# taz.de -- UN-Bericht zum Gaza-Krieg: Kriegsverbrechen auf beiden Seiten | |
> Die UNO berichtet über Völkerrechtsverbrechen im Gaza-Krieg. Ein | |
> Knesset-Abgeordneter sorgt derweil mit einem Hilfsangebot für Diskussion. | |
Bild: Israelis und Palästinenser bestreiten, im letzten Jahr Kriegsverbrechen … | |
Jerusalem ap/afp | Israel und die Palästinenser haben nach Einschätzung der | |
Vereinten Nationen während des Gaza-Kriegs 2014 möglicherweise beide | |
Kriegsverbrechen begangen. Die radikalislamische Hamas habe mit ihren | |
Raketenangriffen auf Zivilisten in Israel gezielt, während die israelischen | |
Streitkräfte unangemessene Gewalt in Wohngegenden des Gazastreifens | |
angewendet habe, hieß es dem am Montag in Genf vorgelegten Bericht der | |
UN-Untersuchungskommission. Der israelische Ministerpräsident Benjamin | |
Netanjahu und die Hamas lehnten diese Darstellung entschieden zurück. | |
Der Bericht sei parteiisch, sagte Netanjahu. Israel begehe keine | |
Kriegsverbrechen, sondern verteidige sich gegen eine Terrororganisation, | |
fügte er hinzu und wiederholte damit seine schon vor Veröffentlichung | |
geäußerte Kritik an der Untersuchung. | |
Auch die Hamas wies die Schlussfolgerung des US-Berichts von sich. Ein | |
führendes Hamas-Mitglied, Gahzi Hamad, sagte der Nachrichtenagentur AP, der | |
UN-Bericht schaffe eine „falsche Bilanz zwischen Opfern und Mördern“. Die | |
Raketen und Granaten von Hamas seien auf israelische Militäranlagen | |
gerichtet gewesen und nicht auf Zivilisten. | |
Mehr als 2200 Palästinenser, die meisten Zivilisten, waren in dem 50 Tage | |
währenden Konflikt im vergangenen Sommer ums Leben gekommen. Auf | |
israelischer Seite starben 73 Menschen, darunter sechs Zivilisten. Beide | |
Seite streiten seitdem, wer für die hohe Zahl von zivilen Opfern | |
verantwortlich ist. Im UN-Bericht heißt es, die Kommission habe | |
„substanzielle Informationen über schwerwiegende Verletzungen | |
internationalen humanitären Rechts und internationaler Menschenrechte“ | |
durch beide Kriegsparteien gesammelt. | |
## Israel will Bericht prüfen | |
„Das Ausmaß der Zerstörung und des menschlichen Leidens in Gaza war ohne | |
Beispiel und wird künftige Generationen beeinträchtigen“, sagte Mary | |
McGowan Davis, die Vorsitzende der Kommission. | |
Das israelische Außenministerium teilte mit, es werde den Bericht prüfen. | |
Es sei aber bekannt, dass die Umstände, die zu dem Report geführt hätten, | |
von Anfang an politisch motiviert und moralisch fehlerhaft gewesen seien. | |
Israel sieht die Schuld für die vielen zivilen Opfer bei der | |
radikalislamischen Hamas, die den Gazastreifen kontrolliert. Sie habe | |
zivile Einrichtungen wie Schulen als Waffendepots umfunktioniert und | |
Menschen als Schutzschilde benutzt. Die Palästinenser hingegen werfen der | |
israelischen Armee vor, die Regeln des Kriegs während des Konflikts | |
verletzt zu haben. So hätten sie Zivilisten nicht früh genug vor Angriffen | |
gewarnt oder nicht sorgfältig zwischen Zivilisten und Kämpfern | |
unterschieden. | |
## Zunahme von Waffeneinsätzen | |
Der UN-Bericht bilanziert ferner, dass im jüngsten Gazakrieg von 2014 im | |
Vergleich zu früheren Konflikten zwischen den beiden Seiten der Einsatz von | |
Waffen stark zugenommen habe. Israel habe mehr als 6000 Luftangriffe auf | |
den Gazastreifen geflogen und rund 50 000 Artilleriegeschosse abgefeuert. | |
Bewaffnete palästinensische Gruppen schossen demnach 4881 Raketen und 1753 | |
Granaten in Richtung Israel. | |
Israel hatte am 8. Juli 2014 die Offensive auf den Gazastreifen begonnen. | |
Sie war eine Reaktion auf wiederholten Raketenbeschuss der | |
radikalislamischen Hamas und anderer Extremisten, aber auch auf die | |
