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# taz.de -- Eutiner Festspiele: Der amerikanische Traum
> Kultur ist schön, wirtschaftlich relevant und teuer. Wie die Eutiner
> Kaufleute ihre traditionsreichen Festspiele mit Hilfe von Studenten aus
> Kansas erhalten.
Bild: Für die Musiker ein Job wie viele andere: Bei den Eutiner Festspielen 20…
EUTIN taz |In Eutin sind die Wege kurz. Will man Kontakt aufnehmen zur
Wirtschaftsvereinigung Eutin, also jenem Verband von Kaufleuten, die die
Eutiner Festspiele veranstalten, wählt man eine Festnetznummer, die zum
Ladengeschäft Brillen-Hoth in der Eutiner Innenstadt gehört. Eigentümer
Klaus Hoth ist zugleich Vorsitzender der Wirtschaftsvereinigung und an
einem Montagvormittag direkt am Apparat. „Die Eutiner Festspiele sind
finanziell für die Stadt ganz wichtig“, sagt Hoth, während im Hintergrund
die Tür geht und Kunden reden. „Das sind 30.000 Besucher pro Jahr, die kann
man nicht so einfach fallen lassen.“
Den Kaufleuten geht es nicht darum, mit den [1][Eutiner Festspielen] direkt
Geld zu verdienen, ihr Ziel ist, dass die Festspiele sich selbst tragen und
die Besucher vor und nach den Aufführungen Geld in der Stadt lassen.
Die Idee, dass Kulturveranstaltungen ein Wirtschaftsfaktor sind, weil sie
Kundschaft anziehen, ist nicht neu. Ungewöhnlich aber ist, was die Eutiner
Kaufleute daraus abgeleitet haben: Als die traditionsreichen Festspiele
2010 mit mehreren Hunderttausend Euro Miesen Insolvenz anmelden mussten,
haben sie eine gemeinnützige GmbH gegründet, ein neues Konzept entwickelt
und die Veranstaltung als Neue Eutiner Festspiele fortgeführt. 2011 fanden
die ersten Festspiele kaufmännischer Prägung statt. Dieses Jahr ist auf der
idyllischen Bühne am Eutiner See „Der Troubadour“ zu sehen, am Freitag hat
das zweite große Stück der Saison Premiere: das Musical „Anatevka“.
Beteiligt sind an den Aufführungen Musikstudenten der Kansas University in
Lawrence. Sie schmeißen nicht den Laden, sitzen aber da, wo vor dem
finanziellen Niedergang 2010 noch die Hamburger Symphoniker saßen. Die
Symphoniker waren sehr teuer, die Studenten bekommen keine Gage. Lawrence,
Kansas, ist die Partnerstadt von Eutin. Das wiederum hilft, Sponsoren für
die Kooperation zu finden. Wie die genau aussieht, darüber wollen die
Festspiele keine Auskunft erteilen.
Für die amerikanischen Studenten ist es ein Traum: Von der musikalischen
Ödnis einer 90.000-Einwohner-Stadt im Mittleren Westen treten sie in die
Fußstapfen der Hamburger Symphoniker. Das ist, als würde die
Basketballgemeinschaft Ostholstein mal eben in der US-Profiliga NBA
auflaufen.
Als die Neuen Eutiner Festspiele 2011 in ihre erste Spielzeit gingen, da
schickte die Kansas University ihr gesamtes, 55-köpfiges Symphonieorchester
auf die rund 8.000 Kilometer weite Reise. Das Orchester spielte alle
Aufführungen von Mozarts „Don Giovanni“ und schenkten ihrer Partnerstadt
eine fertige Inszenierung der Engelbert-Humperdinck-Oper „Hänsel und
Gretel“. Die Kritiken waren unerfreulich und wenige Tage nach der letzten
Aufführung warf der damalige Intendant Jörg Fallheier hin.
