| # taz.de -- Die Wahrheit: Der homosexuelle Mann … | |
| > Am Samstag fand in Berlin der Umzug zum Christopher Street Day statt. Und | |
| > es gab fast nur ein Thema: die Homoehe. | |
| … stolpert derzeit von einem magischen Moment in den nächsten, Ehe heißt | |
| das Zauberwort. Nach Irland jetzt auch die USA, der Bundesrat hierzulande | |
| ist ebenso dafür wie 73 Prozent der Berliner. „Ehe für alle“, proklamiert | |
| in schwarz-rot-goldenen Lettern, heißt der Slogan einer neuen Initiative, | |
| „das breiteste Bündnis in der Geschichte der LSBTI*-Bewegung der | |
| Bundesrepublik“ (Eigenwerbung). Die Aussicht auf das traute Gelübde bringt | |
| selbst die zueinander, die sich bislang nicht mit dem Arsch angeguckt | |
| haben. | |
| Auch der Berliner Christopher Street Day am vergangenen Samstag – „Endlich | |
| wieder politisch! Endlich wieder gemeinsam!“, tönte es vorab auf allen | |
| Kanälen – kannte nur ein Thema: Ehe! Der Regierende Bürgermeister Michael | |
| Müller, der mit seiner Enthaltung im Bundesrat noch vor zwei Wochen die | |
| Homosexuellen feige über den Tisch gezogen und sich hinter der | |
| Koalitionsräson versteckt hatte, durfte jetzt die Parade eröffnen und log, | |
| ohne rot zu werden: „Wir in Berlin gehen voran … es muss eine | |
| Selbstverständlichkeit in unserer Gesellschaft sein … vollständige | |
| Gleichstellung der gleichgeschlechtlichen Partnerschaften“. Phrasen eines | |
| Politikers, der versucht, sich in die glamourösen Fußstapfen seines | |
| Vorgängers zu zwängen. Tapfer versprach er Szene-Darling Edith Schröder vor | |
| laufender Kamera: „Ich würde mich freuen, wenn wir mal was zusammen | |
| machen!“ | |
| Selbst das politische Fußvolk, das in diesem Jahr den Trucks der | |
| kommerziellen Subkultur vorwegparadieren durfte, war eingetaucht in die | |
| Seligkeiten ewiger Treueschwüre, von Familie war die Rede, von den gelebten | |
| Werten und von all den bösen Menschen, die dagegen ihre Stimme erheben. In | |
| Zeiten gesellschaftlicher und politischer Unübersichtlichkeiten wird die | |
| Welt ganz einfach zweigeteilt, die Ehe-Befürworter auf der einen, der | |
| richtigen Seite der Geschichte, und die Gegner auf der anderen Seite, der | |
| Rest ist schnurz! Und fragt mal eine ganz ketzerisch nach wie Saarlands | |
| christdemokratische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer, ob | |
| dieser Schrei nach „Ehe für alle“ wirklich alle meint, wird sie umgehend | |
| gelyncht, virtuell. | |
| Es waren nur sehr wenige unter den vielen tausend Teilnehmern des Umzugs, | |
| die bei sich blieben und den Marsch durch die breiten Straßen der | |
| Hauptstadt zu ihrem ganz persönlichen machten. Da kam einer daher, ein sehr | |
| junger Mann mit der Regenbogenfahne um die Hüfte geschlungen wie einen | |
| Wickelrock, der mit ausgestreckten Armen kokett ein Schild in die Luft | |
| hielt: „Stonewall Was A Riot“ stand darauf. Mehr muss man nicht bekunden. | |
| Eine andere Teilnehmerin bewegte sich ganz allein in den langgezogenen | |
| Pausen zwischen den Trucks und Truppen, ihre Perücke saß schief, das Kleid | |
| – na ja, démodé, hätte man geurteilt in früherer Zeit, und den breit | |
| getretenen Stöckelschuhen sah man den Schmerz an, den sie auslösten bei | |
| jedem Schritt. Mit beiden Händen fest umklammert streckte sie ihre | |
| Bittschrift nach oben, „Robert“, stand darauf, auf der Vorder- wie auf der | |
| Rückseite. Und „Robert!“ rief sie den Passanten am Straßenrand zu, immer | |
| wieder: „Robert! Robert!“ | |
| 30 Jun 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Elmar Kraushaar | |
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