# taz.de -- Salzburger Festspiele: Wettbewerb der Altmodischen | |
> Der legendäre Regisseur Peter Stein inszeniert für die Salzburger | |
> Festspiele eine vergessene Oper von Franz Schubert. Leider erschütternd | |
> flach. | |
Bild: In Theater-Künstlichkeit drapiert. | |
Im Pressebüro der Salzburger Festspiele hängt noch die Traueranzeige an der | |
Wand, die von der Festspielleitung anlässlich des Todes von Gerard Mortier | |
im vergangenen März geschaltet wurde. Darin würdigt die Direktion das | |
stilbildende Wirken des streitbaren, in Salzburg zunächst angefeindeten | |
Intendanten und lobt dankbar, er habe die Oper erneuert und in die | |
Gegenwart geholt. | |
Nach der letzten Opernpremiere dieser Festspiel-Saison mit Franz Schuberts | |
„Fierrabras“ muss man sich ernsthaft fragen, ob es der Festspielleitung | |
heute noch ein Anliegen ist, in Salzburg beispielhafte Opernaufführungen | |
mit Anschlussfähigkeit an die Gegenwart zu produzieren. | |
Bereits Regisseur Alvis Hermanis hatte vor wenigen Tagen bei Verdis „Il | |
Trovatore“ das überwunden geglaubte Rampen- und Kostümtheater umarmt und in | |
einem koketten Flucht-nach-vorn-Impuls bekannt, er wolle der „altmodischste | |
Regisseur des 21. Jahrhunderts“ werden. Nach der „Fierrabras“-Premiere da… | |
man festhalten: In diesem Wettbewerb wird er von Altmeister Peter Stein, | |
der in den 70er Jahren die Berliner Schaubühne zu Ruhm führte, nun doch | |
noch übertroffen. | |
Denn was Stein mit „Fierrabras“ abliefert, überbietet selbst Hermanis noch | |
in der konsequenten Verweigerung jeder Regieanstrengung. Ferdinand | |
Wögerbauer hat in strikter Schwarz-Weiß-Optik nach Art alter Kupferstiche | |
zahllose Stoff-Prospekte bemalt, die abwechselnd fränkisch-mittelalterliche | |
oder maurische Architektur und ab und zu Naturromantik in Nazarener-Manier | |
zeigen. | |
## Stocksteife Chor-Tableaus | |
In diese Theater-Künstlichkeit drapiert Stein stocksteife Chor-Tableaus und | |
biedere Solo-Auftritte, die sich stets hurtig an die Rampe begeben, um dort | |
in Klischeegesten zu verharren. Die politischen Dimensionen des Konflikts | |
zwischen Mauren und Christen interessieren Stein nicht, auch Bezüge zu | |
Schuberts trauriger Lebenswirklichkeit im Wien der Metternich-Zeit sind ihm | |
erklärtermaßen „zu kompliziert“. | |
Selbst die Liebesgeschichte(n), von denen „Fierrabras“ auch erzählt, | |
verfolgt Stein nicht mit echtem Interesse. Zumal ihm Ungeschicklichkeiten | |
und Szenen unfreiwilliger Komik unterlaufen, sobald die Handlung Bewegung | |
verlangt. Zum Beispiel, wenn die Franken bei den Mauren gefangen in einem | |
(Stoff)-Turm mit einem winzigen Fenster schmachten: Dem Soldatenchor „O | |
teures Vaterland“ (!) folgen eine Reihe hektischer Soloauftritte, bei denen | |
jeweils ein gesungener Satz aus dem Fenster heraus gerufen wird. | |
## Beinahe Slapstick | |
Wie die armen Sänger da eilig ihre Köpfe durch das Fensterchen stecken und | |
wieder abtauchen, erinnert an die Slapstick-Komik der „Ritter der | |
Kokosnuss“. An die man ohnehin schon durch klappernde Ritter-Ästhetik und | |
die wallenden Gewänder von Annamaria Heinrich erinnert wird. Und die plumpe | |
Farbdialektik, die schwarze Kostüme und braune Gesichtsschminke den bösen | |
Mauren zuteilt und den Christen blendend weiße Kostüme gönnt, ist am Rande | |
des Erträglichen. | |
Gewiss ist „Fierrabras“ ein schwieriges Stück und Stein hatte nicht ganz | |
unrecht, als er vorab schimpfte, das Libretto von Joseph Kupelwieser sei | |
„grauenvoll“. Dabei war „Fierrabras“ dem scheidenden Intendanten Alexan… | |
Pereira ein Herzensanliegen und gedacht als „persönliches Geschenk“ an sich | |
selbst, wie er in der Pressekonferenz bekannte. | |
Schuberts Vertonung des Ritterepos ist eine Art unglücklicher Nachklapp der | |
Türkenoper-Mode und kommt auch musikalisch nicht wirklich auf Touren. | |
Schubert knausert mit Kantilenen, dafür verbeißt er sich in komplizierte | |
Ensembles und findet nur selten zu seinem spezifischen Schubert-Ton, der | |
von melancholischen Hell-dunkel-Effekten lebt. Im Ganzen bleibt die | |
Partitur für eine Oper zu introvertiert und formal arg akademisch. Die | |
Befreiung von Konventionen, das Vorstoßen in neue Dimensionen, das, was | |
Schubert sonst in allen anderen Disziplinen gelang, ist ihm mit der Oper | |
nicht geglückt. | |
Da hilft auch nicht, dass Ingo Metzmacher sich vorab starkgemacht hat für | |
das Werk und in der ersten Hälfte des Abends wie ein Löwe um Transparenz, | |
Leichtigkeit und Dramatik kämpft. So gelingen ein paar packende Momente, | |
später aber zerfasert das musikalische Geschehen mehr und mehr und die | |
Wiener Philharmoniker klingen stellenweise matt. Aus der Riege des groß | |
besetzten Solistenensembles ragen Julia Kleiters kristallklare Emma, | |
Benjamin Bernheims höhensicherer Eginhard-Tenor und Georg Zeppenfelds | |
markiger König-Karl-Bass heraus. Michael Schades Fierrabras klingt dagegen | |
stellenweise grell und übersteuert. | |
15 Aug 2014 | |
## AUTOREN | |
Regine Müller | |
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