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# taz.de -- Mittendrin-Mitgründerin David über Nachrichtenblogs: „Hintergru…
> Als die Polizei Anfang 2014 ihr größtes Gefahrengebiet ausrief, war
> „Hamburg Mittendrin“ zur Stelle. Heute ist der Blog beinahe
> eingeschlafen.
Bild: „Ich bin Politikwissenschaftlerin und Demokratin, auch wenn ich viele Z…
taz: Frau David, auf „[1][Hamburg Mittendrin]“ ist sehr viel weniger los
ist als noch vor einem Jahr. Warum?
Isabella David: Wir sind ein kleines Team und arbeiten alle noch nebenbei,
um unsere Mieten und unsere Büromiete zu bezahlen. Das ist leider so, wir
wünschen uns aber auch, dass das wieder anders wird. Nur leider haben wir
noch nicht den Goldschatz gefunden ...
Es liegt also nicht am fehlenden Bedarf?
Wir haben einen hohen idealistischen Anspruch und irgendwann muss man sich
fragen: Wie weit bin ich bereit, mich für eine Sache aufzuopfern? Denn es
ist ja eine von vielen Sachen, die wir alle so machen. Die Wahrheit ist
einfach: Es fehlt das Geld. Jeden Cent, den ich nicht bei uns verdiene,
muss ich woanders verdienen. Und da bleibt natürlich einiges auf der
Strecke.
Sie haben das Projekt auch ohne Geld angefangen.
Es war nie das Ziel, es war nie der Gedanke, überhaupt einen Cent zu
verdienen. Aber dann ist das Projekt größer geworden und hat jetzt auch den
Anspruch an eine gewisse Professionalität. Und wenn man multimediale
Inhalte haben will, muss man die Leute auch bezahlen. Aber das ist ja die
Challenge, vor der wir alle stehen: Wie kann ich das alles finanzieren? Ich
will damit nicht reich werden, aber ich muss meine Leute bezahlen.
Funktioniert hyperlokaler Journalismus nicht immer nur durch
Selbstausbeutung?
Klar. Aber wir versuchen trotzdem, jede Woche aufs Neue zu gucken, wie wir
die Themen besetzen können und nebenbei die anderen Sachen zu erfüllen:
Masterarbeiten schreiben und so. Die Leute bleiben, weil sie sich damit
identifizieren und mehr Gestaltungsspielraum haben als woanders.
Wir stellen eine gewisse Verschiebung fest: seichtere Themen, mehr
Veranstaltungen, weniger Politik.
Das ist gar nicht das Ziel, sondern den Kapazitäten geschuldet. Dominik
Brück, mit dem ich das Projekt gegründet habe, ist ja nicht mehr dabei. Das
zu kompensieren, ist nicht leicht. Er hat gerade im politischen Bereich
viel gemacht. Aber wir hoffen, dass wir da wieder hinkommen.
Sind Sie in einer Krise?
Für mich ist es überhaupt keine Krise. Es ist eher eine Phase, die ich so
auch vorher schon erlebt habe. Das Tagesaktuelle können wir nicht leisten,
deshalb liefern wir gerade im Politikbereich dann eher
Hintergrundgeschichten.
Was zahlen Sie den AutorInnen für eine solche Geschichte?
Das ist immer verhandelbar. Bei einem längeren Text fängt es bei 25, 30
Euro an. Gut, das ist immer noch nicht viel. Aber mit Bildergalerie und
Audiospur geht der Preis hoch. Für Videos zahle ich natürlich mehr.
Woher kommt dieses Geld?
Von den Kooperationen mit Tageszeitungen unter anderem. Wenn ein Artikel
zum Beispiel in der taz erscheint, fließt das Geld erstmal in die
Gesamtkasse und wird dann für Artikel bei Mittendrin ausgezahlt. Dazu
kommen Abos von unseren LeserInnen und Soli-Geld. Oder das Honorar, wenn
ich einen Vortrag halte.
Also Ihr eigenes Einkommen?
