# taz.de -- Schwulen- und Lesbendemo in Istanbul: Mit Tränengas gegen Gay Pride | |
> Mit Wasserwerfern, Tränengas und Gummigeschossen löst die Polizei die | |
> Pride-Parade auf. Nächstes Jahr wollen die Demonstranten wiederkommen. | |
Bild: Die Polizei versucht die TeilnehmerInnen der „Pride Parade“ zu vertre… | |
ISTANBUL taz | Es hätte die größte, schönste und aufregendste „Pride | |
Parade“ in der Geschichte der Türkei werden sollen. Bis zu hunderttausend | |
TeilnehmerInnen erwarteten die Organisatoren, die größte Schwulen und | |
Lesben Demo die jemals in einem muslimischen Land stattgefunden hat, war | |
das Ziel. Doch es sollte anders kommen. Als die ersten TeilnehmerInnen am | |
Sonntagnachmittag den zentralen Taksim Platz und die angrenzende | |
Istiklal-Fußgängerzone erreichten, erwartete sie bereits die Polizei. | |
Ohne Vorwarnung, wie die Veranstalter sich beklagten, war die Parade vom | |
Istanbuler Gouverneur Vasip Sahin verboten worden. Als Grund gab die | |
islamische Stadtregierung an, die Schwulen und Lesben Parade würde im | |
Fastenmonat Ramadan die Gefühle der Gläubigen verletzen. | |
Weil die potentiellen DemonstrantInnen auf der Istiklal Caddesi gleich von | |
Wasserwerfern und Tränengasgranaten in Empfang genommen wurden, flüchteten | |
alle in die Nebenstraßen und näherten sich auf Umwegen dem zentralen Taksim | |
Platz und dem daneben liegenden Gezi-Park. Erstaunlicher Weise war der | |
Zugang zum Taksim Platz nicht gesperrt, sogar die U-Bahn fuhr noch und | |
lieferte unentwegt Nachschub an DemonstrantInnen und Neugierigen. | |
Rund eine Stunde lang füllte sich der Platz, mehrere tausend festlich | |
gekleidete und bunt bemalte Schwule, Lesben und Transvestiten feierten | |
trotz Massenaufgebot der Polizei ihre „Parade des Stolzes“. Es wurde | |
getanzt, gelacht und geschrien, bis dann der Räumungsbefehl für die Polizei | |
kam. | |
Die Wasserwerfer rückten vor und die Regenbogenfahnen wichen zurück. Ein | |
Teil des Taksim Platzes war bereits für die abendliche Iftar Feier, dem | |
gemeinsamen Fastenbrechen abgesperrt, zu dem die Stadtverwaltung ihre | |
Anhänger auf den Taksim Platz eingeladen hatte. | |
Ganz gesittet wichen die bunten DemonstrantInnen dem Iftar-Platz aus und | |
zogen sich in den Gezi Park zurück. Trotz Wasserwerfer und Tränengas blieb | |
es doch eher bei einem sommerlichen Geplänkel das nirgendwo in echte Gewalt | |
umschlug. Noch auf der Flucht skandierten die DemonstrantInnen: „Wir gehen | |
nicht weg, Liebe gewinnt“. | |
Seit 2002 hatte in Istanbul jedes Jahr eine „Pride-Parade“ stattgefunden, | |
jedes Jahr waren es mehr TeilnehmerInnen. Vor allem im Zuge der | |
Gezi-Bewegung 2013 hatte die Schwulen-und Lesben Bewegung mehr und mehr | |
öffentliche Anerkennung erhalten. In diesem Jahr hatte es bereits in der | |
gesamten Woche vor der Parade Konferenzen und Workshops gegeben, die | |
Organisatoren wurden im Mainstream Fernsehen interviewt, alles war für das | |
Großereignis vorbereitet. Die Wahlniederlage der AKP am 7. Juni hatte ein | |
Übriges dazu getan, für gute Stimmung zu sorgen. | |
Doch wahrscheinlich war es genau die Niederlage der Islamisten bei den | |
Wahlen, die sie jetzt zum Gegenschlag ausholen ließen. Da es noch keine | |
neue Regierung gibt, füllen die alten Kader und Bürokraten aktuell das | |
Vakuum. Und die wollten den Schwulen und Lesben noch einmal zeigen, wer in | |
der Türkei das Sagen hat. | |
Doch die meisten DemonstrantInnen ließen sich an dem warmen Sommertag durch | |
eine Wasserdusche nicht einschüchtern: „Nächstes Jahr werden wir noch viel | |
mehr sein“ riefen sie der Polizei zu. | |
28 Jun 2015 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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