuen
Eutiner Festspiel GmbH“ jedes Recht, ihn nicht zu verlängern.
Bizarr ist nur, dass Kuhnert davon erstens aus der Zeitung erfuhr und dass
es zweitens keine Kritik an ihrer Amtsführung gibt. Im Gegenteil: Endlich
schreiben die Festspiele schwarze Zahlen – auch, weil man am Profil gedreht
und die unrentable Gala durch eine breitentaugliche Filmnacht ersetzt hat.
Mit Sabine Kuhnert hatte man im Oktober 2014 zudem eine Geschäftsfrau
gewonnen, die bereits „Unternehmerin des Jahres“ war und nicht nur ein Team
mit Kartenzentrale, Verwaltung, Marketing und künstlerischem Betriebsbüro
aufbaute, sondern auch ein neues Controlling.
„Ich bin froh, dass wir sie so schnell gefunden haben“, hatte Klaus Hoth
damals gesagt, der Vorsitzende der Wirtschaftsvereinigung Eutin (WVE), die
die Festspiele betreibt. Kuhnert werde Schwung und Nachhaltigkeit bringen.
Sie tat, wie ihr geboten – genützt hat es nichts. Ausgerechnet im Vorjahr
des 65. Festspieljubiläums entledigt man sich ihrer – mitten in der Saison.
Es ist nicht die erste Eutiner Selbstsabotage: Seit 2009 sind die zunächst
von der Stadt finanzierten Festspiele mit Defiziten und Fehlplanungen durch
die Sommer gerumpelt. 2011 hat sich die WVE erbarmt und das
1,5-Millionen-Budget des Festes fortan in einem Mix aus öffentlichen
Zuschüssen, Eigenkapital, Sponsoren- und Eintrittsgeldern gestemmt. Das
Festival bringe Touristen nach Eutin und dürfe nicht sterben, fanden die
rund 80 Eutiner Kaufleute, Gastronomen, Handwerker und Dienstleister, die
die WVE vertritt.
Das ist löblich, aber Erkenntnis gebiert nicht immer Kompetenz. Die von der
WVE ersonnene Personalstruktur etwa blieb so unstet wie zuvor: Da gab es
eine bunte Mischung aus Geschäftsführern, künstlerischen und technischen
Direktoren, Gesamt- und Teil-Intendanten, mal zeitgleich tätig, mal
nacheinander. Die meisten warfen bald hin oder wurden entlassen.
So auch jetzt, nur, dass man mit der Abberufung Kuhnerts ein auch
persönlich funktionierendes Team zerreißt: Sie fühle sich übergangen, sagt
Intendantin Dominique Caron. Und ob der technische Direktor Arend Knoop
ohne Kuhnert weitermacht, ist offen.
In der Tat war die Beirats-Entscheidung gegen Kuhnert knapp. Von einer
einzigen Stimme als Zünglein an der Waage ist die Rede, plausible Gründe
fehlen. Auch der taz gegenüber sagt Beiratsvorsitzender Hans-Wilhelm Hagen
verdruckst: Es gebe zwar kein finanzielles Defizit, aber man wolle „ein
neues Anforderungsprofil“ im kaufmännischen Bereich. Für die Sicherung des
Festivals müsse man „den Weg frei machen für neue Strukturen“.
Sabine Kuhnert, eine Belastung? „Nein“, sagt er. Er habe keine
Beanstandungen. In der Tat liegt der wahre Grund tiefer: Die WVE verhandelt
derzeit mit weiteren Gesellschaftern, die die 35.000 Euro Eigenkapital der
WVE verdoppeln sowie weitere 90.000 Euro Risikokapital bringen sollen.
Diese Gesellschafter in spe haben wohl Forderungen gestellt, die mit dem
Geschäftsführerposten zusammenhängen. „Wir wollen die Intendanz stärken�…
sagt Hagen; es klingt aus dem Munde eines Bänkers wenig plausibel, braucht
ein chronisch defizitgefährdetes Festival doch eher Kaufleute als
künstlerisches Personal.
Der Vorgang müsse mit ihrer Person zu tun haben, mutmaßt Kuhnert, die „an
der bisherigen Zusammenarbeit nichts auszusetzen hat“. An finanzielle
Gründe glaubt sie nicht – und irrt: Man überlege, ob man sich einen
Geschäftsführer noch leisten könne, sagt schließlich, erfrischend offen,
der WVE-Vorsitzende Klaus Hoth. Diese Idee, lässt er durchblicken, stamme
vom neuen Gesellschafter – „jemandem aus Eutins Wirtschaft“ –, mit dem …
bald ein abschließendes Gespräch führen wolle.
Ausgerechnet den Geschäftsführer will man einsparen? „Ja“, sagt Hohn, und
das Kaufmännische könne vielleicht jemand erledigen, der ohnehin Zeit habe.
Zum Beispiel ein Rentner oder ein anderer Ehrenamtler aus den Reihen des
neuen Gesellschafters? Hohn dementiert das nicht. Das wäre in der Tat eine
bemerkenswerte Forderung eines Kapitalgebers: dass er zwar Tausende Euro
investieren will – aber nicht in die Bezahlung eines professionellen
externen Verwalters dieses Geldes.
Carl Maria von Weber, zu dessen 125. Todestag die „Eutiner Sommerspiele“
1951 gegründet wurden, wäre irritiert. Andererseits bleibt man sich mit
dieser Sprunghaftigkeit treu: Seit Gründung der „Neuen Eutiner Festspiele
gemeinnützige GmbH“ agiert die WVE mäßig professionell. Gut erinnerlich
noch die Idee, Kosten zu sparen, indem man anstelle teurer Profis Studenten
aus dem US-amerikanischen Lawrence holte. Das beschädigte die künstlerische
Qualität so stark, dass der Intendant hinwarf.
Inzwischen sind die meisten Akteure Profis, und die mit 1.886 Plätzen
größte Open-Air-Opernbühne Norddeutschlands kann sich mit Hamburg messen,
findet Kuhnert. Auch die Terminkollision mit dem Schleswig-Holstein
Musikfestival (SHMF) sei kein Problem, „denn unser Opern- und
Operettenpublikum bedient das SHMF nicht“. Trotzdem müsse man weitere
Geldgeber suchen. „Aber diesen Weg sollten wir gemeinsam gehen.“
Das tue man ja, sagt Beiratschef Hagen. Die geplante Versammlung mit den
neuen Gesellschaftern, an der auch Intendantin Caron teilnehmen solle,
könne als „runder Tisch“ gelten.
Ganz rund ist er allerdings nicht, denn Sabine Kuhnert ist nicht geladen.
Ob dieser Kotau der WVE vor dem neuen Gesellschafter langfristig nützt,
weiß zudem niemand. Denn natürlich wird der Gesellschaftervertrag eine
Ausstiegsklausel haben.
NaN NaN
## AUTOREN
Petra Schellen
## TAGS
taz.gazete
Oper
Personalpolitik
Bucerius Kunst Forum
Wendland
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