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# taz.de -- Aktion am Samstag: Pillen per Drohne nach Polen
> Eine Gruppe Frauen organisiert Schwangerschaftsabbrüche für Polinnen in
> Berlin. Am Samstag wollen sie Abtreibungspillen per Drohne über die Oder
> fliegen.
Bild: Sie sollen per Luftpost kommen: Abtreibungspillen.
Eine ältere Verwandte, die einem in schwierigen Situationen hilft: Das in
etwa möchte die Berliner Gruppe Ciocia Basia sein, polnisch für Tante
Barbara. Die Idee der Aktivistinnen: Sie helfen polnischen Frauen dabei, in
Berlin Abtreibungen vornehmen zu lassen. In Polen ist das praktisch
unmöglich und mit erheblichen Risiken für die Frauen verbunden. „Wir wollen
den Frauen ermöglichen, ihre Schwangerschaft auf einem sicheren Weg und mit
angemessener Unterstützung abzubrechen, anstatt das illegal und mit
zweifelhaften Methoden tun zu müssen“, sagt Sarah Diehl, eine der
Gründerinnen der Gruppe.
Die Initiative, ein fester Kern von sechs Aktivistinnen plus
Unterstützerkreis, bietet den polnischen Frauen umfassende Hilfe an: Sie
übernehmen Fahrtkosten, holen die Frauen vom Bahnhof ab und organisieren
die Unterbringung in ihren eigenen WG-Zimmern oder Wohnungen. Sie helfen
bei der Terminvereinbarung für die gesetzlich vorgeschriebene Beratung und
die eigentliche Abtreibung, begleiten die Frauen auf Wunsch dort hin und
organisieren DolmetscherInnen. Wenn nötig, übernimmt die Gruppe außerdem
die Kosten für den Eingriff. „Wir bekommen mehrere Anfragen pro Woche,
wobei viele Frauen auch nur den Kontakt zu einer Arztpraxis oder bestimmte
Informationen wollen“, sagt Diehl. Neun Frauen habe die Gruppe bisher
komplett begleitet, die Finanzierung läuft ausschließlich über Spenden.
Ihre Kontaktdaten verbreiten die Aktivistinnen über polnische Kontakte und
Beratungsstellen. „Wenn eine Frau anruft und uns um Hilfe bittet, versuchen
wir immer gleich die Schwangerschaftswoche zu klären, um herauszufinden, ob
ein medikamentöser Abbruch noch in Frage kommt“, sagt Diehl. Das sei oft
nicht einfach: „Viele Frauen trauen sich nicht einmal, ihre Schwangerschaft
beim Arzt feststellen zu lassen, aus Angst davor, dass sich das
herumspricht und so später auffliegt, dass sie abgetrieben haben.“
Im erzkatholischen Polen sind Abtreibungen nicht nur unter Strafe gestellt,
sondern auch in weiten Teilen der Gesellschaft geächtet. Rechtliche
Ausnahmen sind nur in besonderen Fällen möglich, zum Beispiel wenn die
Gesundheit der Mutter explizit gefährdet ist. Doch selbst dann, sagt Diehl,
sei es schwer einen Arzt zu finden, der die Abtreibung auch tatsächlich
vornimmt.
## Reproduktive Rechte
Diehl beschäftigt sich schon seit Jahren mit dem Thema reproduktive Rechte
als Autorin, Filmemacherin und Aktivistin. Die 36-Jährige hat in Berlin
Gender Studies und Afrikawissenschaften studiert – und war konsterniert
darüber, dass das Thema Abtreibung weder in ihrem Studium noch in ihrem
feministischen Umfeld eine Rolle spielte.
„In den letzten beiden Jahrzehnten ist der Feminismus körperloser geworden,
beschäftigt sich viel mit Dekonstruktionen. Diese Entwicklung finde ich
nicht falsch, aber das Thema reproduktive Rechte wurde dadurch stark in den
Hintergrund gedrängt“, sagt sie. Auf Reisen durch afrikanische Länder kam
Diehl mit Frauen in Kontakt, die anderen Frauen den Zugang zu einem
sicheren Schwangerschaftsabbruch ermöglichen, etwa mit Infotelefonen oder
durch das Verschicken der Abtreibungspille.
„Ein Projekt wie das von Ciocia Basia, in dem den Frauen konkret und
persönlich geholfen wird, wollte ich schon immer machen“, sagt Diehl. Lange
habe es aber an Mitstreiterinnen gefehlt. Jetzt funktioniere die Gruppe
gut, auch wenn sie perspektivisch mehr Leute bräuchten, um die Arbeit zu
bewältigen. „Gerade der Zeitdruck, mit dem wir oft umgehen müssen, kann
eine große Belastung sein.“ Am Anfang habe die Gruppe auch lernen müssen,
gerade im ersten Telefongespräch mit den oftmals verzweifelten Frauen Ruhe
zu bewahren.
## Medikament per Drohne
Hilfreich für die Bewältigung der Aufgaben sei dabei der Kontakt zu anderen
Aktivistinnen, mit denen die Gruppe über das Netzwerk Women Help Women
verbunden ist. Die Gruppe arbeitet außerdem mit der niederländischen
Organisation Women On Waves zusammen, die auf eine Initiative der Ärztin
Rebecca Gomperts zurück geht, Abtreibungen auf Schiffen in internationalen
Gewässern zu organisieren.
Am kommenden Samstag werden Women On Waves mit Unterstützung von Ciocia
Basia auf die schwierige Lage der polnischen Frauen aufmerksam machen: Um
11 Uhr wollen die Aktivistinnen eine Drohne von Frankfurt (Oder) über den
Grenzfluss ins polnische Slubice fliegen – mit Abtreibungspillen an Bord.
„Diese Pille wird in Polen oftmals nicht durch den Zoll gelassen, wodurch
auch diese Form des Schwangerschaftsabbruch für viele Frauen unmöglich
wird“, sagt Diehl. „Wir wollen auf die grausame Absurdität aufmerksam
machen, denen die Frauen durch diese Gesetze ausgeliefert sind.“
25 Jun 2015
## AUTOREN
Malene Gürgen
## TAGS
Frauen
Polen
Initiative
Polen
Schwangerschaft
Drohnen
Schwerpunkt Abtreibung
Kardinal Meisner
Pille danach
Vergewaltigung
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