Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Prozess um den Tod Tugce Albayraks: Die fatale Ohrfeige
> Sanel M., der der Lehramtsstudentin den tödlichen Schlag verpasste, soll
> ins Gefängnis. Die Verteidigung plädiert für eine Bewährungsstrafe.
Bild: Der Angeklagte im Darmstädter Gericht.
Darmstadt taz | Im Fall der im November in Offenbach ums Leben gekommenen
Tugce Albayrak sind am Freitag die Plädoyers vor dem Landgericht Darmstadt
verkündet worden. Mindestens drei Jahre und drei Monate Jugendstrafe
fordern Staatsanwaltschaft und die Vertreter der Familie für den
Angeklagten Sanel M., der den Schlag gegen die Studentin als „schlimmsten
Fehler“ seines Lebens bezeichnete. „Ich kann nur sagen, dass es mir leid
tut“, sagte er am Freitag. Egal, was bei dem Verfahren herauskomme, er
müsse damit leben, dass seinetwegen ein Mensch tot sei.
Sanel M. hatte Tugce Albayrak am Kopf geschlagen. Sie wird von dem Schlag
ohnmächtig und fällt dann ohne Abwehrreaktion auf den Asphalt. An dem
Schädel-Hirn-Trauma, das daraus folgt, stirbt sie. Das sind einige der
wenigen unstrittigen Details, über die Geschehnisse der Nacht vom 14. auf
den 15. November 2014 vor einem Schnellrestaurant in Offenbach. Der Rest
besteht aus einer verwirrenden Vielzahl sich widerstreitender
Zeugenaussagen. Woran glaubt man und wem? Mittlerweile ist klar, dass beide
Seiten sich gegenseitig deftig beschimpft hatten. Der Richter wird am
Dienstag sein Urteil fällen müssen.
Nachdenkliche Worte äußerte der leitende Oberstaatsanwalt Alexander Homm zu
Beginn seines Plädoyers. In diesem setzte er sich kritisch mit der
„Vorverurteilung des Beschuldigten durch die Medien“ auseinander. Albayrak
sei nicht die rein Gute und auch Sanel M. nicht nur der Plumpe, Böse und
Aggressive, als der er immer dargestellt werde: „Ich hoffe, dass alle am
Prozessbeteiligten das enorme Medienecho reflektieren.“ Auch dies müsse in
die Beurteilung Sanel M.s einfließen.
Homm betonte, dass von beiden Parteien wechselseitige derbe Beschuldigungen
und Provokationen ausgegangen seien. Sanel M. sei kurz vor der Tat sogar
schon in ein Auto gestiegen, wollte mutmaßlich wegfahren. Kurz vor dem
Schlag sei Albayrak zudem noch einmal aggressiv auf Sanel M. zugegangen,
habe ihn einmal „Hurensohn“ genannt. „Aber Sanel M. habe letzten Endes
zugeschlagen. Er hätte sich der möglichen Konsequenzen bewusst sein müssen,
erklärte der leitende Oberstaatsanwalt.
## Verteidigung spricht von Provokation
Da der 18-Jährige bereits 2012 wegen schwerer Körperverletzung eine Woche
im Jugendarrest verbracht hab und 2014 erneut zweimal vor Gericht stand,
sah er keine positive Tendenz bei dem jungen Mann. Eine Jugendstrafe hielt
er für angemessen, da Sanel M. noch bei seinen Eltern lebe und noch nicht
einmal eine Ausbildungsstelle habe.
Die Verteidiger plädierten dafür, die Strafe zur Bewährung auszusetzen.
Sanel M. sei so lange provoziert worden, bis ihm die „Sicherungen
durchbrannten“. Insbesondere von „Hurensohn“ habe M. sich wegen seines
schweren Elternhauses im besonderen Maße angegriffen gefühlt. Tugce sei
dies bewusst gewesen.
Die Vertreter der Familie, die als Nebenkläger im Prozess auftreten, warfen
der Verteidigung vor, eine Legende erdacht zu haben. Sanel M. habe
gemeinsam mit einem anderen Freund verabredet, Tugce Albayrak und eine
ihrer Freundinnen zu schlagen. Sie stützen sich dabei auf ein Video, das
zeigt, wie die Freunde sich kurz vor der Tat abklatschen.
12 Jun 2015
## AUTOREN
Alina Leimbach
## TAGS
Tugce Albayrak
Tugce
Kriminalität
Tugce-Prozess
Tugce-Prozess
Tugce Albayrak
Schwerpunkt Rassismus
Sexismus
Körperverletzung
Offenbach
Tugce
Tugce
## ARTIKEL ZUM THEMA
Nach Tod der Studentin mit Zivilcourage: Kein Bundesverdienstkreuz für Tugce
Tugce erfülle nicht die Voraussetzungen für eine posthume Verleihung des
Bundesverdienstkreuzes. Das hat das Bundespräsidialamt entschieden.
Kommentar Tugce-Urteil: Es gibt nur Verlierer
Sanel M. ist ausschließlich Täter, Tugce A. Märtyrerin. Diese Vorurteile
haben sich zementiert – lange vor dem Richterspruch. Aber so einfach ist
das nicht.
Urteil im Tugce-Prozess: Jugendstrafe für den Angeklagten
Tugce A. wurde von einem 18-Jährigen totgeschlagen, als sie zwei Mädchen
vor ihm beschützen wollte. Der Mann muss nun drei Jahre in Haft.
Debatte Polizeigewalt und „Body-Cams“: Kameras retten kein Leben
Angesichts der Polizeigewalt in den USA wird über Schulterkameras
diskutiert. Doch die Überwachung ist teuer. Und hilft nur wenig.
Verhandlung zum Tod von Tugce A.: „Es tut mir sehr leid“
Zu Beginn des Prozesses um den Tod der Studentin Tugce A. entschuldigt sich
der Täter bei ihrer Familie. Er gesteht und wirkt unsicher.
Tod der Studentin Tugce: Prozessauftakt gegen Sanel M.
Am Landgericht Darmstadt beginnt der Prozess gegen Sanel M. Der 18-Jährige
ist wegen Körperverletzung mit Todesfolge an der Studentin Tugce Albayrak
angeklagt.
Tödliche Attacke auf Tugce Albayrak: Anklage gegen mutmaßlichen Täter
Dem 18-jährigen werde Körperverletzung mit Todesfolge vorgeworfen, so die
Anklagebehörde. Er selbst soll im Knast von einem Mithäftling geschlagen
worden sein.
Opfer von Prügelattacke beigesetzt: Bewegender Abschied von Tugce
Tugce gab ein Beispiel für Zivilcourage. Zur Beisetzung kommen Hunderte
Trauergäste. Die Staatsanwaltschaft will zügig Ergebnisse vorlegen.
Nach dem Tod von Tugce: Zwei Zeuginnen und ein Video
Die Polizei hat zwei Frauen vernommen. Sie könnten diejenigen sein, die
Tugce vor Belästigung schützen wollte. Justizminister Maas ruft zu mehr
Zivilcourage auf.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.