Entführung dreier jüdischer Religionsschüler im Westjordanland, die später | |
tot aufgefunden wurden. | |
Israel hatte den erwarteten UN-Report bereits vor der Veröffentlichung | |
verurteilt. Netanjahu legte gleichzeitig eigene Studien vor, nach denen | |
Israel alles Erdenkliche getan habe, um das Leben von Zivilisten zu | |
schützen. | |
## Umstrittene Hilfe für Gazastreifen | |
Zur gleichen Zeit hat die angekündigte Beteiligung eines | |
arabisch-israelischen Parlamentsabgeordneten an einer neuen Hilfsflotte für | |
den Gazastreifen in Israel heftige Diskussionen ausgelöst. Mehrere | |
Regierungsmitglieder warfen dem Knesset-Mitglied Basel Ghattas von der | |
Vereinigten Liste arabischer Parteien am Montag vor, er unterstütze damit | |
„den Feind“ und die „Terrorgruppe Hamas“. Ghattas hatte am Sonntag | |
angekündigt, er wolle in einem griechischen Hafen an Bord eines der | |
mindestens drei Schiffe gehen, welche die Seeblockade des isoliert am | |
Mittelmeer gelegenen Palästinensergebiets brechen wollen. | |
Ghattas kündigte an, er werde zusammen mit dem schwedisch-israelischen | |
Komponisten und linken Aktivisten Dror Feiler und der spanischen | |
Europaabgeordneten Ana Maria Miranda Paz (aus der erweiterten Fraktion der | |
Grünen) über Athen zur Solidaritätsflotte stoßen, die Ende des Monats vor | |
dem Gazastreifen aufkreuzen könnte. In einem Brief an Regierungschef | |
Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Mosche Jaalon betonte der | |
Abgeordnete, es handele sich um „eine zivile Flotte, welche die Blockade | |
mit friedlichen Mitteln beenden will“. | |
Das von der radikalislamischen Hamasbewegung kontrollierte Küstengebiet | |
wird nach Entführungen israelischer Soldaten und Raketenangriffen auf | |
Israel seit über acht Jahren von Israel und zuletzt auch Ägypten streng | |
abgeriegelt. Schiffe dürfen die Küstengewässer weder ansteuern noch | |
verlassen. Propalästinensische Aktivisten haben bereits mehrfach vergeblich | |
versucht, die Seeblockade zu durchbrechen. Im Mai 2010 enterte ein | |
israelisches Marinekommando das größte Boot einer aus sechs Schiffen | |
bestehenden „Flotilla“ und tötete zehn türkische Aktivisten. | |
Die zuvor guten Beziehungen Israels zur Türkei sind seitdem tief gestört. | |
Wenn die Marine erneut versuche, die Hilfsschiffe zu stoppen, könne dies | |
„Israel in zusätzliche internationale Krisen verwickeln, wofür dann die | |
Regierung verantwortlich sei“, warnte Ghattas in seinem Brief. | |
## „Aktivität im Dienste des Feindes“ | |
Einwanderungsminister Seev Elkin aus Netanjahus Likud-Partei antwortete | |
darauf im Armee-Radio: „Bei dieser Flotte mitzumachen, die der Terrorgruppe | |
Hamas helfen will, ist das schlimmste, was ein israelischer Abgeordneter | |
tun kann.“ Vize-Außenministerin Zipi Chotoveli pflichtete bei: „Dass ein | |
arabisch-israelisches Knesset-Mitglied sich denjenigen anschließt, die | |
Israel bekämpfen, ist eine Aktivität im Dienste des Feindes unter dem | |
Schutz der parlamentarischen Immunität.“ Ihr Ministerium habe „rund um die | |
Uhr“ auf europäische Länder eingewirkt, damit die Flotte israelische | |
Territorialgewässer nicht erreiche, fügte sie hinzu. | |
Bei einem der beteiligten Schiffe handelt es sich um den schwedischen | |
Trawler „Marianne von Göteborg“, der von zwei Gaza-Solidaritätskomitees in | |
Norwegen und Schweden gekauft wurde. Das Boot mit einer palästinensischen | |
Flagge am Heck war am Freitag von Sizilien aus zu seiner letzten Etappe | |
aufgebrochen und will sich jetzt nach Angaben der Organisatoren in | |
griechischen Gewässern mit mindestens zwei weiteren Schiffen der „Freedom | |
Flotilla III“ zusammenschließen, um im Verband weiter Richtung Gazastreifen | |
zu fahren. | |
22 Jun 2015 | |
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