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# taz.de -- Russland entscheidet über EGMR: Rückzug aus dem Rechtsraum
> Russland hat beschlossen, dass Entscheidungen des Europäischen
> Gerichtshofs für Menschenrechte bindend seien. Allerdings gibt es
> Ausnahmen.
Bild: Aktivisten werden zur Seite geschafft, wenn sie nicht passen. Gesetze auc…
Russland taz | 93 Abgeordnete der russischen Duma hatten sich an das
Verfassungsgericht gewandt mit der Frage, ob denn die Entscheidungen des
Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg für
Russland ausnahmslos bindend seien. Am Dienstag hat das in Sankt Petersburg
ansässige Gericht verkündet: Konflikte mit dem nationalen Recht seien
möglich, „wenn der EGMR die Europäische Menschenrechtskonvention in einer
Weise auslegt, die der russischen Verfassung zuwiderläuft“.
Der Vorrang des russischen Verfassungsrechts verpflichte Russland in so
einem Fall, „die Entscheidung des Straßburger Gerichts nicht dem Buchstaben
nach zu befolgen“, teilte das Verfassungsgericht auf seiner Website mit.
Weder die Menschenrechtskonvention noch die Position des Straßburger
Gerichts heben für „das russische Rechtssystem den Vorrang der Verfassung
auf“.
Die Entscheidung kam nicht überraschend. Seit Längerem wird in Russland
darüber nachgedacht, ob es angesichts der wachsenden Dissonanzen mit dem
Westen noch Sinn mache, sich der europäischen Jurisdiktion zu unterstellen.
Viele Beobachter werteten den Spruch des Gerichts als die Einleitung eines
Rückzugs aus dem europäischen Rechtsraum. Noch allerdings spricht das
Verfassungsgericht von „außergewöhnlichen Fällen“, in denen die russische
Bürokratie von Auflagen entbunden werden soll.
Das Wirtschaftsblatt Wedomosti sieht in der Entscheidung dennoch ein
„unangenehmes Signal“. Das Recht sei im Interesse aktueller politischer
Aufgaben endgültig instrumentalisiert worden.
Die Entscheidung passt jedoch zur hyperpatriotischen Atmosphäre und dem
Heraufbeschwören feindlicher Umzingelung vonseiten des Kreml. In diesem
Denkmodel läuft die bedingte Preisgabe von Souveränität nationalen
Sicherheitsinteressen zuwider. Auch das war ein Motiv der alarmierten
Abgeordneten, die vermutlich erst auf Zuruf der russischen Leitzentrale
tätig wurden.
## Dem EGMR ist der russischen Regierung ein Dorn im Auge
Eigentlicher Aufhänger für den Antrag dürfte die Entscheidung des EGMR vor
einem Jahr gewesen sein, die Aktionären des zerschlagenen Ölkonzerns Yukos
Zahlungen von zwei Milliarden Euro zugesprochen hatte. Der Kreml verwahrt
sich gegen eine Zahlung. Würde er Folge leisten, wäre das ein
Eingeständnis, dass die Aktionäre enteignet und der Konzern zerschlagen
wurde.
Unmittelbar nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts teilte das
Justizministerium mit, Russland werde nun eine Antwort auf das Yukos-Urteil
vom Juli 2014 formulieren.
Grundsätzlich ist der EGMR den russischen Machthabern ein Dorn im Auge. Bis
2014 wandten sich fast 130.000 russische Bürger angesichts der massiven
Schwächen des russischen Rechtssystems an den Gerichtshof. Von 1.600
angenommenen Klagen wurden 1.500 zugunsten der Kläger gegen Russland
entschieden. Für viele Russen ist Straßburg die letzte Hoffnung auf ein
gerechtes Verfahren. Russland stellt auch die meisten Kläger beim EGMR.
Daher ruft der Gerichtshof bei russischen Behörden ein weit verbreitetes
Unbehagen hervor.
15 Jul 2015
## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
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