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# taz.de -- Diakonie lockert Konfessionszwang: „Wir sind offen“
> Die Evangelische Stiftung Alsterdorf trennt sich von einer alten Regel:
> Mitarbeitende müssen nicht mehr in der Kirche sein.
Bild: Glaube an Jesus nicht länger Pflicht: bei der Stiftung Alsterdorf
taz: Herr Haas, die Mitarbeitenden der Stiftung Alsterdorf müssen nicht
mehr Kirchenmitglied sein – folgt die Entscheidung Neigung oder
Notwendigkeit?
Hanns-Stephan Haas: Sie folgt einer Überzeugung. Ein wesentlicher Strang
besteht darin, dass es für uns eine Konsequenz ist aus unserer
Beschäftigung mit Inklusion. Wir machen an vielen Stellen die Erfahrung,
dass es gut ist, Menschen mit ihren jeweiligen Voraussetzungen nicht
auszugrenzen, sondern als Bereicherung zu verstehen. Dasselbe gilt auch für
unsere Mitarbeitenden.
Gehörte die Zugehörigkeits-Klausel in eine Zeit, als die Gesellschaft noch
nicht pluralistisch war?
In ihrer ursprünglichen Absicht war die Klausel als Öffnung gedacht, um
neben Mitgliedern der eigenen Konfession auch zum Beispiel Orthodoxe,
Katholiken und Freikirchler anstellen zu können. Heute müssen wir diese
Öffnung unserer Überzeugng nach weiter denken.
Hatten Sie Schwierigkeit, Personal mit Kirchenzugehörigkeit zu finden?
Das hängt von den Arbeitsgebieten ab. In der Medizin gibt es am ehesten
Engpässe. Dort haben wir auch personalstrategisch gedacht, dass die Öffnung
der Zugehörigkeitsklausel sinnvoll ist.
Also doch Notwendigkeit?
Nein, das ist nicht der Hauptmotor unserer Entscheidung. Der Brüsseler
Kreis, ein Zusammenschluss aus 15 Unternehmen von Caritas und Diakonie, hat
sich mit einem fast zweijährigen Vorlauf mit dem Thema befasst – dabei sind
Unternehmen, die gar keine Rekrutierungsprobleme haben.
In der Vergangenheit war die Diakonie durchaus bereit, für die
Konfessionsklausel vor Gericht zu ziehen.
Das sind eher Einzelfälle gewesen, die wir in Alsterdorf nicht hatten. Mit
unserer Praxis geht es uns jedenfalls um einen Weg, den wir bewusst als
Unternehmen für uns gegangen sind, und zwar im intensiven Austausch mit
Kirche und Diakonie.
Wie oft war das Thema Kirchenzugehörigkeit in Ihrem Haus Konfliktstoff?
In der Epileptologie hatten wir viele Bewerber ohne Kirchenzugehörigkeit.
Menschen aus den neuen Bundesländern haben uns gesagt: Wir haben keine
christliche Prägung und tun uns schwer damit, über die christlichen Werte
des Unternehmens hinaus einen bestimmten religiösen Hintergrund nachweisen
zu müssen.
Setzt Ihr Haus damit den Weg der christlichen Konfessionen von der Mehr-
zur Minderheit um?
Nein, wir gehen auch in Zukunft davon aus, dass der überwiegende Anteil
unserer Mitarbeiter Mitglieder in einer christlichen Kirche sind. Wir sind
aber offen für Menschen mit anderen weltanschaulichen Überzeugungen. Das
ist für uns Inklusion. Diese ist gesellschaftlich nicht unumstritten. An
diesem Punkt beziehen wir aber klar Stellung und sind missionarisch.
Wie waren die Reaktionen?
Im eigenen Unternehmen waren sie weit überwiegend positiv. Mitarbeitende
mit den unterschiedlichsten Hintergründen haben deutlich gemacht, dass sie
die Öffnung und den Freiwilligkeitscharakter sehr begrüßen. Es gab
Einzelstimmen, die fragten: Bin ich mit meinem christlichen Glauben hier
noch beheimatet? Da haben wir sehr deutlich gemacht: Das sind sie.
In der Presseerklärung zur Aufgabe der Klausel heißt es, die Stiftung
unterstütze weiterhin die Zugehörigkeit zur Kirche. Wie sieht das praktisch
aus?
Wir halten die christliche Identität unseres Hauses für unaufgebbar. Und in
der Hinsicht haben wir viele Angebote, das fängt damit an, dass neue
Mitarbeitende an einem Begrüßungstag mit einer Andacht eingeführt werden,
wir haben eine eigene Kirche, wir haben sogar eine Stabsstelle für
diakonische Profilentwicklung.
Und wie sieht es innerhalb der Diakonie aus, in der das Thema heftig
umstritten ist?
Wir sind im guten Einvernehmen mit der Diakonie, dort kennt man jeden
Schritt den wir tun.
Also keine kritischen Stimmen?
Immer wenn man einen Schritt als erster geht, gibt es Rück- und Anfragen.
Aber wir haben deutlich gemacht, dass es unser Weg ist, den wir aus unserer
eigenen unternehmerischen Verantwortung machen.
Unterschieden wurde ja auch für Leitungsfunktionen. Das hatte den
Beigeschmack: bei der Putzkraft ist es egal.
Leitende müssen Mitarbeitern unser christlich-diakonisches Profil
vermitteln können, und entscheiden, ob sie zu uns passen. Daher gilt hier
die Kirchenzugehörigkeit. Ansonsten machen wir keine Unterscheidung.
Empfinden Sie die Öffnung nun als Befreiungsschlag?
Es war und bleibt ein Lernweg. Wir waren früher eine geschlossene Anstalt
mit einem eher entmündigenden Fürsorge-Paradigma. So wie wir dort lernen
konnten, sehe ich das auch bei diesem Thema. Aus Inklusionsperspektive ist
das eine Selbstverständlichkeit.
7 Jul 2015
## AUTOREN
Friederike Gräff
## TAGS
Evangelische Kirche
Arbeitnehmerrechte
Niedersachsen
Kirche
Niedersachsen
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