Er sei unglücklich mit dem künstlerischen Niveau und sehe im Umfeld der
Festspiele „nicht professionelle Theaterleute, sondern ausschließlich
engagierte Laien tätig“, sagte er dem SHZ-Verlag. Gemeint war damit die
Fraktion der Wirtschaftsleute, die mit dem Brauhaus-Wirt Marcus Gutzeit den
Geschäftsführer der Neuen Festspiele stellten.
Die Kaufleute haben schnell dazugelernt. Mittlerweile ist Tina Ziegler von
der PR-Agentur Themroc Geschäftsführerin, die Intendanz hat Dominique
Caron, zuvor kommissarische Leiterin der Oper Dortmund. Zugleich wurde die
Anzahl der beteiligten Amerikaner reduziert: 2012 kamen 35 Musiker aus
Kansas, dieses Jahr sind es noch 13. Sieben davon spielen im 55-köpfigen
„Troubadour“-Orchester mit, sechs singen im 50-köpfigen Chor.
Mittlerweile sind der Großteil der Musiker und Sänger Profis aus dem
norddeutschen Raum. Für sie sind die Eutiner Festspiele ein Job wie viele
andere: Das Orchester und der Chor sind zusammengewürfelt, die Probenzeit
ist knapp bemessen, um die Kosten gering zu halten. Die Amerikaner bekommen
keine relevanten Positionen, sie übernehmen die Füllstimmen und müssen den
überwiegend auf deutsch durchgeführten Proben folgen. Für pädagogische
Maßnahmen ist keine Zeit. „Das Niveau ist ausgesprochen mittelmäßig“, sa…
einer der deutschen Profis über die Probenarbeit. „Wir pfuschen uns halt so
durch. Wir sind den Studenten da kein Vorbild.“
Das sehen die Studenten aus Kansas anders. Audrey Herren beispielsweise
studiert Cello und ist beeindruckt, wie viele Nuancen die deutschen
Kollegen spielen würden, ohne dass sie sich darauf großartig konzentrieren
müssten. Außerdem sei es ein anderes Dirigieren, sagt die 26-Jährige, ein
anderes Interpretieren und eine andere Art der Performance. Nicht zuletzt
bleiben ein paar Sprachkenntnisse hängen: Herren fände es wundervoll, nach
dem Studium in Europa zu arbeiten, weil „klassische Musik in Europa einfach
anders unterstützt und geschätzt wird“.
Neben den Proben und Aufführungen muss man sich den Besucher der
amerikanischen Studenten wohl wie eine Klassenfahrt vorstellen:
Untergebracht sind sie im eigentlich stillgelegten Hotel Wiesenhof, zwei
bis drei Leute teilen sich jeweils ein Zimmer. Dem Vernehmen nach hat das
Hamburger Astra-Pils im Bier-Vergleich gewonnen – wegen des
Anker-und-Herz-Logos auf dem Etikett. Bob Walzel, der sehr auf positive
Außenwirkung bedachte Dekan der Kansas University, weiß davon vermutlich
nichts: Er passt auf, dass kein schlechter Eindruck entsteht – und hat
seine Truppe augenscheinlich im Griff.
Das Konzept, hiesige Profis mit Studierenden und fortbildungswilligen
Profis ferner Länder zusammenzubringen, soll in den nächsten Jahren
ausgebaut werden. Dieses Jahr sind bereits neun Sänger der
Opern-Produktionsgesellschaft „Korea Open Theater“ dabei, und schon hört
man immer wieder das Wort „Sommerakademie“. Augenoptikermeister Hoth von
der Eutiner Wirtschaftsvereinigung wird es recht sein: Die Amerikaner, sagt
er, seien „herzerfrischend auch für das Stadtbild“.
23 Jul 2014
## LINKS
[1] http://eutiner-festspiele.de/
## AUTOREN
Klaus Irler
## TAGS
NBA
taz.gazete
Salzburger Festspiele
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