Ja. Das ist der Kreislauf der Dinge. Es ist kein tragfähiges
wirtschaftliches Konzept, aber das ist, wie es momentan funktioniert. Man
darf nicht vergessen: Mittendrin ist ein Startup, aber wir haben nie einen
Kredit aufgenommen. Da ist also kein Startkapital. Man investiert halt die
Zeit. Auch unsere RessortleiterInnen kriegen den Großteil ihrer Arbeit
nicht honoriert.
Zeitungen prophezeihen das Ende der Hyperlokalblogs.
Wir sind nun mal die Kleinsten, die immer am wenigsten Kohle haben und das
immer mit viel Idealismus gemacht haben. Da stößt man irgendwann persönlich
und körperlich an Grenzen. Das ist einfach logisch. Eine Zeitung, die wenig
Geld aus ihrem Online-Bereich zieht, hat vielleicht daran zu knabbern, aber
die hat ein ganz anderes Fundament, auf das sie bauen kann – und kann ihre
Leute immer noch bezahlen. Aber die ganze Branche guckt doch im Moment, wie
man das finanzieren kann. Alle haben super viele Ideen, nicht nur für die
Hyperlokalen, aber die Kernfrage bleibt: Wie bringen wir die Leute dazu,
online zu bezahlen oder wie finanzieren wir es anderweitig?
Den größten Erfolg hatte Mittendrin, als die Polizei Anfang 2014 das
Gefahrengebiet ausrief. Hat sich der Einsatz auch monetär ausgezahlt?
Es haben sicherlich ein paar Leute mehr ein Soli-Abo abgeschlossen. Ich bin
immer beeindruckt, dass es Leute gibt, die mittlerweile seit über zwei
Jahren monatlich fünf oder zehn Euro überweisen. Wir wussten aber auch
damals schon, dass das ein Erfolg ist, der einem nicht zu Kopf steigen
darf. Man darf auch nicht vergessen, dass da eine Zeit war, die einen
ziemlich ausgelaugt hat. Wir sind ja jede Nacht unterwegs gewesen. Insofern
waren wir auch froh, als das Gefahrengebiet irgendwann wieder aufgehoben
war. Auf der anderen Seite war eine Menge Hype im Spiel, der dazu geführt
hat, dass wir immer tagesaktuell – und immer die Schnellsten sein wollten.
Wie wichtig ist diese Schnelligkeit überhaupt?
Wenn wir die gute Hintergrund-Story haben, wird die viel mehr gelesen. In
der Demo-Berichterstattung bin ich zwar nicht die Mopo, die das eine Stunde
später schon bringt. Dafür hat unser Text dann eine gewisse Länge, ein
Interview und eine Bildergalerie dabei.
Wie viele LeserInnen hat Mittendrin eigentlich?
In den Zeiten der Gefahrengebiete hatten wir bis zu 15.000 unique User am
Tag. Es war aber klar, dass wir das nie halten können. Heute haben wir im
Schnitt an einem Demo-Tag vielleicht 3.000, an einem normalen Tag bis zu
2.000.
Was wird von Ihnen erwartet?
Die Erwartung ist, dass wir alles machen müssen. Die Wahrheit ist, dass wir
das natürlich nicht schaffen. Wir haben eine bestimmte Themenauswahl und
zum Beispiel beim Thema Polizeigewalt gehen die Meinungen sehr weit
auseinander. Wegen der Berichterstattung über die Gefahrengebiete haben
manche Leute gedacht, wir sind total gegen den Staat und die Polizei. Das
ist natürlich Quatsch.
Ach ja?
Ich bin Politikwissenschaftlerin und ich bin Demokratin, auch wenn ich
viele Zustände ungeil finde. Wir berichten ja auch viel über
marginalisierte Gruppen. Ob das nun im Bereich der Wohnungslosigkeit,
Obdachlosigkeit oder der Flüchtlingspolitik ist.
Solche Themen allein verschaffen einem Medium kein Alleinstellungsmerkmal.
Das sind ja nun auch große Themen, das wird auch noch so bleiben. Aber
unsere Texte lesen sich anders als die im Hamburger Abendblatt oder in der
Mopo.
16 Jul 2015
## LINKS
[1] http://hh-mittendrin.de/
## AUTOREN
Lena Kaiser
Katharina Schipkowski
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