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# taz.de -- Bilanz Fußball-WM: Durchwachsen
> Oft halbleere Ränge, der Kunstrasen und das frühe Aus des eigenen Teams –
> Kanada erlebte eine Frauen-WM mit mehr Tiefs als Hochs.
Bild: Flitter gab's, Glamour aber nicht so recht in Kanada
Edmonton taz | Die Euphorie hielt nicht mal bis zum letzten Tag der WM:
Wenige Stunden nach dem Spiel um Platz drei zwischen Deutschland und
England waren die Straßen rund um das Commonwealth- Stadion in Edmonton
schon wie ausgestorben. Am internationalen Flughafen vor den Toren der
Stadt erinnerte schon nichts mehr an das Großereignis der letzten vier
Wochen: kein Plakat, keine Fahne, kein Willkommensschild.
Auch Lisa MacKenzie hatte die WM schon fast vergessen. Die Hobbyfußballerin
aus Edmonton hat das knallrote Fan-T-Shirt mit dem offiziellen Logo
anbehalten und berichtete, dass sie sich drei WM-Spiele live angesehen hat.
Doch das Endspiel interessierte sie nicht mehr: „Keine Zeit. Ich fliege in
den Urlaub zum Fischen“, sagt sie und eilt zum Flugsteig.
Wie MacKenzie fühlten viele Kanadier. Spätestens nach dem Aus ihres
Heimteams im Viertelfinale hatte sich ihr Interesse an der WM merklich
abgekühlt. Viele Kneipen in Edmonton blieben leer. Fans und Medien
interessierten sich eher für den neuen Eishockey-Profi Connor McDavid, der
als NHL-Draft-Pick Nummer eins den kriselnden Edmonton Oilers zu neuen
Höhenflügen verhelfen soll.
Sportlich verlief die WM ohnehin enttäuschend. Statt wie von Nationalcoach
John Herdman vorgegeben bis ins Finale hatten es die Kanadierinnen trotz
Heimvorteil nur unter die letzten acht geschafft – der erhoffte sportliche
Ruck war ausgeblieben.
## Begeisterung sieht anders aus
„Der kanadische Frauenfußball stagniert“, stellte die Tageszeitung Globe
and Mail aus Toronto konsterniert fest. Zu keinem Zeitpunkt habe das Team
um Spielführerin Christine Sinclair die Qualität der großen
Frauenfußballnationen USA, Japan oder Deutschland erreicht.
Begeisterung im Eishockeyland Kanada flackerte meist nur auf, wenn die
nordamerikanischen Teams aufliefen. Im Schnitt 48.000 Fans besuchten die
fünf Heimspiele Kanadas. Auch die Auftritte des US-Teams waren gut besucht.
In vielen kleineren Stadien wie Moncton aber herrschte oft gähnende Leere.
Statt wie geplant 1,5 Millionen Eintrittskarten haben die Veranstalter
gerade mal etwas mehr als 1,3 Millionen verkauft, und das nur, weil jedes
Vorrundenticket wegen der zwei hintereinander angesetzten Spiele doppelt
gezählt wurde.
Trotzdem überschütteten sich die Veranstalter bei ihrer letzten
Pressekonferenz in Vancouver erwartungsgemäß mit Lob. „Ich denke, ihr habt
einen super Job gemacht“, lobte Fifa-Vertreterin Tatjana Haenni. „Es war
der größte Frauenfußball-Event der Geschichte“, jubelte Organisationschef
Peter Montopoli.
Tatsächlich waren die TV-Quoten nicht schlecht – vor allem dank der
günstigen Tageszeit und dem großen Interesse im Weltmeisterland USA. Fast
fünf Millionen Zuschauer im Schnitt schauten sich nach Angaben des Senders
Fox die Spiele der US-Girls an, den kanadischen Sender TSN schalteten im
Schnitt immerhin 3,2 Millionen Fans ein.
## Der Respekt fehlt
Organisatorisch aber lief vieles nicht rund. „Die Fußballfrauen sind wieder
zu kurz gekommen. Noch immer fehlt es in der Fußballwelt am nötigen Respekt
für die Frauen. So auch bei diesem Turnier“, kritisierte die kanadische
Sportjournalistin Keph Senett aus Toronto.
So seien die Spielerinnen oft schlecht untergebracht worden, hätten sich
Hotels mit gegnerischen Teams und Zimmer mit anderen Spielerinnen teilen
müssen, berichtet Senett. Dann war da die Kontroverse über den Kunstrasen.
Anders als bei den Männern sei die WM durchgängig auf Plastik ausgetragen
worden, zum Teil unter unerträglichen Umständen aufgrund der Hitze.
Ob die WM dem Frauenfußball in Kanada trotzdem so etwas wie einen
Durchbruch gebracht hat? „Ich hoffe sehr, dass Sponsoren und Funktionäre
nach der WM endlich mehr in den Frauenfußball investieren, in ordentliche
Gehälter, eine ordentliche Profiliga oder zumindest in bessere
Trainingscamps“, meint Senett.
Der kanadische Verbandschef Victor Montagliani klang auf seiner letzten
Pressekonferenz da eher zurückhaltend. Das frühe Aus der Kanadierinnen
bezeichnete er als „verpasste Gelegenheit“ für den Sport. Immerhin aber
habe sich Kanada als Austragungsort beweisen können in einer Art Probelauf
für Größeres. In ein paar Jahren will Kanada die WM der Männer ausrichten.
6 Jul 2015
## AUTOREN
Jörg Michel
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