| # taz.de -- Neuer Roman von Tex Rubinowitz: Schneller als der Schall | |
| > Pop ist bei Rubinowitz literarischer Wille zum Stil und Ausgangspunkt für | |
| > schlaue Gedanken. Sein Roman „Irma“ ist eine unaufgeregte Lovestory. | |
| Bild: „Tänzer brauchen ihren Mund am Ende ihres Tanzes eigentlich nur zum K�… | |
| Hört man von jemandem zuerst Musik, bestimmt das den Eindruck, wenn man | |
| später etwas von ihr/ihm liest. Im Positiven wie im Negativen. Von Tex | |
| Rubinowitz habe ich zuerst die Songs seiner Band Mäuse und ihr funky | |
| Kaputt-Kraut-Funk-Album „Teen Riot-Günther Strackture“ (erschienen 1997) | |
| gehört. | |
| Der Albumtitel suggeriert Chaos, Musik und Texte liefern dies ohne Weiteres | |
| und streuen auch beim Wiederhören heute reichlich Klang- und | |
| Sprachbazillen. Rubinowitz nuschelt eckige Anti-Poesie zum sampledelischen | |
| Autorentechno seines Bandkollegen Gerhard Potuznik. Er betrieb bis vor | |
| nicht allzu langer Zeit auch Angelika Köhlermann Records, Brückenkopf | |
| zwischen Wien, Tokio und Berlin. Rubinowitz hat also eine lange Wegstrecke | |
| zurückgelegt. | |
| Mit „Irma“ hat Rubinowitz einen neuen Roman veröffentlicht. 2014 erhielt | |
| damit den Klagenfurter Bachmannpreis. In dem Buch geht Rubinowitz nicht mit | |
| seinem Querkopf-Image hausieren, sondern gießt die ihm vorausgehende | |
| Credibility in eine ansprechende literarische Form. Pop ist bei Rubinowitz | |
| zweierlei, spürbar als literarischer Wille zum Stil und als Ausgangspunkt | |
| für schlaue Gedanken. | |
| Die leere Behauptung, „Popmusik kann Leben retten“, versieht Rubinowitz mit | |
| existenzphilosophischem Sinn. Ganz egal, ob es um die Vergänglichkeit bei | |
| Diskothekenbesuchen in der norddeutschen Tiefebene geht, wo „billiger, | |
| galoppierender Schrott“ aus den Boxen dringt, oder um Gefühle: „Ich habe | |
| mal versucht, den Aufnahmekopf eines Kasettenrekorders so schnell zu | |
| drücken, dass er das Geräusch des Drückens mit aufnimmt. Und so kam mir | |
| das, was wir hatten, immer vor: wie ein noch nicht angekommenes Geräusch.“ | |
| Liebe ist schneller als der Schall. Und das ist auch genau die | |
| Schwierigkeit, der sich Rubinowitz mit „Irma“, einer unaufgeregt | |
| geschilderten Lovestory, stellt. Sie entspannt sich, als eine Verflossene | |
| dem namenlosen Protagonisten via Facebook eine Freundschaftsanfrage | |
| schickt. | |
| Von dort schwärmt der Erzähler großflächig aus und sein Wille, dieser | |
| Vergangenheit durchs Schreiben zu entkommen, beflügelt seine Fantasie: „Die | |
| Vergangenheit ist nicht mehr unser Eigentum, sie ist | |
| Interpretationsschlamm“, schreibt Rubinowitz. | |
| Aus seiner Liebesgeschichte schleicht der Protagonist bald wieder davon, | |
| stattdessen poppen andere bizarre, auch ungute Erinnerungen an andere | |
| Lebensphasen auf, betreffend die Kindheit, die Schulzeit in Lüneburg, den | |
| Militärdienst auf Sylt oder einem Aufenthalt im Hamburg zur Hochzeit von | |
| New Wave und Anti-Innerlichkeit. | |
| „Tänzer brauchen ihren Mund am Ende ihres Tanzes eigentlich nur zum Küssen, | |
| als sei das so etwas wie Einatmen.“ Man muss bei solchen Zeilen | |
| unweigerlich an die Philosophie des Phantasmas denken, wie sie Deleuze und | |
| Foucault in „Der Faden ist gerissen“ als „Ströme, die aus der Tiefe des | |
| Körpers kommen“, beschrieben haben. | |
| „Ist Sehnsucht wirklich nur der Wunsch, die Zeit zwischen dem Begehren und | |
| dem Erwerben des Begehrten vernichten zu können?“, fragt sich der Erzähler. | |
| Am Ende arbeitet er in Wien bei einer Filmproduktionsfirma und entwickelt | |
| in einer „Voltenabteilung“ neue Twists für Drehbücher. | |
| Etwa für ein Biopic über The Smiths, dessen Drehbuch Daniel Kehlmann | |
| verfasst hat. Popsongs geben ihren Fans die Erlaubnis, in Erinnerungen zu | |
| schwelgen, Tex Rubinowitz hat dieses „Hang on to your memory“ in „Irma“… | |
| grandiose Weise umgeschrieben. | |
| 30 Jun 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Julian Weber | |
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